Die digitale Partnersuche ist längst zum Normalfall geworden. Über 20 Millionen Deutsche haben schon einen oder mehrere Dating-Dienste genutzt, sieht man die Zahlen einer Umfrage des IT-Branchenverbands Bitkom von 2022. Die reale Welt der Beziehungssuche wird durch Plattformen wie Tinder, Parship und Bumble erheblich beeinflusst, und das hat nicht nur positive Seiten. Immer mehr Nutzer berichten von Stress und Frustration, die als Symptome eines sogenannten „Dating-Burnouts“ aufkommen können.
Die Anforderungen, die an potenzielle Partner gestellt werden, scheinen in der virtuellen Welt höher zu sein als in den herkömmlichen Formen der Partnersuche. Eine Untersuchung, die jüngst auf einer Konferenz in Prag vorgestellt wurde, belegt, dass viele junge Menschen – besonders Frauen – Schwierigkeiten haben, die Fülle an Möglichkeiten zu verarbeiten und sich bei der Partnersuche oft überfordert fühlen.
Die Schattenseite des Online-Datings
Der Einstieg in die Welt des Online-Datings geschieht meist spielerisch: Ein Wisch nach rechts und der Kontakt ist hergestellt. Doch hinter dieser Leichtigkeit verbirgt sich eine ernsthafte Problematik. Psychologen warnen, dass anhaltender Stress und der Drang, ständig auf der Suche nach dem perfekten Partner zu sein, in eine emotionale Erschöpfung münden können. Laut Wera Aretz, Paartherapeutin und Psychologin, gelten diese Symptome als Indicators für einen Dating-Burnout, der schätzungsweise 14 Prozent der Nutzer von Dating-Plattformen betrifft.
Die Ursachen für diesen Burnout sind vielseitig. Zu den auffälligsten Risikofaktoren gehören die Monotonie beim endlosen Wischen durch Profile und das oft schmerzhafte Ghosting, das bedeutet, dass jemand plötzlich den Kontakt abbricht, ohne Erklärungen zu geben. Dies geschieht häufig bei Nachrichtenwechseln oder nach einem ersten Treffen, und es können sich schnell Gefühle der Enttäuschung und Unsicherheit einstellen. Besonders anfällig für diese Probleme sind Menschen mit geringem Selbstwertgefühl oder Bindungsängsten.
Selbstoptimierung und unrealistische Erwartungen
Die Vorstellung von Perfektion wird durch die ständige Selbstoptimierung auf den Plattformen noch verstärkt. Johanna Degen, eine Sozialpsychologin, beschreibt die Schwierigkeiten, die Nutzer dabei haben, ihre „beste“ Version zu präsentieren. Dies führt dazu, dass viele Menschen sich unter Druck gesetzt fühlen, gleichwertigen Erwartungen zu entsprechen, was den Stress verstärkt. Dies betrifft nicht nur das Aussehen, sondern auch andere Kompetenzen wie den Bildungsstand.
Ein spannender Fakt ist, dass einige Nutzer, die bereits in festen Beziehungen sind, dennoch auf Dating-Plattformen aktiv sind. Während unter besonderen Bedingungen, wie in einer offenen Beziehung, dies als positives Experiment gesehen werden kann, ist das heimliche Nutzen von Dating-Apps oft der Ursprung von Konflikten in bestehenden Partnerschaften.
Die Umfrage von Bitkom zeigt ebenfalls, dass die Mehrheit der Nutzer nicht auf der Suche nach unverbindlichen Abenteuern ist. Stattdessen sehnen sich 71 Prozent der Befragten nach einer stabilen, langfristigen Beziehung. Paartherapeuten empfehlen manchmal, kostenpflichtige Apps zu nutzen, da diese oft ernsthaftere Absichten bündeln. Auf der anderen Seite bevorzugen jüngere Menschen möglicherweise kostenlose Plattformen, da sie hier die größere Zielgruppe antreffen.
Ein entscheidender Aspekt der digitalen Partnersuche bleibt die Möglichkeit, über Grenzen hinweg zu kommunizieren. Aretz hebt hervor, dass Online-Dating die Chance bietet, kulturell diverse Partner zu finden, die man im Alltag möglicherweise nie treffen würde. Soziale Schichten spielen eine geringere Rolle, und die Vielfalt der potenziellen Partner kann erfrischend sein.
Doch trotz der positiven Aspekte ist es unerlässlich, authentisch zu bleiben. Nutzer sollten sich nicht verstellen, sondern ehrlich ihre Absichten und Eigenschaften präsentieren. „Um die Nadel im Heuhaufen zu finden, musst du den Heuhaufen abbrennen“, kommentiert Aretz treffend.