Im kleinen Hallbergmoos hat ein 14-jähriger Schüler einen bemerkenswerten Schritt gemacht, der zeigt, dass Herausforderungen überwunden werden können. Niklas Zagler, der selbst mit Legasthenie lebt, hat im Rahmen seiner Schulabschlussarbeit ein Kochbuch mit dem Titel „Time Out – ich habe Hunger“ erstellt. Dieses Buch umfasst 112 Seiten mit 28 sorgfältig ausgewählten Rezepten, die speziell für Legastheniker zugeschnitten sind.
Legasthenie ist eine häufige Lese- und Rechtschreibstörung, von der in Deutschland schätzungsweise 3,5 Millionen Menschen betroffen sind. Auch wenn der Begriff weit verbreitet ist, wissen die wenigsten, welche praktischen Schwierigkeiten damit einhergehen. Niklas selbst hat gesagt, dass es ihm oft schwerfällt, Rezepte zu lesen, was ihn aber nicht davon abhält, seine Leidenschaft fürs Kochen auszuleben. Inspiriert von seinem Lieblingskoch Jamie Oliver, der ebenfalls Legastheniker ist, wollte Niklas mit seinem Projekt zeigen, dass auch mit dieser Hürde viel erreicht werden kann.
Die Entstehung des Kochbuchs
Die Idee, ein Kochbuch zu erstellen, kam Niklas durch seinen Vater, der ihm vorschlug, die Rezepte aufzuschreiben, nachdem Niklas in mehreren Küchen Praktika absolviert hatte. „Ich wollte früher Koch werden“, erzählt Niklas. Zunächst dachte er über QR-Codes nach, entschloss sich dann aber, Fotos und Schritt-für-Schritt-Anleitungen zu verwenden, da schließlich die Umsetzbarkeit im Vordergrund stand.
Die Rezepte stammen zum großen Teil von den Freunden seines Eishockey-Teams, den U15 Black Bears Freising. Niklas fragte seine Teamkollegen nach ihren Lieblingsgerichten, und so entstanden Vielfalt und kreative Rezeptur. Der umtriebige Jugendkoch genoss es, den Kochprozess nicht nur selbst zu gestalten, sondern auch die Rezepte so zu präsentieren, dass sie für andere Legastheniker zugänglicher gemacht werden.
- Gesamtseitenzahl: 112
- Anzahl der Rezepte: 28
- Lieblingsgericht des Autors: Depskombera
- Vorbild: Jamie Oliver
Die grafische Gestaltung des Buches war eine weitere Herausforderung. Niklas lernte, ein professionelles Grafik-Programm namens InDesign zu nutzen, um das Buch ansprechend zu gestalten. Auf die Frage, wie lange er für die gesamte Arbeit gebraucht hat, antwortete er: „Insgesamt kann man von etwa einer Woche reiner Arbeitszeit sprechen.“ Damit zeigt Niklas nicht nur Durchhaltevermögen, sondern auch eine beeindruckende Kreativität und Innovationskraft.
Die Herausforderungen durch Legasthenie
Niklas beschreibt seine Erfahrungen in der Schule als herausfordernd. „Es wurde in der Grundschule sehr schnell klar, dass ich Legasthenie habe“, sagt er. Seine Mutter, Angela Zagler, ergänzte, dass die Probleme bei Niklas schon früh sichtbar waren und die Familie viel Aufwand betrieben hat, um eine Diagnose zu erhalten. Mit der Diagnose kam jedoch auch eine neuartige Art des Unterrichts, die Niklas in der Montessori-Schule erleben durfte, wo er individuell gefördert wird.
Obwohl Niklas das Lesen und Schreiben erhebliche Schwierigkeiten bereitet, hat er Strategien entwickelt, um mit diesen Herausforderungen umzugehen. „Ich lasse mir oft die Rezepte von meinen Freunden schicken und gehe sie dann Schritt für Schritt durch“, erklärt er. Diese Unterstützung aus seinem sozialen Umfeld ist ein wesentlicher Bestandteil seines Erfolges.
Angela Zagler wünscht sich, dass die Leute verstehen, dass Legastheniker genauso klug und talentiert sind wie jeder andere. Häufig kämpfen Betroffene gegen ein Stigma, das mit der Erkrankung einhergeht. Niklas und seine Familie haben sich bewusst entschieden, in die Öffentlichkeit zu treten und auf die Thematik aufmerksam zu machen, um anderen Mut zu machen.
Ein Blick in die Zukunft
Die zukünftigen Pläne von Niklas sind noch nicht abschließend festgelegt. „Ich könnte mir vorstellen, eine Ausbildung zum Zweirad-Mechatroniker zu machen“, verrät er. Doch auch ein weiteres Kochbuch scheint für ihn nicht ausgeschlossen. Seine Begeisterung für das Kochen und seine positive Einstellung zeigen, dass Niklas auf dem richtigen Weg ist, um seine Träume zu verwirklichen.
Mit „Time Out – ich habe Hunger“ hat Niklas nicht nur ein Kochbuch kreiert, sondern auch ein Zeichen gesetzt, dass trotz Hürden im Leben jede Herausforderung angenommen werden kann. Seine Geschichte inspiriert viele und zeigt, dass Legasthenie kein Hindernis für Erfolg ist, sondern eine andere Weise des Lernens und Arbeitens darstellen kann.
Niklas Zaglers kreatives Kochbuchprojekt „Time Out – ich habe Hunger“ ist nicht nur ein Beweis für sein Talent, sondern auch für die Bewältigung von Herausforderungen, die sich aus seiner Legasthenie ergeben. Die Resonanz auf sein Buch zeigt, wie viel Unterstützung und Anerkennung für solche Projekte gegeben werden kann, insbesondere wenn sie auf persönliche Erfahrungen basieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass Legasthenie viele Gesichter hat und dass die Herausforderungen, denen sich Betroffene gegenübersehen, vielfältig und oft einzigartig sind.
Ein tiefes Verständnis hierfür kann auch hilfreich sein, um den sozialen Kontext zu beleuchten, in dem Niklas und andere Kinder sich bewegen.
Die Rolle von Schule und Bildung im Umgang mit Legasthenie
Die Schulbildung hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung von Kindern mit Legasthenie. In Deutschland haben die Schulen bereits begonnen, sich verstärkt auf die inklusiven Bedürfnisse dieser Schüler einzustellen. In vielen Bundesländern gibt es mittlerweile spezielle Förderprogramme, die gezielte Hilfestellungen anbieten. Es wird von Lehrkräften erwartet, individuelle Lernpläne zu erstellen, die auf die Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten sind. Vor allem Montessorikonzepte, die individuelle Förderung betonen, sind hier besonders erfolgreich.
Statistiken zeigen, dass immer mehr Schulen Programme implementieren, die Schüler mit Lese- und Schreibstörungen unterstützen. Laut einer Erhebung der Deutschen Gesellschaft für Sprache geben 14 % der Lehrer an, dass sie spezifische Weiterbildung zur Unterstützung von Legasthenikern absolviert haben. Dies entspricht einem positiven Trend, da Lehrkräfte besser auf die Herausforderungen der Schüler sensibilisiert werden und mehr individuelle Förderangebote geschaffen werden.
Herausforderungen und Strategien im Alltag
Die Bewältigung des Alltags mit Legasthenie wird sowohl von der Familie als auch von den Schulen als herausfordernd betrachtet. Wie Angela Zagler beschreibt, stehen die Betroffenen oft vor einer Vielzahl von Schwierigkeiten, nicht nur beim Lesen und Schreiben, sondern auch bei alltäglichen Aufgaben wie dem Entziffern von Straßenschildern oder Fahrplänen.
Es gibt jedoch auch Strategien, die Menschen mit Legasthenie helfen können, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Dazu gehören unter anderem:
- Visuelle Hilfsmittel: Der Einsatz von Farben oder Symbolen zur besseren Strukturierung von Texten.
- Technologische Unterstützung: Sprach-zu-Text-Software und spezielle Lern-Apps können die Schreib- und Lesefähigkeiten fördern.
- Regelmäßige Pausen: Diese helfen dabei, die mentale Ermüdung zu verringern, die viele Legastheniker bei längeren Leseeinheiten empfinden.
Niklas nutzt bereits einige dieser Strategien, um sich in der Schule besser zurechtzufinden und seine Aufgaben effektiver zu bewältigen. Solche Maßnahmen können entscheidend zur Eigenständigkeit und zum Selbstbewusstsein von Legasthenikern beitragen.
Gesellschaftliche Akzeptanz und Unterstützung
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die gesellschaftliche Akzeptanz von Legasthenie. Viele Betroffene, einschließlich Niklas, gehen aktiv gegen die Vorurteile an, die häufig mit dieser Lernschwäche verbunden sind. Insofern ist das Beispiel von Niklas nicht nur inspirierend, sondern auch richtungsweisend. Die Entscheidung, seine Erfahrungen öffentlich zu teilen, ist ein kraftvolles Statement, das darauf abzielt, die Sichtweise von Menschen zu verändern und Betroffenen Mut zu machen.
In den letzten Jahren gab es eine zunehmende Diskussion über Legasthenie und andere Lernschwächen in den sozialen Medien und der Gesellschaft insgesamt. Viele Initiativen setzen sich dafür ein, mehr Bewusstsein zu schaffen, Unterstützung anzubieten und eine geradezu revolutionäre Veränderung in der Wahrnehmung von Legasthenikern zu fördern, sodass sie nicht mehr als „anders“, sondern als ebenso talentiert und fähig wahrgenommen werden wie ihre Altersgenossen.
Die engagierten und mutigen Schritte, die Niklas Zagler und seine Familie unternehmen, sind ein Schritt in die richtige Richtung, nicht nur für ihn, sondern auch für unzählige andere, die ähnliche Herausforderungen erleben.