In einem komplexen Rechtsstreit, der sich über mehr als vier Jahre erstreckte, wurde am Landgericht Gießen ein richtungsweisendes Urteil gefällt, das die Folgen von Bauarbeiten für Anwohner und deren mit den Schäden verbundenen Ausfälle beleuchtet. Dieser Fall wirft ein Licht auf die Bedeutung rechtlicher Klarheit in der Nachbarschaftsbeziehung, insbesondere in städtischen Gebieten, die sich im Wandel befinden.
Die Veränderung der Schanzenstraße und ihre Auswirkungen
Die Schanzenstraße in Gießen hat sich in den letzten Jahren erheblich gewandelt. Wo einst das Restaurant „Haarlem“ stand, sind heute Hotelanlagen, Wohnhäuser und Tiefgaragen. Diese Neubauten bringen nicht nur frischen Wind in die Altstadt, sondern auch Herausforderungen, insbesondere wenn Nachbargrundstücke von den Bauarbeiten betroffen sind.
Ein Bagger hinterlässt Spuren
Die Streitigkeit begann im November 2019, als Arbeiten zur Schaffung eines unterirdischen Parkplatzes im angrenzenden Grundstück Schäden am Nachbargebäude verursachten. Mitarbeiter einer Design-Firma berichteten von ungewöhnlichen Geräuschen, bevor sie einen Riss in der Wand ihrer Werkstatt entdeckten. Nach diesem Vorfall wurde ein Teil der Baustelle gestoppt, und der Zutritt zu dem betroffenen Anbau wurde untersagt.
Klarheit durch ein Gutachten
Ein im Jahr 2021 erstelltes Gutachten machte deutlich, dass die Baggerarbeiten für die Risse und das Wirken der Bezugsfertigstellung verantwortlich waren. Die Schäden wurden auf mehr als 100.000 Euro beziffert. Zusätzlich verlangten die Eigentümer des betroffenen Hauses knapp 30.000 Euro als Entschädigung für entgangene Mieteinnahmen.
Gericht entscheidet über Sanierungskosten
Die 5. Zivilkammer am Landgericht Gießen entschied in dieser Woche, dass die Beklagte die Kosten für die Sanierung in Höhe von 102.826 Euro zu tragen hat. Bei der Urteilsfindung wurde auch berücksichtigt, dass ein klarer Zusammenhang zwischen den Grabungsarbeiten und den entstandenen Schäden bestand, was die Entscheidung des Gerichts stärkte.
Eine Nuance in der Mietausfallentschädigung
Die Frage des Mietausfalls war komplizierter. Die Eigentümer hatten einen Teil ihrer Immobilie vermietet, doch der nicht nutzbare Abschnitt machte lediglich ein Drittel der Gesamtfläche aus. Das Gericht entschied, dass die Entschädigung für den Mietausfall nicht die gesamte ausgefallene Miete berücksichtigen kann, sondern nur die Quadratmeterzahl des ungenutzten Teils. Letztlich sprach das Gericht den Eigentümern 1.550 Euro anstatt der geforderten 30.000 Euro zu.
Eine Lektion für künftige Bauvorhaben
Dieser Fall könnte andere Bauherren und Investoren dazu anregen, die Auswirkungen ihrer Arbeiten auf die Nachbarschaft genauer zu betrachten. Der Fall zeigt, wie wichtig es ist, frühzeitig rechtliche Grundlagen zu schaffen, um Probleme und Streitigkeiten zu vermeiden. In einem sich schnell verändernden urbanen Umfeld sind solche Urteile entscheidend, um das Gleichgewicht zwischen Entwicklung und den Rechten der Anwohner zu wahren.