Der Landkreis Ebersberg steht vor einer ernsthaften Herausforderung: Das invasive Indische Springkraut breitet sich rasch aus und unterminiert die heimische Flora. Im heißen August 2024 blüht die Pflanze prächtig, was den Naturfreunden der Region Sorgen bereitet. Agrarbiologe Josef Rüegg beschreibt die Situation als „Verdrängungskampf“, der den heimischen Pflanzenarten das Überleben schwer macht.
„Mir geht es darum, unsere Heimat zu erhalten“, betont Rüegg, der Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands im Landkreis. Auch wenn er das Gefühl hat, dass der Kampf gegen die invasierten Pflanzen verloren ist, gibt er nicht auf. Bei seinen Erkundungen in der Natur, insbesondere im Biotop um den Antoliniweiher, sieht er, wie das Indische Springkraut und die Kanadische Goldrute einheimische Pflanzen zurückdrängen.
Die durchwachsenen Bemühungen gegen Neophyten
Neophyten sind Pflanzenarten, die nicht ursprünglich hier heimisch sind und durch menschliches Handeln in die Region eingeführt wurden. Ihre Anwesenheit kann das empfindliche Gleichgewicht der lokalen Ökosysteme stören. Die Kanadische Goldrute, die Rüegg als besonders tückisch beschreibt, hat hartnäckige Wurzeln und ist in der Lage, heimische Pflanzen wie Schilf und andere Blumen zu überwuchern. „Um diese Goldrute zu beseitigen, müsste man tatsächlich den Mutterboden austauschen“, erklärt Rüegg, was praktisch kaum machbar ist.
Doch es sind nicht nur unerwünschte Pflanzen, die Probleme bereiten. Der Landkreis sieht sich auch mit Neozoen, eingewanderten Tieren, konfrontiert, die sich in die lokale Flora und Fauna einmischen. Waschbären und Bisame sind nur einige Vertreter, die sich im Ebersberger Raum ausbreiten. Diese Tiere konkurrieren direkt um Nahrung und Lebensraum mit den heimischen Arten und verschärfen die Kampfbedingungen für die empfindlichen Ökosysteme.
Josef Rüegg führt immer wieder Freiwillige aus dem Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) heran, die tatkräftig gegen die invasive Vegetation ankämpfen. „Das ist zielführend, aber es fühlt sich oft wie Sträflingsarbeit an“, erklärt er. Die jungen Helfer mähen, rupfen und ziehen, was sie können, um die Flächen soweit zu pflegen, dass ein Überleben der heimischen Arten gesichert ist.
Ein Appell an die Öffentlichkeit
Der Agrarbiologe macht einen eindringlichen Aufruf an Hobbygärtner: Sie sollen ihr Schnittgut nur in speziellen Kompostöfen ablegen. Oftmals werden Reste gedankenlos im Wald entsorgt, was die Situation verschärft. Ein Beispiel ist ein unerlaubter Bambuswald, der sich auf einer Fläche von etwa 500 Quadratmetern etabliert hat und nun den Naturschützern Probleme bereitet. Auch unerlaubt ausgesetzte Goldfische im Ilchinger Weiher zeigen, welche Herausforderungen die Menschen in der Region schaffen können, die dann aus eigener Dummheit zur Plage werden.
Die Aufgabe, das Biotop zu erhalten, sei nicht einfach, da die Neophyten nicht nur die Pflanzenwelt, sondern auch die Insekten und damit die gesamte Nahrungskette in Gefahr bringen können. Jeder Verlust einer einheimischen Pflanze hat Folgen für die Insekten, die sich von ihnen ernähren, und in der Folge auch für die Vögel, die auf diese Insekten angewiesen sind.
„Was geschieht, wenn wir eine heimische Art verlieren?“, fragt Rüegg rhetorisch und bietet gleich die Antwort an: „Wir verlieren einen Teil unserer Heimat.“ In seiner Sichtweise sind die Biotope wie der Antoliniweiher nicht nur Refugien für Pflanzen und Tiere, sondern auch wichtig für die kulturelle Identität der Region. Der Agrarbiologe möchte, dass künftige Generationen ein Ebersberg erleben, das sein Urgroßvater einst kannte.
Rüegg hebt die Notwendigkeit der aktiven Pflege dieser Flächen hervor. „Wir haben Verantwortung gegenüber einem Gebiet, das von allen geschätzt werden sollte. Diese Orte, die Trittsteine für heimische Flora und Fauna darstellen, dürfen nicht verloren gehen“, sagt er entschlossen und nimmt sich vor, den Kampf gegen die invasiven Arten weiterzuführen, auch wenn die Aussicht auf Erfolg oft gering erscheint.
Dabei spielen auch Veränderungen durch den Klimawandel eine Rolle, die sich auf die einheimischen Lebensräume auswirken. Während viele Tierarten von milderen Wintern profitieren, könnten schädliche Arten wie die Asiatische Hornisse oder der Nordamerikanische Ochsenfrosch nach und nach auch in Ebersberg Einzug halten. Es bleibt abzuwarten, wie sich diese Entwicklungen auf die Region auswirken werden.