München (dpa) – Die deutsche Wohnungsbaubranche steht vor einer tiefgreifenden Krise, deren Ursachen weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben könnten. Laut einer aktuellen Prognose des Münchner Ifo-Instituts wird die Zahl der neugebauten Wohnungen bis zum Jahr 2026 auf etwa 175.000 absinken. Dies entspricht einem dramatischen Rückgang von über 40 Prozent im Vergleich zu den fast 300.000 Neubauten im Jahr 2022. Experten warnen, dass dieses Szenario nicht nur die Immobilienmärkte betrifft, sondern auch die Lebensqualität vieler Menschen in städtischen Gebieten bedroht.
Bauanträge im freien Fall
Ein entscheidender Faktor für diese besorgniserregende Entwicklung sind die stark gesunkenen Bauanträge. Im Mai 2023 wurden nur 17.800 Bauanträge genehmigt, was fast einem Rückgang von 44 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Dies hat dazu geführt, dass zahlreiche Wohnungsgenossenschaften und kommunale Unternehmen geplante Projekte auf Eis gelegt haben. Damit sind nicht nur diefuture Baufertigstellungen in Gefahr, sondern auch das Angebot an bezahlbarem Wohnraum, welches besonders in Ballungszentren dringend benötigt wird.
Teure Baukosten als Hemmschuh
Die hohen Baukosten sind ein weiteres Hemmnis für die Bauwirtschaft. Der Ifo-Fachmann Ludwig Dorffmeister macht darauf aufmerksam, dass die Materialkosten nicht sinken, während die Arbeitskosten steigen. Dies könnte bedeuten, dass zukünftige Bauten noch teurer werden und den Druck auf die Mietpreise weiter erhöhen. In Städten wie München steigt in Zeiten des Wohnungsmangels die Miete immer weiter, obwohl die Kaufpreise für Immobilien sinken.
Gesellschaftliche Auswirkungen
Der Rückgang im Wohnungsbau hat nicht nur wirtschaftliche, sondern auch gesellschaftliche Konsequenzen. Ifo-Experte Dorffmeister äußert eine düstere Prognose über die allgemeine Stimmung in der Bauwirtschaft und sieht eine Wende als unwahrscheinlich an. Der Verband der Wohnungswirtschaft GdW spricht von einem „Trauerspiel ohne Ende“ und warnt davor, dass die Politik bislang viel zu wenig unternehme, um diese Situation zu verbessern. Sollte der Wohnungsbau weiterhin stagnieren, könnte dies nicht nur zu einem Anstieg der Mieten führen, sondern auch das soziale Gefüge in Städten destabilisieren.
Fehlende politische Lösungen
Die Zielvorgabe der Regierung, bis 2021 jährlich 400.000 neue Wohnungen zu schaffen, erscheint jetzt in weiter Ferne. Zwei Drittel der Befragten von GdW- Mitgliedsunternehmen gaben an, dass sie in diesem Jahr keine neuen Wohnungen bauen möchten oder können. Dies könnte die Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum erheblich gefährden, was besonders für einkommensschwächere Haushalte alarmierend ist, die auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind.
Blick in die Zukunft
Forschungsinstitute wie IW Köln weisen auf einen steigenden Bedarf an Wohnungen hin und prognostizieren bis 2025 einen jährlichen Neubaubedarf von 372.000 Einheiten. Angesichts dieser Zahlen ist es für Wohnungssuchende in den kommenden Jahren zu erwarten, dass sie mit einer anstrengenden und teuren Suche konfrontiert sind. Es bleibt zu hoffen, dass die politischen Entscheidungsträger bald Lösungen finden, um dieser Krise entgegenzuwirken, bevor sie noch tiefere Spuren in der Gesellschaft hinterlässt.
– NAG