Die Forschung hat einen wertvollen Nachlass des deutschen Architekten Peter Grund sichergestellt. Während seiner Karriere überblickte Grund eine faszinierende Zeitspanne, die sich über die Weimarer Republik, die Zeit des Nationalsozialismus und den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg erstreckte. Forscher der Fachhochschule Dortmund, der TU Dortmund und der Philipps-Universität Marburg haben nun Einblicke in sein Leben und Werk gewonnen, basierend auf Materialien, die teils auf einer Müllkippe gelandet waren.
Peter Grund (1892-1966) war ein Architekt, dessen Bauwerke auch heute noch prägend für das Stadtbild sind. Besonders bemerkenswert ist, dass Grund in drei sehr unterschiedlichen politischen Systemen erfolgreich agierte, was Fragen zu seinem Denken und seinen Entscheidungen aufwirft. Die Forschenden haben diesen einzigartigen Aspekt analysiert und dabei ein unveröffentlichtes Buch rekonstruiert, das nun unter dem Titel „Der Maßstab im Städtebau“ veröffentlicht wurde.
Einblick in Grunds Karriere
Eine der bedeutendsten Leistungen von Peter Grund ist der Entwurf der Dortmunder Nicolaikirche, die zwischen 1929 und 1930 erbaut wurde und als erste Sichtbetonkirche Deutschlands gilt. Zudem entstammen auch zahlreiche andere Bauprojekte wie die Industrie- und Handelskammer zu Dortmund aus seiner Feder. Während seiner Zeit an der staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf war Grund in der NS-Zeit aktiv, wo er nicht nur Rathäuser entwarf, sondern auch große Propaganda-Ausstellungen leitete.
Obwohl er nicht als einer der größten Namen in der Architekturszene gilt, sind seine Werke in Städten wie Dortmund, Düsseldorf und Darmstadt von großer Bedeutung. Die Überreste seiner Arbeit sind noch heute sichtbar und machen einen Teil des kulturellen Erbes dieser Städte aus.
Der Nachlass und seine Aufarbeitung
Der Nachlass von Peter Grund umfasst etwa 8.000 städtebauliche und architektonische Pläne sowie über 500 Fotos, Notizen und Briefe. Ein Teil wurde 2006 von einer Studentin der FH Dortmund bei einer Enkelin des Architekten entdeckt, während ein anderer Teil aufgrund von Erbstreitigkeiten auf einer Müllkippe in Darmstadt landete. Diese wertvollen Dokumente konnten von den Forschenden gerettet und digitalisiert werden.
„Es stellt sich die Frage, wie wir mit dem Erbe von Peter Grund umgehen“, sagt Stephan Gudewer, einer der Mitarbeiter an dem Projekt. Die Forschung soll nicht nur als Dokumentation seiner Lebensleistung dienen, sondern auch als Grundlage für Diskussionen über die ethischen Dilemmata, die mit seiner Karriere verbunden sind. Seine Fähigkeit, sich den wechselnden politischen Umständen anzupassen, gibt Anlass zu kritischer Reflexion. Langfristig stellt sich die Frage, welche Lehren für die Gegenwart aus seiner Biografie gezogen werden können.
Der Essay-Band, der in diesem Jahr erscheinen wird, widmet sich diesen kritischen Fragen und beleuchtet neben Grunds architektonischen Leistungen auch Aspekte seiner Karriere, die wir heute in einem anderen Licht betrachten müssen. Die dort gesammelten Gedanken sind Teil eines umfassenderen Forschungsprojekts, das von der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) unterstützt wird.
Die bedeutendste Veröffentlichung zu diesem Thema ist das Buch „Der Maßstab im Städtebau“, das optionale tiefere Einblicke in Grunds Denken zu städtebaulichen Fragestellungen bietet und die Vielschichtigkeit seines Werkes unterstreicht.
In einer Zeit, in der Architektur häufig nur an Ästhetik und Funktionalität gemessen wird, fordert die Auseinandersetzung mit Peter Grund uns auf, auch die politischen und sozialen Kontexte seiner Zeit zu berücksichtigen. Sie stellt die Frage, wie wir die Rolle von Architekten in ihrer jeweiligen Zeit angemessen reflektieren können.
Wertvolle Publikationen
Zusätzlich zu den Forschungsarbeiten sind mehrere Publikationen in Vorbereitung. Zu den herausragenden Werken zählen:
- „Der Architekt Peter Grund und die Tradition in der Moderne“ – Band 3, Herausgeber: Renate Kastorff-Viehmann, Wolfgang Sonne, Jörg Stabenow.
- Die dreiteilige Werkmonographie enthält einen Essay-Band (Band 1) sowie einen Werkkatalog (Band 2), die für Herbst 2024 geplant sind.
Die gegenwärtige Erforschung von Peter Grunds Nachlass und die kritischen Diskussionen über sein Wirken sind ein wichtiger Schritt, um die Komplexität der Architekturgeschichte und ihre Verbindung zu historischen Umständen besser zu verstehen.
Die Bedeutung von Peter Grunds Architektur im Kontext der Stadtentwicklung
Peter Grund hat durch seine Architektur entscheidend zur Stadtentwicklung in mehreren deutschen Städten beigetragen, insbesondere in Darmstadt, Dortmund und Düsseldorf. Seine Entwürfe, deren merkmale oft Funktionalität und Moderne vereinten, reflektieren nicht nur die Bauästhetik ihrer Zeit, sondern auch ein bestimmtes gesellschaftliches Bedürfnis nach Wiederaufbau und Neuordnung nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs.
Gerade in der Nachkriegszeit war der Wiederaufbau mehr als nur eine bauliche Maßnahme; er war ein symbolischer Akt der Hoffnung und des Neuanfangs. Die von Grund geschaffenen Gebäude, wie zum Beispiel die bedeutende Nicolaikirche, wurden zu Ankerpunkten eines neuen Stadtbildes. Viele dieser Bauwerke stehen für den architektonischen Aufbruch einer Gesellschaft, die versuchte, aus den Trümmern der Vergangenheit etwas Neues zu gestalten.
Politischer Kontext und Grunds Anpassungsfähigkeit
Peter Grunds Karriere erstreckte sich über turbulente politische Zeiten in Deutschland. Die Weimarer Republik, das NS-Regime und die Nachkriegsjahre stellten unterschiedliche Anforderungen an Architekten und deren Arbeiten. Grunds Fähigkeit, sich diesen Wandel anzupassen, wirft Fragen auf, wie Kunst und Architektur in von politischen Strömungen bestimmten Kontexten fungieren können. Als er nach dem Krieg das Amt des Oberbaudirektors in Darmstadt übernahm, war dies nicht nur eine technische Herausforderung, sondern auch eine moralische. Wie geht man als Architekt mit einem Erbe um, das sowohl mit ästhetischen Errungenschaften als auch mit politisch bedenklichen Phasen verbunden ist?
Aktuelle Veröffentlichungen und Projekte zur Erforschung von Peter Grund
Die Forschenden an der Fachhochschule Dortmund und den Universitäten haben nicht nur die Arbeiten Peter Grunds rekonstruiert, sondern auch dessen komplexe Biografie kritisch beleuchtet. Der kommende Essay-Band, der sich mit der Wechselwirkung zwischen seiner Architektur und den jeweiligen politischen Kontexten auseinandersetzt, wird eine wichtige Ressource sein. Diese Publikation wird dazu beitragen, das Verständnis für die Rolle von Architektur in gesellschaftlichen Transformationsprozessen zu vertiefen und die oft ambivalenten Positionen von Architekten in geschichtlichen Kontexten aufzuzeigen.
Mit dem digitalen Erbe von Peter Grund, das nun in verschiedenen Archiven und Museen aufbewahrt wird, erhält die aktuelle und zukünftige Generation die Möglichkeit, sich mit den ethischen Fragen der Architektur auseinanderzusetzen und gleichzeitig die ästhetischen Werte vergangener Zeiten zu schätzen. Diese Initiativen könnten nicht nur für Architekten, sondern auch für Stadtplaner und Historiker von großem Interesse sein, da sie die Brücke zwischen Geschichte, Architektur und Gesellschaft schlagen.