Architektur ist nicht nur für die Sehenden erfahrbar – das beweisen die beeindruckenden Stadtmodelle, die von Felix und Egbert Broerken in ihrer Werkstatt in Berwicke entstehen. Diese besonderen Modelle ermöglichen es blinden und sehbehinderten Menschen, die Struktur und Dimension urbaner Räume durch Tasten zu erleben.
Ein Erbe der Begabung: 35 Jahre kreative Zusammenarbeit
Felix Broerken erzählt, wie die Leidenschaft für taktile Stadtmodelle vor rund 35 Jahren begann. Sein Vater, Egbert Broerken, kreativ in Dortmund tätig, entwickelte während eines Projektes mit einer Blindenschule ein erstes Modell. Diese Pionierleistung hat den Grundstein für eine bemerkenswerte Tradition gelegt. Die wichtige Erkenntnis: Das Fühlen kann blinden Menschen eine tiefere Verbindung zur Architektur bieten, die nur durch Sehen nicht vermittelt werden kann. In den letzten drei Jahrzehnten sind über 250 solcher Modelle entstanden, die sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in internationalen Städten wie Salzburg und Zürich finden lassen.
Von Berwicke in die Welt: Handwerkliche Präzision und Kunst
Die Stadtmodelle werden nicht mithilfe von 3D-Druck erstellt, sondern aus Bronze, und es wird viel Wert auf handwerkliche Fertigung gelegt. „Wir arbeiten komplett in Handarbeit“, erklärt Felix Broerken. Das Ergebnis sind Kunstobjekte, die sowohl für sehende als auch für nicht-sehende Menschen ansprechbar sind. Jedes Modell wird präzise gestaltet und mit Brailleschrift beschriftet, sodass es für jeden Nutzenden zugänglich ist. Besondere Techniken – wie das Erzeugen von Grasflächen durch Tupfen – verleihen den Modellen eine einzigartige Haptik.
Die Herausforderung der Stadtentwicklung: Modelle für lebendige Räume
Die Gestaltung der Modelle ist nicht nur eine kreative Aufgabe, sondern erfordert auch ein gewisses Maß an Flexibilität. Oft ändert sich das Stadtbild während der Entstehung eines Modells. Neue Gebäude oder Spielplätze müssen in die Planung integriert werden. „Wir erhalten den Katasterplan mit den aktuellen Bebauungen, der als Grundlage dient“, erläutert Felix. So bleibt jedes Modell aktuell und reflektiert die realen Gegebenheiten der Stadt.
Ein effektives Modell für Inklusion: Kosten und Förderungen
Die Kosten für ein Blinden-Stadtmodell variieren je nach Größe und liegen zwischen 20.000 und 40.000 Euro. Glücklicherweise gibt es in vielen Bundesländern Förderprogramme, die sich mit dem Thema Inklusion und Barrierefreiheit befassen. Durch diese Unterstützung wird die Herstellung solcher Modelle für viele Städte und Gemeinden möglich.
Ein sicherer Ort für Kunstobjekte: Schutz vor Vandalismus
Die Broerkens haben bislang keine Probleme mit Diebstahl erlebt. Ihre Modelle sind schwer und im Sockel verankert, wodurch sie sehr stabil sind. Allerdings gab es vereinzelt Vandalismus, beispielsweise in Form von Graffiti. Es bleibt zu hoffen, dass die ansprechenden Kunstwerke weiterhin in den Städten stehen und von vielen Menschen genutzt werden, um die Vielfalt der Architektur zu entdecken.
Die Arbeit von Felix und Egbert Broerken ist mehr als nur die Herstellung von Stadtmodellen. Sie bieten blinden und sehbehinderten Menschen die Möglichkeit, Teil des urbanen Lebens zu werden, und tragen damit zur Förderung von Inklusion und Barrierefreiheit in unserer Gesellschaft bei. Die Broerkens sind ein Beispiel dafür, wie kreative Ansätze die Lebensqualität vieler Menschen verbessern können.
– NAG