Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz/Zittau hat mit einer überraschenden Ankündigung für lebhafte Diskussionen gesorgt: Der Name des Theaters könnte im Rahmen eines Sponsoringvertrags in der kommenden Spielzeit freigegeben werden. Die Reaktionen sind gemischt – von Bestürzung über Trauer bis hin zu Neugier. Viele fragen sich, ob dies tatsächlich ernst gemeint ist oder ob es sich um einen provokativen Versuch handelt, auf die schwierige finanzielle Lage des Theaters aufmerksam zu machen.
Ähnlich wie bei großen Sportarenen, die nach kommerziellen Sponsoren benannt werden, möchte das Theater möglicherweise den unverwechselbaren Namen „Gerhart Hauptmann“ gegen einen anderen Namen eintauschen. Diese Idee spaltet die Meinungen. In sozialen Netzwerken gibt es sowohl Zustimmung als auch scharfe Kritik. Bei direkten Gesprächen mit Theaterbesuchern zeigen sich viele irritiert und enttäuscht über die Vorstellung, dass die Finanzierung kultureller Einrichtungen so problematisch geworden ist.
Kultur versus Kommerz: Eine hitzige Debatte
Christian Gottschalk, ein Kinderarzt und Kulturliebhaber aus Görlitz, kann den Vorschlag kaum fassen. „Ich dachte zunächst, es sei ein Aprilscherz“, verspottet er. „Die Kunst zu Gunsten des Kommerzes zu opfern, ist einfach falsch.“ Theater haben nicht nur unterhaltenden, sondern auch einen Bildungsauftrag, den es zu bewahren gilt. Gottschalk erinnert daran, dass viele Menschen über Jahre hinweg für den Namen Gerhart Hauptmann gekämpft haben und dass es wichtig ist, die kulturellen Wurzeln zu respektieren.
Bärbel Fliegel, die Vorsitzende der Freunde des Zittauer Theaters, blickt ebenfalls kritisch auf die Situation zurück. Sie erinnert sich an einen früheren Versuch, das Theater in „Schauspiel Zittau“ umzubenennen, und an den Widerstand der Bevölkerung. Die Historie und der kulturelle Einfluss Gerhart Hauptmanns sind für viele Menschen in der Region bedeutend und tragen zu ihrer Identität bei.
Ein Zeichen der Hoffnung oder der Verzweiflung?
Gabi Kretschmer vom Görlitzer Theater- und Musikverein betont die Bedeutung des Namens: „Gerhart Hauptmann ist ein Teil unserer Wurzeln. Damit würde man etwas von denjenigen aufgeben, die uns kulturell geprägt haben.“ Auch Alfred Theisen, ein Verleger, sieht in der Umbenennung einen großen Verlust für das Image des Theaters, obwohl er die Beweggründe hinter der Entscheidung verstehen kann. „Es wirft ein schlechtes Licht auf unsere Gesellschaft, wenn solche Maßnahmen nötig sind.“ Er vergleicht die Situation mit dem polnischen Kultursponsoring, wo die Institutionen ihre Namen behalten, während sie von Unternehmen unterstützt werden.
Es gibt jedoch auch skeptische Stimmen, die die Idee vielleicht nicht so ernst nehmen. Melanie Morche, Theaterfan aus Görlitz, nimmt an, dass es sich möglicherweise um einen satirischen Kommentar zur prekären Lage der Kultureinrichtungen handelt. „Wäre es nur ein Scherz, fände ich es super! Ernst gemeint ist es jedoch gruselig. Welchen Einfluss hätte ein Sponsor auf die Theaterarbeit?“ Diese Bedenken bezüglich der Einflussnahme von Geldgebern sind weit verbreitet.
Der Intendant Daniel Morgenroth stellte klar, dass die künstlerische Freiheit des Theaters nicht durch Sponsoren beeinflusst werden könne. Dennoch bleibt die Frage im Raum stehen, welche Rechte ein Sponsor tatsächlich erwerben kann. Renate Winkler, eine ehemalige Vorsitzende des Theater- und Musikvereins, sieht die Gefahr, dass sich Sponsoren in die Inhalte und die künstlerische Entscheidungsmacht einmischen. Sie ist skeptisch und vermutet, dass die Ankündigung eher darauf abzielt, das Theater ins Gespräch zu bringen. „Ich gehe davon aus, dass es kein ernstgemeinter Vorschlag ist“, so Winkler.
Politische Unterstützung für das Theater kommt von der Linken im Görlitzer Stadtrat. Jana Lübeck kritisiert, dass ein solcher Vorschlag die Ernsthaftigkeit der finanziellen Situation des Theaters nicht erfasst. Sie schlägt vor, dass man im Rahmen der Gemeinschaft nach Finanzierungsalternativen suchen sollte, anstatt auf Sponsoren zu setzen, die möglicherweise Einfluss auf die künstlerische Arbeit nehmen könnten.
Die Meinungen über die Zukunft des Theaters sind, wie die Diskussion zeigt, sehr geteilt. Während einige die Idee als notwendiges Übel in Zeiten des künstlerischen und finanziellen Überlebens sehen, betrachten andere sie als gefährlichen Trend. Der Görlitzer Unternehmer Helmut Golz zeigt sich offen für kommerzielle Möglichkeiten, hat jedoch seine Zweifel, dass solche Maßnahmen die Kasse langfristig füllen können, ohne den kulturellen Wert des Theaters zu schmälern.
Michael Wieler, früherer Kulturbürgermeister und Intendant, sieht die Diskussion um den Namenswechsel als Teil eines größeren Problems. Er will die Idee nicht abtun und schlägt vor, sich auf mögliche Angebote einzulassen und das Publikum über die Reaktionen auf die Vorschläge und deren Entwicklungen zu informieren. „Warum nicht schauen, was passiert, wenn sich jemand mit einem großzügigen Angebot meldet?“
Das Gerhart-Hauptmann-Theater steht am Scheideweg. Es bleibt abzuwarten, ob die Sorge um den kulturellen Verlust und die finanzielle Not zusammenkommen können, um eine nachhaltige Lösung zu finden, die sowohl den Anforderungen der Kunst als auch der Realität gerecht wird.