Ein Metzger aus Langenbach, Augustin Keller, sieht sich derzeit mit enormen Problemen konfrontiert, die aus seiner Investition in eine Photovoltaikanlage resultieren. Vor etwa zwei Jahren hat er mehr als 250.000 Euro in die umweltfreundliche Technologie gesteckt, in der Hoffnung, seine Energiekosten erheblich zu senken und autonomer zu wirtschaften. Doch die Realität sieht anders aus. Immer wenn das Stromnetz an sonnigen Tagen überlastet ist, wird seine PV-Anlage einfach abgeschaltet. Diese Situation frustriert nicht nur ihn, sondern betrifft auch viele Kollegen in der Branche.
Die Photovoltaikanlage auf seinem Firmendach produziert jährlich etwa 200.000 Kilowattstunden Strom. Keller hat geschickt seine Betriebsabläufe so organisiert, dass er den erzeugten Strom optimal nutzt, zum Beispiel während der Mittagszeit, wenn die Sonne am meisten scheint. Dadurch konnte er seine Stromrechnung von 8000 Euro auf 3000 Euro reduzieren und zusätzlich Einnahmen durch die Einspeisung von überschüssigem Strom erzielen. Doch diese positive Bilanz wird in der Hochsaison von über 10.000 Euro Stromkosten im Mai 2024 überschattet, als die Anlage an 13 Tagen abgestellt wurde.
Netzüberlastung stellt Betreiber vor Herausforderungen
Die Ursache für die Abschaltungen liegt in der Überlastung des Stromnetzes. Laut einer Erklärung eines Sprechers der Überlandwerke Erding wird im Voraus angekündigt, wenn eine Reduzierung der Einspeiseleistung notwendig ist. Dies geschieht, um eine Überlastung des Netzes zu verhindern. Bis dato gab es in diesem Jahr bereits etwa 30 solcher Aufforderungen. Der Aufstieg der erneuerbaren Energien bringt unweigerlich neue Herausforderungen mit sich. Bayernwerk-Sprecher Maximilian Zängl erklärt, dass im vergangenen Jahr 88.000 neue Photovoltaikanlagen zu den bereits 500.000 bestehenden hinzugekommen sind. Dies hat zu einer Gesamtleistung von rund 10.000 Megawatt im bayerischen Netz geführt, das nur begrenzt ausgebaut werden kann, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
Keller ist jedoch nicht der einzige, der unter diesen Bedingungen leidet. Marian Rappl, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft, bestätigt, dass die steigende Zahl von PV-Anlagen eine Überlastung zur Folge hat, die die Versorgungssicherheit gefährden könnte. Die bestehenden Infrastrukturen sind einfach nicht schnell genug auf die neuen Herausforderungen angepasst werden. So erklärt Rappl, dass die Steuerung des Netzes sehr komplex ist und es nicht sinnvoll ist, einzelne Anlagen gezielt abzuschalten.
Finanzielle Einbußen durch Stillstand der Anlage
Der Metzgermeister empfindet die Situation als ungerecht. Jeder Tag, an dem seine Anlage nicht genutzt werden kann, bedeutet für ihn einen finanziellen Verlust von etwa 500 Euro, da er gezwungen ist, teuren Netzstrom zu kaufen. Dies wirkt sich destruktiv auf sein Geschäft aus, und er fühlt sich verhältnismäßig machtlos. Zudem hat Keller versucht, über Gespräche mit den Überlandwerken und direkten Kontakt zu politisch Verantwortlichen eine Lösung zu finden, jedoch ohne Erfolg.
Trotz seiner frustrierenden Erfahrungen wird Keller von anderen Unternehmern unterstützt, die mit denselben Herausforderungen zu kämpfen haben. Er merkt an, dass bei so viele Unternehmer wie ihm in der gleichen misslichen Lage sind und dass die rechtlichen Bestimmungen für solche Fälle nicht hinreichend geklärt sind. Selbst die Grünen haben ihm lediglich eine mögliche Entschädigung in Aussicht gestellt, aber wie diese zustande kommen soll, ist unklar.
Keller sieht sich in seiner Situation wie der biblische David, der gegen den übermächtigen Goliath kämpft, und ist fest entschlossen, auf die Problematik aufmerksam zu machen. Seiner Meinung nach müsste es möglich sein, dass zumindest ein Teil des selbstproduzierten Stroms auch während der Abschaltungen genutzt werden könnte. Er glaubt, dass kleine Anpassungen im System nötig wären, um die wirtschaftlichen Schäden für kleine und mittelständische Unternehmen zu minimieren.
Ausblick auf zukünftige Entwicklungen in der Energiepolitik
Die Herausforderungen, die sich aus den hohen Investitionen in erneuerbare Energien ergeben, sind nicht zu unterschätzen. Energiespeicher müssen ausgebaut werden, und es gibt dringenden Bedarf nach einem neuen, flexibleren Stromnetz, das mit der Schwankung in der Energieerzeugung umgehen kann. Eine kostenintensive Angelegenheit, die laut Rappl nicht leicht zu realisieren ist. Die Diskussion über Erneuerbare Energien und die Art und Weise, wie Strom aus diesen Quellen verwaltet wird, wird in den kommenden Jahren sicher intensiver geführt werden müssen, damit Betriebe wie Kellers nicht im Dunkeln stehen bleiben.
Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Photovoltaik
Die Nutzung von Photovoltaikanlagen hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen, besonders in Deutschland. Im Jahr 2023 wurden laut dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) über 220.000 neue PV-Anlagen installiert, was insgesamt eine Gesamtleistung von über 70 Gigawatt (GW) ergibt. Dies ist ein Anstieg von etwa 25 % im Vergleich zum Vorjahr. Ein wesentlicher Faktor für diese Zunahme sind die staatlichen Förderungen und steuerlichen Anreize, die vielen Unternehmen und Privathaushalten helfen, langfristige Einsparungen bei den Energiekosten zu erzielen.
Dennoch bleibt die Herausforderung bestehen, die Verfügbarkeit und Stabilität des Stromnetzes zu gewährleisten. Besonders in Regionen mit hoher PV-Dichte, wie Bayern, sind die Netzbetreiber gefordert, technische Lösungen zu finden, um die Einspeisung zu optimieren und gleichzeitig Engpässe zu vermeiden. Der strategische Ausbau der Netzinfrastruktur wird künftig entscheidend sein, damit nicht nur die installierte Leistung, sondern auch die tatsächliche Nutzung des Solarstroms maximiert werden kann.
REpowering und Infrastruktur für Erneuerbare Energien
Um den zunehmend dezentralen Charakter der Stromproduktion zu bewältigen, sind innovative Ansätze zur Netzverstärkung erforderlich. Lösungen wie Smart Grids, die eine intelligente Steuerung des Stromflusses ermöglichen, könnten helfen, den Herausforderungen durch das stetige Wachstum der Erneuerbaren Energien zu begegnen. Zudem wird der Ausbau von Speicherkapazitäten als notwendig erachtet, um Überschüsse an erzeugtem Solarstrom effizient und bedarfsgerecht nutzen zu können.
Die Diskussion um die Netzverstärkung wird von politischen und wirtschaftlichen Akteuren intensiv geführt. Es wird erwartet, dass in den kommenden Jahren bundesweit über 10 Milliarden Euro in die Verbesserung der Netzinfrastruktur investiert werden. Diese Investitionen sollen dazu beitragen, neue Technologien zu integrieren und die Flexibilität des Systems zu erhöhen, um die Versorgungssicherheit nachhaltig zu garantieren.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Herausforderungen
Die rechtlichen Grundlagen für die Einspeisung und die damit verbundenen Abstellmaßnahmen sind im deutschen Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) festgelegt. Die Gesetzgebung sieht vor, dass Betreiber von erneuerbaren Energien zum Schutz der Netzstabilität gezwungen sein können, ihre Einspeiseleistung temporär zu reduzieren oder ganz abzuschalten. Dies erfolgt in der Regel über ein transparentes Verfahren, ist jedoch für die betroffenen Betreiber eine große Herausforderung.
Diskussionen über mögliche rechtliche Änderungen sind im Gange, um die Rechte der Betreiber zu stärken. Initiativen von Unternehmerverbänden zielen darauf ab, nicht nur die Vergütung für überschüssigen Strom zu erhöhen, sondern auch finanzielle Entschädigungen für die Netzdienlichkeit zu prüfen, die Betreiber von PV-Anlagen bei temporären Abschaltungen erhalten könnten.