Am 17. Oktober 1935 überschritt ein Schreiben die Schwelle des Amtsgerichts Erfurt, das unmissverständlich die leidvolle Geschichte eines Juristen aufzeigte. Alex Heilbrun, ein promovierter Jurist und Notar, musste seine Notar-Amtssiegel abgeben – ein symbolisches Akt, der das Ende seiner beruflichen Laufbahn im Deutschen Reich markierte. Mit seiner Rückgabe der Siegel und Stempel, so die genaue Aufzeichnung, wurde der Bruch eines vollständigen Lebensdokuments sichtbar: die Diskriminierung und Vertreibung jüdischer Juristen in der Zeit des Nationalsozialismus.
Die Entbehrungen, die Heilbrun erleiden musste, sind beispielhaft für die Schicksale vieler seiner Kollegen. Bereits 1933 wurde ihm der Zugang zu den Justizgebäuden verweigert, und 1938 zog man ihm die Rechtsanwaltszulassung zurück. Sein Lebensweg führte ihn letztlich ins Konzentrationslager Buchenwald und später ins Ghetto Belzyce. Doch der heutige Tag bringt mit der Ausstellung »Ich war hier… Eine Spurensuche nach jüdischen Kollegen und Kolleginnen in der Thüringer Justiz nach 1933« im Thüringer Oberlandesgericht Jena eine neue Perspektive. Diese erinnert an die Verfolgung, die viele Juden erlitten haben, und beleuchtet deren Bedeutung in der Thüringer Rechtsprechung.
Die Ausstellung – Ein Schritt zur Sichtbarkeit
Die Ausstellung wird für zwei Monate die Biografien jüdischer Juristen der region zeigen, und somit zur Erinnerung an diese oft übersehenen Beiträge zur Rechtsgeschichte Thüringens beitragen. Technologisch modern präsentiert, sind die Geschichten dieser Juristen auf drei digitalen Bildschirmsäulen im Eingangsbereich des Gerichts abgebildet. Durch berührungsempfindliche Displays können die Besucher die Inhalte leicht navigieren und die beeindruckenden Lebensgeschichten kennenlernen.
Eine der prominenten Figuren in der Ausstellung ist Theodor Emanuel Gutmann, der als Gerichtsreferendar in Gotha tätig war. Geboren in Gotha, studierte er an renommierten Universitäten wie München und Berlin, bevor er 1933 promovierte. Wie viele andere jüdische Juristen wurde auch er während der nationalsozialistischen Ära aus dem Vorbereitungsdienst entlassen. Gutmann mühte sich darum, seine Situation zu entkommen, was ihm schließlich gelang: Er emigrierte nach Spanien und später in die USA, wo er bis zu seinem Tod 1997 in Walnut Creek lebte. Solche Geschichten sind es, die diese Ausstellung den Besuchern näherbringen möchte – um die unsichtbaren Wurzeln der Justizgeschichte zu beleuchten.
Das Ziel der Ausstellung ist klar und bedeutend: Es geht darum, das Gedächtnis an jüdische Juristen lebendig zu halten, die in der Thüringer Justiz gearbeitet haben. In Zeiten des Vergessens sollen diese wichtigen Figuren wieder sichtbar gemacht werden, an Orten, die für ihre Arbeit von Bedeutung waren. Die Verantwortlichen beschreiben die Ausstellung als Auftakt zu einer breiteren Spurensuche, an der sich sowohl das Justizsystem als auch interessierte Bürger beteiligen können. Das Engagement für diese Initiative unterstreicht die Notwendigkeit, nicht nur die dunkle Geschichte der Verfolgung, sondern auch die positive Rolle der jüdischen Juristen im Rechtssystem zu würdigen.
Ein bleibendes Erinnern
Die Ausstellung wird demnächst auch nach Weimar ziehen, was einen wichtigen Schritt in der Staatsanwaltschaft darstellt. Indem diese Geschichten erzählt werden, bleibt die Erinnerung an das Unrecht, das geschehen ist, lebendig. Damit soll nicht nur der jüdischen Juristen gedacht werden, sondern auch eine breitere Verknüpfung zu heutigen Fragen von Diversität und Toleranz gezogen werden. Der Umgang mit der eigenen Geschichte hat eine zentrale Bedeutung für die Gesellschaft, eine Tatsache, die durch diese Ausstellung eindringlich unterstrichen wird.
Die Bedeutung der Gedenkveranstaltungen
Gedenkveranstaltungen wie die Ausstellung »Ich war hier… Eine Spurensuche nach jüdischen Kollegen und Kolleginnen in der Thüringer Justiz nach 1933« spielen eine essentielle Rolle im Umgang mit der Geschichte des Nationalsozialismus. Sie dienen nicht nur der Erinnerung an die Verfolgten, sondern fördern auch ein Bewusstsein für die Gefahren von Antisemitismus und Diskriminierung in der heutigen Gesellschaft. Solche Initiativen bieten Bildungsangebote, die die breite Öffentlichkeit anregen, über die Geschichte nachzudenken und Lehren für die Zukunft zu ziehen. Sie schaffen einen Raum für Reflexion und Diskussion, der für die Aufarbeitung der Geschichte unerlässlich ist.
Der Erinnerungsprozess ist komplex und erfordert oft auch die Auseinandersetzung mit eigenen Wahrnehmungen, Vorurteilen und der eigenen Rolle in der Gesellschaft. Die Betrachtung der Biografien von Einzelpersonen wie Alex Heilbrun und Theodor Emanuel Gutmann macht deutlich, dass es sich um Menschen mit einem reichen Leben und bedeutenden Beiträgen handelt, die durch diskriminierende Gesetze und gewalttätige Maßnahmen ihrer Grundrechte beraubt wurden. Es zeigt sich, wie wichtig es ist, ein Haltungswechsel hin zu Toleranz und Respekt zu fördern.
Der rechtliche Kontext der Verfolgung jüdischer Juristen
Die rechtlichen Grundlagen, die zur Verfolgung jüdischer Juristen führten, waren im Rahmen der NS-Gesetzgebung verankert. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden eine Reihe von Gesetzen erlassen, die darauf abzielten, jüdische Bürger aus wirtschaftlichen, sozialen und öffentlichen Lebensbereichen auszuschließen. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums von 1933 war eines der ersten Gesetze, das es ermöglichte, jüdische Beamte, einschließlich Juristen, zu entlassen.
Diese Gesetze waren Teil einer umfassenden Strategie, die darauf abzielte, die jüdische Bevölkerung systematisch aus der deutschen Gesellschaft zu entfernen. Je mehr sich die NSDAP in ihrer Ideologie verfestigte, desto rigider wurden die Maßnahmen. Dies führte zur Entziehung von Rechten und zur Schaffung eines Klimas der Angst. Der Ausschluss von jüdischen Juristen aus dem Rechtsberuf hatte nicht nur individuelle Schicksale zur Folge, sondern lähmte auch die Rechtsordnung insgesamt, da zahlreiche hochqualifizierte Fachkräfte verloren gingen.
Erinnerungskultur in Deutschland
Die Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ist ein zentraler Bestandteil der deutschen Erinnerungskultur. An vielen Orten in Deutschland werden Projekte zur Erinnerung und Aufarbeitung der Geschichte der Verfolgung und Ermordung jüdischer Menschen durchgeführt. Dazu zählt unter anderem die Errichtung von Gedenkstätten, die Organisation von Bildungsprogrammen und die Förderung von Forschung zu diesem Thema.
Eine aktuelle Studie, die von der Bundesregierung in Auftrag gegeben wurde, zeigt, dass eine Mehrheit der Deutschen die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus für wichtig hält. Jedoch gibt es auch Bedenken, dass die Erinnerung an die history nicht in der Gesellschaft verankert ist, insbesondere bei jüngeren Generationen. Es ist daher entscheidend, solche Ausstellungen und Initiativen kontinuierlich zu unterstützen und zu erweitern, um eine nachhaltige Auseinandersetzung mit dieser dunklen Phase der Geschichte zu gewährleisten und den ideologischen Wurzeln von Antisemitismus und Rassismus aktiv entgegenzutreten.
Weitere Informationen zu den Gedenkveranstaltungen in Deutschland finden sich auf den Seiten der Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas.