Die Pest, ein Wort, das seit Jahrhunderten mit Krankheit und Sterben verknüpft ist, hat nicht nur die Menschheit im Mittelalter heimgesucht, sondern ist auch in viel früheren Epochen nachweisbar. Neueste Forschungen zeigen, dass das bewährte Pestbakterium Yersinia pestis bereits vor über 5000 Jahren in Mittel- und Nordeuropa existierte. Seit langem besteht jedoch Unklarheit darüber, ob diese frühen Fälle tatsächlich zu massiven Ausbrüchen und Sterbewellen führten.
Eine Gruppe von Wissenschaftlern aus Kiel, Münster, Schleswig und Hamburg hat sich vor kurzem mit dieser Frage auseinandergesetzt. Im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1266 „TransformationsDimensionen“ an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel wurden Substanzen von spätjungsteinzeitlichen Ackerbauern ins Visier genommen. Prof. Dr. Ben Krause-Kyora, ein Experte für alte DNA am Institut für Klinische Molekularbiologie der CAU, stellt fest: „Unsere Analysen deuten eher auf vereinzelte Infektionen als auf Epidemien hin.“ Damit widerlegt die Studie die Vorstellung, dass in dieser Zeit eine große Seuchenausbreitung stattgefunden hat.
Untersuchung von Überresten aus Warburg
Für ihre Untersuchung analysierten die Forschenden die Knochen von 133 Individuen, die in spätjungsteinzeitlichen Großsteingräbern in Warburg, Nordrhein-Westfalen, beerdigt wurden. Diese Bestattungen werden zur Wartberg-Kultur gezählt, die auf einen Zeitraum von 5500 bis 4800 Jahren vor heute datiert ist. Bei ihren genetischen Analysen stellten die Wissenschaftler das Genom des Pestbakteriums in den Überresten von zwei Individuen fest – und das Interessante: Beide bedeuteten unterschiedliche Stämme des Erregers und waren nicht miteinander verwandt. Dies könnte darauf hindeuten, dass es sich um separate Infektionsfälle handelte, was die Theorie über massive Ausbrüche stützt.
„Die Ergebnisse zeigen eine hohe Diversität von Yersinia pestis während dieser Periode, was möglicherweise darauf hinweist, dass das Bakterium weniger spezialisiert und somit flexibler in verschiedenen Umgebungen und gegenüber verschiedenen Tieren war“, erklärt Krause-Kyora. Die niedrige Anzahl an Nachweisen bekräftigt die Annahme, dass in diesen Großsteingräbern keine Ansammlung von Opfern einer großen Seuche zu finden ist. Ob die zeitgenössischen Varianten von Yersinia pestis ähnliche, verheerende Symptome wie die bekannte Form aus dem Mittelalter hervorriefen, bleibt jedoch eine offene Frage.
Möglichkeiten der Übertragung in der Jungsteinzeit
Aber wie kam es zu diesen vereinzelten Infektionen? Während die mittelalterlichen Varianten des Erregers durch Flöhe übertragen wurden, war dies in der Jungsteinzeit nicht der Fall. In dieser Epoche führte die Rodung großer Waldflächen zu veränderten Lebensräumen, die diverse neue Nagetierarten anlockten. Diese Tiere könnten potenzielle Reservoirs für Yersinia pestis gewesen sein.
„Wir verstehen allerdings nicht, wie häufig die Menschen in dieser Zeit mit diesen Tieren oder ihren Überresten in Kontakt kamen“, sagt Krause-Kyora weiter. Ein überzeugender Hinweis auf einen möglichen Übertragungsweg ergibt sich aus den genetischen Daten eines jungsteinzeitlichen Hundes aus Schweden, dessen Analyse zeigt, dass auch er mit dem Pestbakterium infiziert war. Dies stellt den ersten Nachweis von Yersinia pestis in einem Hund aus dieser Zeit dar. „Da Hunde häufig in der Nähe menschlicher Siedlungen lebten, könnten sie eine bedeutende Rolle bei den infizierten Fällen gespielt haben“, ergänzt der Wissenschaftler.
Zusammenfassend legen die Ergebnisse nahe, dass Yersinia pestis eher für isolierte Fälle von Infektionen verantwortlich war, als für großflächige Krankheitsausbrüche. Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die Archäologie von Bedeutung, sondern auch für das aktuelle Verständnis von Krankheitsausbreitungen im Kontext von Klimawandel und Veränderungen in der Landnutzung. Das Team des Exzellenzclusters ROOTS untersucht gegenwärtig, wie verschiedene Faktoren die Verbreitung von Krankheitserregern, insbesondere von Yersinia pestis, beeinflussen könnten.