Hessen

Gasthaussterben in Hessen: Dörfer verlieren ihre letzten Treffpunkte

Immer mehr Dörfer in Hessen leiden unter dem Verlust ihrer Gaststätten, was laut Oliver Kasties vom Dehoga-Verband 2024 zu einem massiven Schaden für den ländlichen Raum führt, während positive Beispiele wie die Genossenschaft in Schlangenbad-Bärstadt Hoffnung geben.

In den ländlichen Gebieten Hessens wird ein alarmierender Trend sichtbar: Immer mehr Dörfer müssen ohne Gaststätten auskommen. Diese Entwicklung hat immense Auswirkungen auf die Gemeinschaften, Stellungnahmen von Fachleuten unterstreichen die Dringlichkeit des Problems. Oliver Kasties, der Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga Hessen, äußert sich besorgt über das, was er als „Gasthaussterben“ bezeichnet.

Aktuelle Statistiken zeigen eine besorgniserregende Zunahme an Gemeinden ohne gastronomische Betriebe. Im Jahr 2017 waren lediglich 19 Gemeinden betroffen, von denen zwei überhaupt keinen Gasthof hatten. Diese Zahl hat sich bis 2021 verdoppelt, sodass jetzt 42 Gemeinden ohne adäquate Gastronomieangebot dastehen. Besonders besorgniserregend ist, dass dies eine Steigerung von 4,5 Prozent auf 9,9 Prozent an unterversorgten Gemeinden bedeutet.

Ursachen und Herausforderungen

Die Ursachen für diesen Rückgang sind vielfältig. Ein zentraler Punkt, den Kasties hervorhebt, ist die von der Bundesregierung beschlossene Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie. Diese Maßnahme hat zur Folge, dass die Preise in Restaurants und Gaststätten steigen, was viele Menschen dazu zwingt, auf Restaurantbesuche zu verzichten. „Die Gäste­nachfrage nimmt ab, was die Umsätze weiter drückt“, erklärt Kasties. Für viele Menschen wird das Essen im Restaurant schlichtweg unerschwinglich.

Zudem kämpfen viele Betriebe mit einem Mangel an Nachfolgern. In vielen Dörfern finden sich keine neuen Betreiber, die bereit sind, die Tradition der Gaststätte fortzuführen. Dies führt dazu, dass die verbleibenden Betriebe unter einem enormen Druck stehen und die Qualität sowie das Angebot oft leiden.

Positives Beispiel aus Schlangenbad-Bärstadt

Stefan Münzer, der erste Vorsitzende der „VolksWirtschaft Lindehof“, erläutert: „Wir sind nicht auf Gewinn ausgerichtet, sondern wollen den sozialen Treffpunkt erhalten.“ Diese Initiative zeigt, dass sozialer Zusammenhalt und gemeinschaftliche Verantwortung eine große Rolle spielen können, um die drohende Schließung von Gaststätten zu verhindern. Ein besonderer Aspekt dieser Genossenschaft ist, dass die Rendite in Form von „Freibier“ während der jährlichen Generalversammlung an die Mitglieder ausgegeben wird. Dies schafft nicht nur ein Gefühl der Zugehörigkeit, sondern stärkt auch den Gemeinschaftssinn.

Die Problematik der schwindenden Gaststätten in den Dörfern Hessens ist also nicht nur eine wirtschaftliche Fragestellung, sondern auch eine Frage der Lebensqualität und des sozialen Miteinanders in den ländlichen Regionen. Die Regierungen auf verschiedenen Ebenen sind gefordert, Strategien zu entwickeln, um die Gastronomieszene auf dem Land zu unterstützen und so die Lebensräume der Menschen zu erhalten.

Das Festhalten an traditioneller Gastfreundschaft ist nicht nur für die Älteren wichtig, sondern auch für die jüngeren Generationen, die beim Verweilen in diesen Räumen soziale Kontakte knüpfen können. Es bleibt zu hoffen, dass durch kreative Ideen und Engagement der Gemeinschaften die Herausforderung des „Gasthaussterbens“ in Hessen angegangen werden kann. Eine Rückbesinnung auf lokale Werte könnte der Schlüssel sein, um die Dörfer lebendig zu halten, auch ohne die übliche kommerzielle Orientierung.

Politischer Kontext und Unterstützung

Die Diskussion über das Gasthaussterben ist eng mit der politischen und wirtschaftlichen Situation in Deutschland verbunden. Die anhaltenden Herausforderungen für die Gastronomiebranche, einschließlich steigender Lebenshaltungskosten und regulatorischer Veränderungen, haben die lokale Wirtschaft belastet. Insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die Gastronomie oft als wichtiger Teil der Gemeinschaft fungiert, erleben immer mehr Betriebe Schwierigkeiten.

Die Bundesregierung hat in der Vergangenheit Maßnahmen zur Unterstützung der Gastronomie ergriffen, beispielsweise durch Förderprogramme und direkte Hilfen während der COVID-19-Pandemie. Diese Initiativen haben jedoch nicht immer ausgereicht, um den Rückgang der Gaststätten in ländlichen Regionen zu stoppen. Der Dehoga Hessen fordert daher weitere politische Maßnahmen, um den Erhalt von Dorfgaststätten zu fördern und damit auch die Gemeinschaftsstruktur in ländlichen Gebieten zu stärken.

Die Rolle der lokalen Gemeinschaften

Die Initiativen von Dorfgemeinschaften, wie das Beispiel der Genossenschaft in Schlangenbad-Bärstadt zeigt, sind von entscheidender Bedeutung. Diese zeigen, dass das Engagement der Anwohner eine wichtige bestimmende Rolle beim Erhalt von sozialen Treffpunkten spielt. Solche Projekte fördern nicht nur die lokale Wirtschaft, sondern stärken auch den sozialen Zusammenhalt in der Gemeinde.

Wirtschaftliche Auswirkungen und Trends

Die Schließung von Gaststätten hat nicht nur Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von sozialen Treffpunkten, sondern auch auf die lokale Wirtschaft. Gaststätten tragen entscheidend zu den wirtschaftlichen Kreisläufen in Dörfern bei, indem sie Arbeitsplätze schaffen und regionale Produkte nachfragen. Eine Studie des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) zeigt, dass die Gastronomie in ländlichen Gebieten oft für einen Großteil des Umsatzes in der Region verantwortlich ist.

Einige Betriebe haben erfolgreich alternative Geschäftsmodelle entwickelt, um die Herausforderungen zu bewältigen, darunter die Ausweitung des Angebots um regionale Produkte oder die Nutzung von Onlinediensten, um die Reichweite zu erhöhen. Statistik zufolge ist der Umsatz im Bereich der lokalen Gastronomie jedoch durch die genannten Herausforderungen in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken.

Statistiken zu Gaststätten und deren Bedeutung

Jahr Gemeinden ohne Gaststätte Prozentsatz unterversorgter Gemeinden
2017 19 4,5%
2021 42 9,9%

Die obige Tabelle verdeutlicht den Anstieg der unterversorgten Gemeinden in Hessen und unterstreicht die wachsende Sorge um die Zukunft der Dorfgaststätten. Der Trend ist bedenklich und erfordert sowohl vonseiten der Regierungen als auch der Gemeinschaften proaktive Ansätze, um den ländlichen Raum lebendig zu halten.

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