Hamburg

"Eheliche Untreue im Wandel: Wie Toleranz in Deutschland wächst"

Eine aktuelle Umfrage von Parship zeigt, dass die Deutschen im Mai 2024, im Vergleich zu 2018, zunehmend toleranter gegenüber Fremdgehen sind, was die Wahrnehmung von Untreue betrifft, insbesondere bei Bordellbesuchen und One-Night-Stands, und hierbei Unterschiede zwischen Geschlechtern und Altersgruppen festzustellen sind.

Hamburg (dpa) – Eine neue Umfrage, die von der Dating-App Parship in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut Innofact durchgeführt wurde, zeigt einen bemerkenswerten Wandel in der Wahrnehmung von Untreue unter den Deutschen. Laut dieser Umfrage, die repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ist, haben sich die Ansichten über verschiedene Formen von Untreue im Laufe der Jahre erheblich verändert.

Frühere Umfragen, insbesondere eine von Anfang 2018, ergaben, dass der Großteil der Befragten (97 Prozent) eine langfristige Affäre als Betrug betrachtete. Diese Zahl ist jedoch im Mai 2024 auf 85 Prozent gesunken. Ähnlich verhält es sich mit der Wahrnehmung von One-Night-Stands, bei denen die Zustimmung von 96 Prozent auf 82 Prozent gesunken ist. Ein besonders markanter Rückgang lässt sich bei der Einstellung zu Bordellbesuchen feststellen: Statt 91 Prozent, die dies vor sechs Jahren als Untreue ansahen, sind es heute nur noch 67 Prozent.

Neubewertung von Flirt und Intimität

Ein weiteres aufgeweichtes Urteil gibt es bei Küssen außerhalb einer Beziehung. Während 2018 noch 81 Prozent der Deutschen das Küssen als Untreue klassifizierten, sind es jetzt nur noch 57 Prozent. Dabei sind Frauen tendenziell strenger in ihrem Urteil, denn 64 Prozent von ihnen sehen das Küssen als Betrug an, während nur etwa jeder zweite Mann (49 Prozent) dies genauso handhabt.

Ein ähnlicher Trend offenbart sich bei der Nutzung von Dating-Apps. Vor sechs Jahren waren 87 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Anmeldung auf solchen Plattformen als Fremdgehen zählt, diese Zahl sank auf 63 Prozent im Mai 2024. Hier zeigt sich erneut ein Geschlechterunterschied: Nur 55 Prozent der Männer betrachten die Nutzung als Betrug, während 71 Prozent der Frauen das klare Gegenteil behaupten.

Die Frage, warum immer weniger Menschen diesen Verhaltensweisen als Untreue ansehen, wird von Eric Hegman, einem Paartherapeuten und Studienbegleiter von Parship, interessant angesprochen. Er beobachtet eine zunehmende Differenzierung zwischen emotionaler und körperlicher Treue. Sein Ansatz beleuchtet, dass eine emotionale Verbindung in einer Beziehung oft von größerem Wert ist als kurzfristige körperliche Erfahrungen mit anderen. Paare, die sich auf diese Thematik einlassen, sehen körperliche Kontakte außerhalb ihrer Beziehung möglicherweise nicht als Bedrohung für ihre emotionale Sicherheit.

Unterschiedliche Ansichten in verschiedenen Altersgruppen

Ein spannender Aspekt der Umfrage sind die Unterschiede zwischen den Generationen. Während die allgemeine Tendenz zur Toleranz wächst, zeigen Jüngere, insbesondere die Gen Z, eine striktere Haltung in bestimmten Bereichen. So betrachten 75 Prozent der 18- bis 29-Jährigen die Anmeldung auf einer Dating-App, um ein Treffen zu vereinbaren, als Untreue. Im Gegensatz dazu vertreten nur 54 Prozent der 60- bis 69-Jährigen diese Sichtweise.

Ein weiteres bemerkenswertes Ergebnis zeigt, dass 64 Prozent der Gen Z geheime Treffen ohne sexuelle Kontakte als Untreue ansehen. Im Vergleich dazu sind nur 38 Prozent der älteren Generation (60 bis 69 Jahre) dieser Meinung. Diese Differenzen in den Ansichten zeigen, wie sich die Sicht auf Beziehungen mit der Zeit und durch soziale Einflüsse verändert.

Die Online-Umfrage, die im Mai 2024 im Auftrag von Parship durchgeführt wurde, befragte insgesamt 1.008 Personen aus Deutschland im Alter von 18 bis 69 Jahren zum Thema Untreue. Die Ergebnisse dieser Umfrage wurden mit den Daten einer ähnlichen Studie aus dem Januar 2018 verglichen, die 1.025 Befragte umfasste.

Ein Blick auf moderne Beziehungen

Die Ergebnisse dieser Umfrage illustrieren nicht nur einen gesellschaftlichen Wandel in der Wahrnehmung von Untreue, sondern eröffnen auch interessante Perspektiven auf moderne Beziehungen. Die zunehmende Akzeptanz alternativer Beziehungsmodelle und die Freiheit, innerhalb von Partnerschaften über Bedürfnisse zu kommunizieren, könnten eine wichtige Rolle in der sich verändernden Definition von Treue spielen. Dieser Trend spiegelt die Vielfalt der heutigen Beziehungen wider, wo emotionale Bindungen oft komplexe und vielschichtige Formen annehmen.

Die Umfrage von Parship und Innofact zeigt nicht nur einen Wandel in der Wahrnehmung von Untreue unter den Deutschen, sondern verdeutlicht auch tiefere gesellschaftliche Veränderungen, die für das moderne Beziehungsleben von Bedeutung sind. Immer mehr Menschen scheinen ihre Werte in Bezug auf Treue und Untreue zu hinterfragen und entwickeln eine fasst pragmatische Haltung dazu.

Ein möglicher Hintergrund für diese Veränderungen könnte die zunehmende Akzeptanz alternativer Beziehungsmodelle sein. Offene Beziehungen oder polyamore Verhältnisse finden immer mehr Anklang, was auch die Wahrnehmung von Treue neu definiert. In diesem Kontext ist es wichtig zu betonen, dass Paare heutzutage häufig klare Vereinbarungen bezüglich ihrer Erwartungen hinsichtlich der Treue treffen, was zu einem von Vertrauen geprägten Umgang führt.

Einfluss der sozialen Medien und Dating-Plattformen

Die Auswirkungen von sozialen Medien und Online-Dating-Plattformen auf die Beziehungskultur sind nicht zu unterschätzen. Die ständige Vernetzung trägt dazu bei, dass es leichter ist, neue Bekanntschaften zu schließen, was auf der einen Seite zu mehr Möglichkeiten führt, auf der anderen Seite aber auch die Grenzen zwischen Freundschaften und romantischen Beziehungen verschwimmen lässt. So bieten Apps wie Parship, Tinder und andere Plattformen nicht nur eine einfache Möglichkeit für Dates, sondern beeinflussen auch die Erwartungen an Beziehungen insgesamt.

Die Nutzung dieser Plattformen hat dazu beigetragen, dass immer mehr Menschen sich in einer Art „Beziehungs-Experiment“ befinden. Beziehungen werden fortlaufend neu definiert und es gibt kaum Festlegungen, die nicht hinterfragt werden. Dieses Aufeinandertreffen von traditionellen und neuen Werten könnte eine Erklärung dafür sein, warum weniger Menschen vom Besuch eines Bordells oder vom Fremdknutschen als Untreue ausgehen.

Statistische Auswertung von Beziehungsmodellen

Zusätzlich zu den Umfrageergebnissen liegt eine zunehmende Anzahl wissenschaftlicher Studien vor, die sich mit der Diversität von Beziehungsmodellen und deren gesellschaftlicher Wahrnehmung befassen. Eine Studie der Universität Göttingen aus dem Jahr 2022 kam zu dem Ergebnis, dass etwa 20% der Deutschen schon einmal in einer offenen Beziehung waren oder Interesse an einem solchen Modell haben. Diese Zahl zeigt, dass die Akzeptanz von nicht-traditionellen Beziehungsformen in der Gesellschaft zunimmt (vgl. Universität Göttingen).

Diese Entwicklung wird auch durch die verwendeten Plattformen begünstigt, die viele Optionen für persönliche Anpassungen an Beziehungsmodelle anbieten und somit auch unterschiedliche Arten von Intimität und Treue in den Vordergrund rücken.

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