Cybermobbing, ein Phänomen, das immer mehr Menschen betrifft, hat in der öffentlichen Wahrnehmung stark zugenommen. In einer aktuellen Umfrage vom Civey-Institut, die im Auftrag des Vereins Cybermobbing-Hilfe durchgeführt wurde, zeigt sich: Die Mehrheit der Bevölkerung sieht dringenden Handlungsbedarf. Von 2.500 bundesweit Befragten ab 18 Jahren geben fast 76 Prozent an, dass sie Cybermobbing als ernsthaftes Problem wahrnehmen.
Diese alarmierenden Zahlen zeichnen ein klares Bild der Unzufriedenheit mit den bestehenden gesetzlichen Regelungen. So empfinden 64,5 Prozent der Respondenten die aktuellen Strafen als unzureichend zum Schutz der Betroffenen. Die Forderung nach einem speziellen Gesetz gegen Cybermobbing wird von rund 64 Prozent der Befragten unterstützt. Lukas Pohland, der Vorsitzende der Cybermobbing-Hilfe, fasst die Ergebnisse zusammen: „Die Bevölkerung erwartet entschlossene Maßnahmen – ein deutliches Signal für die Politik.“
Aktuelle Situation und Forderungen
Deutschland hat, im Vergleich zu anderen Ländern wie Österreich oder Frankreich, noch kein spezifisches Gesetz gegen Cybermobbing. Dies bleibt nicht unbemerkt. Experten betonen, dass viele Menschen nicht einmal wissen, dass das Veröffentlichen von diffamierenden Inhalten im Internet strafbar ist. Uwe Leest, der Vorstandsvorsitzende des Bündnisses gegen Cybermobbing, ist der Meinung, dass ein solches Gesetz wie eine „rote Ampel“ wirken könnte. Es hätte abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter und würde den Opfern mehr Mut geben, sich an die Polizei zu wenden.
Der Einfluss des Internets wächst stetig, was die Problematik des Cybermobbings noch verstärkt. Laut dem „Freizeit-Monitor 2024“ ist der Zugang zu digitalen Medien im Alltag omnipräsent. Dabei sind vor allem junge Menschen betroffen: In der Altersgruppe von 10 bis 18 Jahren liegt die Wahrscheinlichkeit für Mobbing-Erfahrungen bei 16 bis 18 Prozent. In der sensiblen Phase der Pubertät sind es sogar 25 bis 30 Prozent, die betroffen sind.
Folgen und Prävention
Die teils dramatischen Folgen für die Betroffenen sind nicht zu unterschätzen. Psychische Probleme, wie Angst, Wut und sogar Essstörungen oder Suizidgedanken, können resultieren. Laut Uwe Leest führen die Erfahrungen mit Cybermobbing oft zu langfristigen psychischen Verletzungen, die nicht einfach überwunden werden können. Lukas Pohland, der selbst Cybermobbing-Opfer war, betreibt mit Gleichaltrigen eine Beratungsplattform für betroffene Kinder und Jugendliche. „Wir haben festgestellt, dass die Hilfe durch Gleichaltrige sehr effektiv ist, da sie oft einen besseren Zugang zu den Betroffenen finden“, so Pohland.
Die Beratungsarbeit hat gezeigt, wie gravierend und vielschichtig die Problematik ist. Eine Studie der Uni Berlin zur Online-Beratung hat ergeben, dass insbesondere das ungewollte Weiterleiten von Bildern bei Mädchen zu Scham- und Minderwertigkeitsgefühlen führt. Essstörungen treten häufig als eine Art der Selbstgefährdung auf.
Politische Entscheidungsträger sind gefordert. Das Bundesjustizministerium sieht sich angesichts der kritischen Lage im Zugzwang, gesetzliche Regelungen zu erlassen. Entgegen den Bedenken von Bundesjustizminister Marco Buschmann, der gegen eine spezielle Regelung im Strafgesetzbuch argumentiert, haben die Innenminister mehrerer Bundesländer sich bereits für die Einführung eines eigenen Straftatbestandes ausgesprochen. Leest sieht hier die Chance für eine griffigere Handhabe durch die Polizei: „Ein eigenes Gesetz würde es der Exekutive erleichtern, wirksam gegen Täter vorzugehen.“
Das Statistische dargestellt: Cybermobbing ist nicht nur ein individuelles, sondern auch ein gesamtgesellschaftliches Problem. Eltern und Schulen sind aufgerufen, Präventionsarbeit zu leisten. Das Bündnis gegen Cybermobbing ist jährlich an rund 200 Schulen aktiv, um das Bewusstsein zu schärfen und Täter zu identifizieren. „Es ist höchste Zeit, dass das Internet kein straffreier Raum bleibt“, warnt Pohland. Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, dass in dieser digitalen Welt wirkungsvoller Schutz dringend notwendig ist.