Clemens Meyers neuer Roman „Die Projektoren“ zeigt eindrucksvoll, wie Geschichte und Erzählkunst ineinanderfließen, um ein lebendiges Portrait der postkommunistischen Realität in Europa zu zeichnen. Mit seinen über 1000 Seiten liefert der Autor eine komplexe Geschichte, die an vielerlei Orten in Europa spielt, von Leipzig bis Belgrad, und dabei durch verschiedene Zeitperioden navigiert, beginnend mit der DDR und der Volksrepublik Jugoslawien. Es ist ein Werk, das nicht nur die Erinnerungen an die Vergangenheit erforscht, sondern auch die Verstrickungen gegenwärtiger Ideologien thematisiert.
Im Herzen dieser Erzählung stehen unvergleichliche Charaktere, wie zum Beispiel ein ehemaliger Partisan im Velebit-Gebirge, der die Dreharbeiten der berühmten Winnetou-Filme miterlebt. Jahrzehnte später jedoch, an denselben Landschaften, finden die brutalen Konfrontationen der Jugoslawienkriege statt. Besonders bemerkenswert sind die jungen Rechtsradikalen aus Dortmund, die in einem erschütternden Moment die Sinnlosigkeit ihrer extremistischen Ideologie erkennen müssen. Diese Szenen erzeugen einen eindringlichen Kontrast, der die Absurdität von Kriegen und ideologischen Extremismus verdeutlicht.
Ein vielschichtiger Handlungsstrang
Ein weiterer spannender Handlungsstrang dreht sich um eine psychiatrische Klinik in Leipzig, wo die Texte eines ehemaligen Patienten analysiert werden. Die Fragen, die sich hier stellen, sind fascierend: Wie schaffte es dieser Patient, spurlos zu verschwinden? Konnte er die Zukunft voraussagen? Und welche Verbindung gibt es zu Dr. May, einem früheren Patienten, der eine Art Mentor für die Erzählung darstellt? Diese Fragen laden die Leser dazu ein, über die Eigenheiten menschlicher Erfahrungen und die Suche nach Identität nachzudenken.
Die Reaktion der Kritiker auf „Die Projektoren“ ist überwältigend positiv. Judith von Sternburg von der Frankfurter Rundschau hebt hervor, wie Meyer auf fesselnde Weise die Geschichte von Karl May mit der eigene Erzählung verweben kann. Sie beschreibt ihn als einen Meister der Dialoggestaltung und lobt die Realitätsnähe, mit der er selbst in fantastischen Kontexten die Fäden der Geschichte in der Hand hält. Die Verknüpfung von historischer und fiktiver Erzählung wird hierbei als besondere Stärke des Romans gewürdigt.
Richard Kämmerlings von Die Welt erkennt in Meyers Werk eine brillante Kombination aus historischen Ereignissen und Popkultur, die beeindruckend miteinander verwoben sind. Die Delegation, bestehend aus Lex Barker sowie ehemaligen Partisanen, verleiht den Erzählungen eine zusätzliche Dimension, indem sie historische Kontexte in eine neue, unerwartete Verbindung bringt. Diese innovative Mischung aus Hoch- und Popliteratur sowie die geschickte Balance von verschiedenen Erzähltraditionen machen das Buch zu einem einzigartigen Meisterwerk.
David Hugendick von Die Zeit sieht in dem Werk einen literarischen Schatz, der in Zukunft sicher zahlreiche akademische Diskussionen hervorrufen wird. Hierbei spannt Meyer einen Bogen von Jugoslawien über den NSU bis zum Leipzig der Gegenwart. Seine Verschmelzung von verschiedenen Themen – von Nazismus und Sozialismus über Kino und Kriegsgeschichte bis hin zu individuellen Schicksalen – zeugt von einer tiefen literarischen Kunstfertigkeit, die sowohl bewunderten als auch unterfordern kann.
Insgesamt ist „Die Projektoren“ ein fesselndes Werk, das sowohl literarisch als auch historisch eine bemerkenswerte Auseinandersetzung mit der menschlichen Natur und den Abgründen der Vergangenheit bietet. Clemens Meyer nutzt ein Montageprinzip, das eindrucksvoll zeigt, wie die Geschichten der Vergangenheit noch bis in die Gegenwart nachhallen und uns als Gesellschaft weiterhin prägen.