Das Landgericht Frankfurt am Main hat entschieden, dass ein Onlinemedium, das von Ex-Bild-Chef Julian Reichelt gegründet wurde, es künftig unterlassen muss, eine transidente Frau als Mann zu bezeichnen. Diese Entscheidung resultiert aus einem Eilverfahren, das die betroffene Frau angestrengt hatte. Ende Juni 2024 erging der Beschluss, und er stellt einen wichtigen rechtlichen Erfolg für die Rechte von Transpersonen dar.
In einem Fall, der im Mai Schlagzeilen machte, hatte ein Frauenfitnessstudio den Mitgliedsantrag der Transfrau abgelehnt. Daraufhin schaltete sich die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein, was zu einer breiten Berichterstattung über den Vorfall führte. Das Medium NiuS veröffentlichte in diesem Zusammenhang zahlreiche Artikel und stellte die Antragstellerin fortwährend in männlichen Begriffen dar, was zu ihrer Klage führte.
Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Das Gericht hat in seinem Beschluss festgestellt, dass die Bezeichnung der Frau als Mann ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Es liege eine klare Diskrepanz in der Wahrnehmung ihres Geschlechts vor, die auf ihrem Personenstand im Ausweis beruht. Der rechtliche Rahmen, der hier zur Anwendung kommt, ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das jedem Menschen zusteht. Die Richter machten deutlich, dass eine solche falsche Zuordnung nicht nur unzulässig, sondern auch ein Angriff auf die Menschenwürde der betroffenen Person ist.
Besonders kritikabel war die Verwendung von Begriffen wie „Herr Transfrau“ und „dieses Herrn in Damenkleidung“, die das Gericht als äußerst verletzend einstufte. Darüber hinaus entschied das LG Frankfurt, dass die Anonymität der Transfrau gewahrt werden muss, und dass die Veröffentlichung von Bildern – selbst wenn sie verpixelt sind – nicht zulässig ist, wenn diese für Bekannte dennoch gut erkennbar sind.
Grenzen der Meinungsfreiheit
Der Antrag der Transfrau war in den meisten Punkten erfolgreich, abgesehen von der Debatte um die Mitgliedschaft im Frauenfitnessstudio. Hier gestattete das Gericht, dass die Aussage, nur Personen mit weiblichem Geschlechtseintrag dürften Mitglied werden, im Rahmen der Meinungsfreiheit geäußert werden kann. Diese Diskussion sei durch das Grundgesetz geschützt und erlaube gewisse Äußerungen, solange sie nicht die Geschlechtsidentität der betroffenen Person infrage stellen.
Das Gericht ließ zudem einige Formulierungen in den Artikeln von NiuS unbeanstandet, darunter ein Wortspiel, das sich auf die Mitgliedschaft bezog. Die Richter betonten, dass in diesen Äußerungen keine verletzenden Tatsachenbehauptungen zu finden seien, sondern vielmehr Meinungen, die in der Öffentlichkeit geäußert werden können.
Im Vorfeld hatte NiuS von seinem Recht auf Stellungnahme keinen Gebrauch gemacht, was bis сегодня Fragen aufwirft, ob und welcher rechtliche Schritt dem Portal noch bleiben könnte. Der Fall steht nicht isoliert, denn Reichelt’s Medium war zuvor bereits mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert worden, die allesamt auf die Diskriminierung von transidenten Personen abzielten.
Die derzeitige Situation wirft ein Licht auf die Schwierigkeiten, mit denen trans Menschen in der Gesellschaft konfrontiert sind. Die Bewertung ihrer Identität und die damit verbundene Rechtsprechung sind nach wie vor in der gesellschaftlichen Diskussion. Es bleibt abzuwarten, wie sich NiuS in dieser Angelegenheit positioniert und ob das Gericht gegebenenfalls weitere Schritte unternehmen muss, um die Rechte der Antragstellerin zu schützen.
LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18.07.2024 – 2-03 O 275/24
Im Hinblick auf den laufenden rechtlichen Konflikt könnte die Entscheidung des Gerichts als ein Fortschritt für die Rechte von Transpersonen in Deutschland angesehen werden, während gleichzeitig die Herausforderungen und Spannungen innerhalb der Gesellschaft sichtbar bleiben.
Rechtslage und Diskriminierungsschutz
Im deutschen Rechtssystem wird das Thema der Diskriminierung auf verschiedenen Ebenen behandelt. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt Personen vor Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität. In diesem Kontext wird auch die Menschenwürde, wie sie im Artikel 1 des Grundgesetzes verankert ist, betont. Dieses Recht umfasst die Möglichkeit, die eigene Geschlechtsidentität zu leben und respektiert zu werden. Der Fall vor dem LG Frankfurt verdeutlicht, wie wichtig dieser Schutz ist und er zeigt auch die aktuelle gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Genderfragen.
Die andauernden Konflikte um die Geschlechtsidentität in Medienberichterstattung werfen Fragen nach der Verantwortung von Journalisten und Plattformen auf. Die Gleichbehandlung von Transpersonen hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen, und zahlreiche Klagen wegen Diskriminierung durch Medienberichte wurden angestrengt. Das Urteil des LG Frankfurt ist ein weiteres Beispiel für die rechtlichen Schritte, die transidente Personen unternehmen müssen, um ihre Rechte auf Anerkennung und respektvolle Behandlung zu gewährleisten.
Gesellschaftliche Wahrnehmung von Transidentität
Die öffentliche Wahrnehmung von Transidentität hat sich in den letzten Jahren auf vielfältige Weise verändert. Eine zunehmende Sensibilisierung für Geschlechtervielfalt und die Rechte von Transpersonen ist erkennbar. Dennoch bleibt die Berichterstattung oft ambivalent, da viele Medien weiterhin stereotype Darstellungen verwenden oder kritische Fragen zu Geschlechtsidentität unreflektiert präsentieren. Laut einer Umfrage des Bundesverbands Trans* aus dem Jahr 2020 gaben 70 % der befragten Transpersonen an, dass sie in den Medien häufig nicht als das dargestellt werden, was sie sind.
Darüber hinaus hat die Corona-Pandemie in vielen Bereichen zu mehr Isolation und Diskriminierung geführt, insbesondere für Transpersonen. Statistiken zeigen eine erhöhte Gewaltbereitschaft gegenüber transidenten Personen in diesen Krisenzeiten. Ein Bericht der Anti Gewalt Initiative für das Jahr 2022 dokumentiert einen signifikanten Anstieg von Hintergründen, die Gewalt gegen Transpersonen betreffen. Die permanente Herausforderung, sich in einer oft feindlichen Umwelt Gehör zu verschaffen, verstärkt die Notwendigkeit für rechtliche Schutzmaßnahmen und eine aktive Unterstützung durch die Gesellschaft.