DÜSSELDORF. In Nordrhein-Westfalen (NRW hat sich der Anteil der Grundschulkinder, die Ganztagsangebote in Anspruch nehmen, im vergangenen Jahr auf mehr als die Hälfte erhöht. Dies geht aus aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes in Düsseldorf hervor. Der Anstieg, der seit dem Schuljahr 2013/14 zu beobachten ist, zeigt, dass ein immer größerer Teil der Schülerinnen und Schüler Ganztagsangebote nutzt, was sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich bringt.
Die gezielte Nutzung dieser Angebote war im Schuljahr 2023/24 bei insgesamt 372.930 Grundschülern zu verzeichnen. Dabei fiel ins Auge, dass die Mehrheit dieser Kinder den offenen Ganztag (OGS) besuchte, mit 369.225 angemeldeten Kindern. Nur 3.705 Kinder nahmen am gebundenen Ganztag teil, wo eine verpflichtende Teilnahme erforderlich ist.
Starke Unterschiede bei der Nutzung von Ganztagsangeboten
Besonders auffällig sind die regionalen Unterschiede in Bezug auf die Inanspruchnahme von Ganztagsangeboten. In Köln besuchten beeindruckende 82,6 Prozent der Grundschüler im letzten Schuljahr ein entsprechendes Angebot, gefolgt von Leverkusen mit 79,6 Prozent und Oberhausen mit 78,9 Prozent. In ländlichen Gebieten hingegen zeigen die Daten ein ganz anderes Bild, etwa in den Kreisen Olpe, Borken, Siegen-Wittgenstein und dem Hochsauerlandkreis, wo der Anteil der Ganztagsnutzung mit Werten unter 32 Prozent erheblich niedriger ist.
Dilek Engin, die schulpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Landtag NRW, äußerte sich besorgt über diese Entwicklung. Sie bezeichnete die Zahlen als ein «Alarmsignal» für die Bildungslandschaft, da sie eine ungleiche Verteilung der Ganztagsangebote zwischen städtischen und ländlichen Regionen aufzeigen. Angesichts des Rechtsanspruchs auf einen Ganztagsplatz, der ab 2026/2027 in Kraft tritt, sieht die SPD Handlungsbedarf.
Ab dann haben alle Erstklässler das Recht auf einen Ganztagsplatz, und dieser Anspruch wird schrittweise auf die Klassen 2 bis 4 ausgeweitet, sodass bis zum Schuljahr 2029/2030 alle Kinder in diesen Klassenstufen in NRW Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Die Landesregierung erwartet, dass insgesamt rund 590.000 Plätze benötigt werden, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Landesregierung strebt finanzielle Stabilität an
In einem positiven Licht sieht die Landesregierung die Situation, indem sie erklärt, dass NRW «auf Kurs» sei. Laut ihrem Plan soll bis zum Schuljahr 2028/29 eine Finanzierung von insgesamt 605.000 Plätzen im offenen Ganztag bereitgestellt werden, was die Nachfrage voraussichtlich übertreffen sollte. Um die erforderlichen Mittel zu sichern, hat die Landesregierung angekündigt, mehr als eine Milliarde Euro jährlich in die OGS zu investieren.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert jedoch die Etablierung einheitlicher Mindeststandards für die Ganztagsbetreuung in den verschiedenen Regionen des Landes. Die GEW-Vorsitzende Ayla Celik betonte die Notwendigkeit von Qualitätsstandards in Bezug auf Personal, Gruppengröße und Ausstattung, um die Chancengleichheit nachhaltig zu fördern. Sie sieht den Ganztag als einen entscheidenden Faktor für mehr Chancengleichheit und appellierte an die Politik, die notwendigen Ressourcen bereitzustellen.
Trotz der positiven Entwicklung in Bezug auf die Ganztagsangebote bleibt die Forderung nach verbindlichen Qualitätsstandards bestehen. „Die Herausforderungen im Ganztag müssen ernst genommen werden“, so Celik. Die Unterschiede in den Angeboten und deren Qualität könnten auf lange Sicht negative Auswirkungen auf die Bildungserfahrungen der Kinder haben. Während der Ausbau der Ganztagsangebote enorm wichtig ist, darf die Qualität der Betreuung und der angebotenen Programme nicht in den Hintergrund gedrängt werden.
Qualität als Schlüssel zu einer erfolgreichen Ganztagsbetreuung
Letztlich hängt der Erfolg des Ganztagsangebots nicht nur von der Anzahl der Plätze ab, sondern vor allem von dessen Qualität. Um den Bedürfnissen der diversifizierten Schülerpopulation gerecht zu werden, sind entsprechende Maßnahmen und Standards unerlässlich. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um die Weichen für eine zukunftsorientierte und qualitativ hochwertige Bildung zu stellen.
Entwicklung der Ganztagsangebote in Deutschland
Die Ausweitung der Ganztagsangebote an Schulen in Deutschland ist Teil einer umfassenden bildungspolitischen Reform, die darauf abzielt, die Chancengleichheit zu verbessern und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Über die letzten Jahre hinweg hat der Bund verschiedene Gesetze verabschiedet, um den Ausbau von Ganztagsplätzen voranzutreiben. Das aktuelle Ganztagsförderungsgesetz ist das jüngste Beispiel für diese Bemühungen.
In vielen Bundesländern gibt es bereits Regelungen, die den Zugang zu Ganztagsangeboten auf Grundlage von Bedarf und vorhandenen Ressourcen gestalten. Diese unterschiedlichen Ansätze führen jedoch in der praktischen Umsetzung zu regionalen Unterschieden, sodass es in städtischen Gegenden oft bessere Angebote gibt als in ländlichen Räumen. Das hat auch zu Diskussionen über die Qualität der Betreuung geführt und den Fokus auf die Notwendigkeit einheitlicher Standards gerichtet.
Schulische Integration von Ganztagsangeboten
Ein bedeutender Aspekt der Diskussion um Ganztagsangebote in der Schule ist die Integration dieser Programme in den Lehrplan. Ganztagsangebote bieten nicht nur eine Betreuung, sondern auch die Möglichkeit für zusätzliche Lern- und Freizeitaktivitäten. Bei richtiger Integration können sie zur Verbesserung der Schulbildung beitragen.
Ein Beispiel für erfolgreiche Integration ist die Vielzahl an Projekten, die sich mit kulturellen, sportlichen oder sozialen Themen beschäftigen. Hierbei arbeiten Schulen oft mit externen Partnern, wie Sportvereinen oder sozialen Einrichtungen zusammen, um ein abwechslungsreiches Programm anzubieten. Durch diese Maßnahmen sollen Kinder nicht nur besser auf den Schulalltag vorbereitet werden, sondern es soll auch ihre soziale Kompetenz gefördert werden.
Finanzierung und Unterstützung durch den Bund
Die finanzielle Unterstützung für den Ausbau der Ganztagsangebote kommt nicht nur von den Ländern, sondern auch maßgeblich vom Bund. Ein zentraler Bestandteil ist das Bildungs- und Teilhabepaket, das zusätzlichen finanziellen Spielraum für die Schulentwicklungsprogramme bieten soll. Diese Mittel sind entscheidend, um die Infrastruktur der Schulen zu verbessern und die Qualität der Ganztagsangebote zu steigern.
Laut dem Bundesministerium für Bildung und Forschung belaufen sich die Investitionen in den Ausbau des Ganztagsbetriebs auf mehrere Milliarden Euro jährlich. Diese finanziellen Ressourcen sind notwendig, um die erforderlichen Standards in der Betreuung zu garantieren und die Herausforderungen im Hinblick auf den Rechtsanspruch abzudecken.
Aktuelle Herausforderungen und Lösungsansätze
Die steigende Nachfrage nach Ganztagsplätzen bringt insbesondere in ländlichen Regionen einige Herausforderungen mit sich. Hier fehlen oft die notwendigen Ressourcen, um die rechtlichen Vorgaben zu erfüllen. Zeitliche und personelle Engpässe sowohl beim Personal als auch in der schulischen Infrastruktur können dazu führen, dass der Anspruch auf einen Ganztagsplatz nicht überall erfüllt werden kann.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wird häufig eine verstärkte Vernetzung zwischen Schulen und anderen sozialen Einrichtungen vorgeschlagen. Durch solche Kooperationen könnten Bildungseinrichtungen ihre Kapazitäten erweitern und qualitativ hochwertige Angebote schaffen, auch in strukturschwachen Regionen. Die Rolle der Kommunen wird also immer wichtiger, um ein flächendeckendes und zuverlässiges Angebot zu gewährleisten.