Gießen

„Gießen und die verloren gegangene Braukunst: Ein historischer Rückblick“

Die Stadt Gießen plant die Wiederbelebung ihrer historischen Braukultur, indem sie ein neues kommunales Brauhaus einrichten möchte, um den Bürgern wieder die Möglichkeit zu geben, Bier für den eigenen Gebrauch oder den Verkauf zu brauen, was an die Tradition vergangener Jahrhunderte anknüpft und die lokale Gemeinschaft stärken soll.

Die Wiederbelebung der Braukultur in Gießen

Die Stadt Gießen hat eine lange Tradition im Brauen von Bier, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. In der Vergangenheit existierten hier kommunale Brauhäuser, in denen Bürger stolz ihr eigenes Bier für den persönlichen Gebrauch oder den Verkauf brauen konnten. Doch seit einigen Jahren ist die lokale Braukultur in Gießen stark geschrumpft. Die Schließung der letzten Brauereien hat Fragen zur Zukunft der traditionellen Gießener Braukunst aufgeworfen.

Historische Wurzeln der Braukunst

Bier wurde in Gießen einst als wertvolles Nahrungsmittel angesehen. Der ehemalige Stadtarchivar Ludwig Brake erklärte, dass Bier durch den Kochprozess der Würze als genießbarer und nahrhafter galt als das oft unsichere Wasser. In Zeiten von knapper Nahrung bot es eine wichtige kalorienreiche Ergänzung. Ein Beispiel für diese Tradition findet sich in einer Sandsteintafel in der Sandgasse von 1671, die bezeugt, dass der Stadtrat das erste kommunale Brauhaus genehmigte. Der Schriftzug auf der Tafel bescheinigt den Nutzen dieses Brauhauses für die Bürger: „Daß es zum großen nutz der Festung Gießen sey.“

Bierqualität im Wandel der Zeit

Die Meinungen über die Qualität des Gießener Bieres waren schon immer geteilt. Laut einer Brauordnung aus dem Jahr 1722 warnt man bereits vor „schlechtem Bier“ in der Stadt. Interessanterweise äußerte der Theologe Erasmus Alberus 1552, dass man in Gießen durchaus „gutes Bier“ finden könne. Diese Kontraste zeigen, dass die lokale Braukunst ein wichtiges und umstrittenes Thema war, das bis in die heutige Zeit relevante Fragen aufwirft.

Der Einfluss der Privatisierung

Im 18. Jahrhundert führte eine wesentliche Veränderung zur Privatisierung der Brauhäuser in Gießen. Die Sandgasse, wo einst das städtische Brauhaus stand, wechselte schnell in Privatbesitz. Susanne Colvin vom Stadtarchiv berichtet: „Der älteste Eintrag im Geschossbuch von 1735 bezieht sich auf ein städtisches Brauhaus, das dann später privat wurde.“ Diese Wende hat die Brautradition in Gießen entscheidend beeinflusst und spiegelt den gesellschaftlichen Wandel wider, welches dem gemeinschaftlichen Brauen zunehmend den Rücken kehrte.

Die Gegenwart der Braukunst in Gießen

Obwohl die letzten großen Brauereien in Gießen geschlossen sind, lebt der Braugeist weiterhin in Form von Hobby-Brauern, die ihr eigenes „Craft“-Bier herstellen. Dies zeigt einen Trend, der eine Rückbesinnung auf lokale Herstellung und individuelle Geschmackserlebnisse fördert. Auch wenn es an der Zeit ist, die alte Gießener Braukunst zu revitalisieren, bleibt die Frage offen, ob und wie sich die Gießener Bürger für eine Rückkehr zu den Wurzeln mobilisieren lassen.

Fazit: Ein Erbe zum neu Entdecken

Die Geschichte des Gießener Bieres ist geprägt von Stolz, Herausforderungen und Wandel. Während die Gießener Braukultur heute nicht mehr blüht wie einst, gibt es die Möglichkeit einer modernen Renaissance. Indem die Gemeinschaft die Bedeutung ihrer kulinarischen Traditionen erkennt und ehren will, könnte eine neue Ära des Brauens beginnen und das Erbe wieder neu erblühen. Gießen könnte erneut zum Zentrum der Braukunst werden, wenn die lokalen Bürger ihr Engagement für ihre Kultur zurückgewinnen und die Vielfalt des Bieres neu entdecken.

NAG

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"