Foto: Malin Kraft, Jens Tramsen, Fynn Knorr und Thyra Uhde sind auf sich allein gestellt. © Dorothea HeiseText:Jan Fischer, am 2. September 2024
In einem bewegenden Theaterstück, das die Realität des Krieges eindringlich thematisiert, erzählt der Regisseur Krzysztof Minkowski die Geschichte von Yeva Skalietska, einem zwölfjährigen Mädchen aus der Ukraine. Die Uraufführung fand im Jungen Theater in Göttingen statt und schildert Yevas Flucht vor dem Krieg, der am 24. Februar 2022 begann.
Yevas Geschichte beginnt an ihrem zwölften Geburtstag, als die anfängliche Freude und die Feierlichkeiten schnell von dem Schrecken des Krieges überschattet werden. Am 14. Februar 2022 empfängt sie Geschenke und feiert mit Freunden, nur um zehn Tage später erfahren zu müssen, dass Raketen von der russischen Grenze ihre Welt in den Chaoszustand stürzen. Obwohl das Stück minimalistisch inszeniert ist, erstrahlt der Text in seiner brutalen Ehrlichkeit und emotionalen Tiefe.
Ein Blick hinter die Kulissen der Flucht
Der schlichte Bühnenraum mit weißen Wänden schafft einen eindrucksvollen Kontrast zu dem dichten, emotionalen Text. Die vier Darsteller:innen treten mal chorisch, mal einzeln auf und vermitteln das Gefühlschaos, das Yeva und ihre Großmutter durchleben. Ihre Flucht erstreckt sich über mehrere Länder: Zuerst in die Westukraine, dann nach Ungarn und schließlich nach Irland. Der Text berührt die Zuschauer, indem er die Abhängigkeit von barmherzigen Fremden thematisiert: Die Grenzkontrollen, die durch einen wohlwollenden Polizisten erleichtert werden, und die Unterstützung, die Yeva von irischen Journalisten erfährt, sind zentrale Elemente ihrer Reise.
Inmitten des Schreckens des Krieges bleibt Yevas Kontakt zu ihren Freunden bestehen. Obwohl sie über verschiedene Länder hinweg verteilt sind, chattet sie mit ihnen und erhält Fotos ihrer zerstörten Heimat. Diese eindrücklichen Elemente machen das Stück nicht nur zu einer Geschichte über Flucht, sondern auch zu einem Zeugnis der Resilienz eines Kindes, das trotzdem Hoffnung auf Frieden und eine neue Heimat hegt.
Die Emotionalität des Stücks wird durch die kraftvollen Darstellungen der Schauspieler:innen unterstrichen. Malin Kraft beispielsweise berührt durch ihre Darstellung, die bis zu Tränen reicht. Auch die ständigen Veränderungen von Tempo und Lautstärke der Rezitationen bewirken, dass die Zuschauer tief in Yevas Realität eintauchen können. Dennoch gibt esMomente der musikalischen Interlude, die manchmal irreführend scheinen. Songs wie „Zombie“ von den Cranberries oder „Firestarter“ von The Prodigy, die den Krieg und Zerstörung thematisieren, scheinen nicht direkt mit Yevas Geschichte in Verbindung zu stehen und erzeugen einen gewissen Bruch mit der ansonsten packenden Narration. Eine humorvolle Note bringt das Quartett durch einen eigens angepassten Text zu Leonard Cohens „Hallelujah“, das die Namen von Yevas zurückgelassener Plüschkatze einsetzt.
Mit einem eindringlichen, aber hoffnungsvollen Abschluss schildert das Stück Yevas abschließend formulierte Überzeugung: „Alles wird gut, daran glaube ich ganz fest“. Trotz der Herausforderungen ihrer Flucht und den Schrecken, die sie erlebt hat, bleibt ein zarter Hoffnungsschimmer über die Möglichkeit eines Friedens und einer besseren Zukunft. Das Stück ist eine bedeutende künstlerische Auseinandersetzung mit den persönlichen Folgen des Krieges und fordert das Publikum auf, nicht nur zuzuhören, sondern auch zu fühlen und vielleicht andere Perspektiven zu verstehen.