Heidelberg

Präzise Krebsdiagnose: Neuer Ansatz zur Identifikation von Neoepitopen

Ein Forschungsteam des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des NCT Heidelberg hat ein neues Massenspektrometrie-Protokoll entwickelt, um in der Immuntherapie zur Bekämpfung von Krebs schneller und präziser Neoepitope aus minimalen Gewebeproben zu identifizieren, was die Personalisierung der Therapie verbessert und somit die Behandlungschancen für Patienten erhöht.

Die Entwicklung personalisierter Immuntherapien bleibt ein Schlüsselbereich in der Krebsforschung. Diese Therapien, einschließlich innovativer Ansätze wie therapeutische Krebsimpfungen und T-Zell-Therapien, sind darauf ausgelegt, das Immunsystem von Patientinnen und Patienten auf ihre spezifischen Tumormerkmale abzustimmen. Ein wesentlicher Aspekt für diese personalisierten Ansätze ist die Identifizierung von neoepitopen – spezifischen Proteinveränderungen, die bei Krebserkrankungen auftreten und vom Immunsystem erkannt werden können.

Eine der Herausforderungen in der Onkologie besteht darin, dass die veränderten Proteinmerkmale, auch bekannt als Neoepitope, erst dann therapeutisch genutzt werden können, wenn sie eindeutig identifiziert werden. Mutationen innerhalb der DNA verändern die Struktur von Proteinen, was ihnen eine neue, „fremde“ Erscheinung verleiht. Um diese Veränderungen zu erkennen, bedarf es einer genaueren Analyse der Tumorproben.

Neue Methoden zur Erkennung von Neoepitopen

Eine bahnbrechende Entwicklung in diesem Bereich ist die Verwendung der Massenspektrometrie (MS), die es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ermöglicht, die Masse von Proteinfragmenten zu bestimmen. Diese Technik liefert die entscheidenden Beweise dafür, dass bestimmte Neoepitopen auf der Oberfläche der Tumorzellen präsent sind. Laut Angelika Riemer, einer Immunologin am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), stellt jedoch die herkömmliche Massenspektrometrie eine Herausforderung dar, da seltene Peptide häufig nicht entdeckt werden.

Das Team am DKFZ hat ein neues Analyseprotokoll entwickelt, das es erlaubt, die Neoepitopen in deutlich kleineren Gewebeproben nachzuweisen. Die Forscher synthetisieren zunächst die Proteinfragmente im Labor, um die Analyseparameter für das Massenspektrometer zu optimieren. Diese Technik verändert die Herangehensweise an die Tumordiagnose: Das Team hat gezeigt, dass sie mit nur zweieinhalb Millionen Zellen ein Neoepitop identifizieren können, was nicht einmal so viel Volumen hat wie ein Sandkorn.

In mehreren Tumorproben von drei Patientinnen und Patienten konnten die Forscher fünf Neoepitopen finden und die immunologischen Reaktionen der T-Zellen bestätigen. Diese Entdeckungen sind entscheidend, da sie den Weg für die Entwicklung individueller Therapien ebnen, die gezielt gegen die spezifischen Merkmale von Tumoren gerichtet werden.

Bedeutung der Validierung für die Therapie

Die Forschung zeigt, dass ein gezielter Ansatz mit einer reduzierten Anzahl von validierten Neoepitopen möglicherweise die gleiche Wirksamkeit erzielen kann wie aktuelle Behandlungen, die oft mit bis zu 30 verschiedenen Epitopen arbeiten. Der Forscherin Angelika Riemer zufolge könnte dies die Entwicklung effektiverer Tumorvakzinen unterstützen. Sie betont, dass die Validierung der Ziel-Epitope für die Fortschritte in der Therapie entscheidend ist, insbesondere bei der Entwicklung von T-Zellen mit spezifischen Rezeptoren, die Krebszellen angreifen können.

Das DKFZ, als größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland, spielt eine zentrale Rolle in dieser Forschung. Es strebt an, neue Strategien zur Krebsdiagnose und -behandlung zu entwickeln und innovative Ansätze aus der Forschung direkt in klinische Anwendungen zu überführen. Dazu arbeitet es eng mit verschiedenen Universitätskliniken zusammen, um die Behandlungsmöglichkeiten für Krebspatienten zu verbessern.

Ausblick auf zukünftige Immuntherapien

Die Fortschritte im Bereich der neoepitopen-basierenden therapeutischen Ansätze markieren einen vielversprechenden Schritt in Richtung personalisierter Krebstherapien. Durch die Anwendung des neuen Massenspektrometrie-Protokolls kann die Identifikation von Tumorneuepitopen effizienter gestaltet werden, was letztlich dazu führen kann, dass Patienten schneller Zugang zu maßgeschneiderten Behandlungsmöglichkeiten erhalten. Die Forschung in diesem Bereich könnte nicht nur neue Therapieoptionen hervorbringen, sondern auch die bestehenden Methoden optimieren und anpassen.

Hintergrundinformationen zur Immuntherapie

Die Immuntherapie gehört zu den vielversprechendsten Entwicklungen in der Onkologie. Sie zielt darauf ab, das körpereigene Immunsystem zu mobilisieren, um Krebszellen gezielt anzugreifen. Insbesondere in den letzten Jahrzehnten hat die Forschung bedeutende Fortschritte in diesem Bereich gemacht. Ein wesentlicher Antrieb dieser Entwicklung ist das wachsende Verständnis der genetischen Grundlagen von Krebserkrankungen sowie der Mechanismen, wie Tumoren die Immunantwort des Körpers unterdrücken können.

Im Jahr 2010 wurde die Immuntherapie offiziell zum Durchbruch gewürdigt, als die Wissenschaftler James P. Allison und Tasuku Honjo für ihre Arbeiten zur Immunblockade den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin erhielten. Sie zeigten, dass Hemmungen von bestimmten Immunpunkten, die die Immunantwort abschwächen, den Körper in die Lage versetzen, Tumoren effektiv zu bekämpfen. Diese Forschungsarbeiten ebneten den Weg für die Entwicklung neuer immunologischer Behandlungen, die Patienten Hoffnung geben, die auf konventionelle Therapien nicht ansprechen.

Aktuelle Statistiken zur Wirksamkeit der Immuntherapie

Eine aktuelle Metaanalyse von Studien zur Immuntherapie hat ergeben, dass etwa 40-50% der Patienten mit fortgeschrittenem Melanom von immuntherapeutischen Ansätzen profitieren. In einer großen Phase-III-Studie zu PD-1-Inhibitoren wurde eine Ansprechrate von bis zu 45% beobachtet, was im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen signifikante Verbesserungen zeigt. Eine weitere wichtige Studie zu CAR-T-Zelltherapien, die speziell für bestimmte Blutkrebsarten entwickelt wurden, hat eine Remissionsrate von über 80% bei Patienten mit akuter lymphoblastischer Leukämie gezeigt.

Die Nutzung von individuell angepassten Immuntherapien eröffnet zudem neue Perspektiven: Laut einer aktuellen Umfrage des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) betrachten über 70% der Onkologen personalisierte Ansätze als zukünftigen Standard in der Krebstherapie. Die Nachfrage nach Therapien, die auf die spezifischen genetischen Profile der Tumoren zugeschnitten sind, wächst stetig und ist entscheidend für die Weiterentwicklung der Behandlungsmöglichkeiten.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"