In Mestlin bedeutet der Blick zu den alten Storchennestern für viele Bewohner eine gewisse Nostalgie und Hoffnung. Doch in diesem Jahr bleibt die Enttäuschung nicht aus, denn das Nest an der Bäckerei Melchert steht seit mehreren Tagen leer. Diese Entwicklung ist besonders besorgniserregend, da auch die Störche an der Goldberger Straße ihre Brut verlassen haben. Mit ihren drei Jungtieren haben die eleganten Vögel nun ihr Winterquartier im Süden erreicht.
In der jüngsten Vergangenheit war die Storchensaison in Mestlin geprägt von ernsten Herausforderungen. Das vergangene Jahr war für die örtlichen Störche alles andere als erfolgreich. Ein verletztes Alttier, das mit Hilfe der Feuerwehr und des NABU, vertreten durch Tom Sandhoff, gerettet wurde, konnte kein Neugeborenes aufziehen. Die Hoffnungen für eine bessere Brutsaison schienen in diesem Jahr groß zu sein, doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache.
Rückgang der Storchenpopulation seit 2006
Historisch gesehen hat Mestlin eine reichhaltige Tradition in der Storchensaison, besonders zwischen 1994 und 2004, als man bis zu 23 Jungtiere pro Jahr verzeichnen konnte. Leider zeigt die Entwicklung seit 2006 einen klaren Rückgang. In den letzten Jahren hat sich die durchschnittliche Zahl der Jungstörche auf etwa drei eingependelt, was weit hinter den früheren Werten zurückbleibt.
Obwohl es in vielen anderen Teilen Deutschlands einen Anstieg der Storchenpopulation gibt, bleibt Mestlin ein bemerkenswerter Ausreißer. In diesem Jahr sind die drei Jungstörche, die das Nest an der Goldberger Straße bewohnten, die einzigen, die das Licht der Welt erblicken konnten. Ein unglücklicher Umstand, der die Einheimischen mehr als nur traurig stimmen dürfte.
Der Kampf um Nistplätze
Das Nest an der Bäckerei Melchert war der Schauplatz heftiger Kämpfe um den Nistplatz. Zu Beginn versuchte ein Paar dort, ihr Nest zu belegen, doch die ständigen Angriffe anderer Störche konnten ihren Brutversuch niemals erfolgreich abschließen. Sogar bis zu sechs Individuen kämpften teilweise vor Ort um das Revier. Diese Auseinandersetzungen führten dazu, dass das Nest verwaist blieb.
In einem positiven Schritt haben die Bewohner von Mestlin in diesem Jahr unter Anleitung des Storchenbeauftragten Dr. Lothar Daubner neue Nester errichtet. Diese Nistplätze, von denen eines komplett neu war, wurden kurzfristig von einzelnen Störchen belegt, konnten aber keine dauerhafte Belegung erreichen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Nester im nächsten Jahr attraktiver für die Vögel sind und somit zur Stabilisierung der Storchenpopulation beitragen können.
Für die drei Jungstörche, die nun erfolgreich in den Süden aufgebrochen sind, könnte die Reise in ein besseres Leben wirklich von Bedeutung sein, während die Rückkehr nach Mestlin im kommenden Jahr mit Spannung erwartet wird. Ob in der kommenden Saison mehr Glück in die Nester zieht, bleibt offen und wirft Fragen zur Zukunft der Storchenpopulation auf.
Erfolgreiche Aufzucht von drei Jungstörchen an der Goldberger Straße. (Foto: Michael-Günther Bölsche)
Bedrohungen für die Storchenpopulation
Die Rückläufigkeit der Storchenpopulation in Mestlin lässt sich auf mehrere Faktoren zurückführen. Der Verlust von Nistplätzen durch Urbanisierung und landwirtschaftliche Nutzung ist ein entscheidender Grund. In vielen Regionen werden traditionelle Nistplätze, wie hohe Bäume oder Scheunen, weniger verfügbar. Die Verkleinerung von Grünflächen und das Verschwinden von Feuchtgebieten, die für die Nahrungssuche der Störche wichtig sind, haben die Lebensbedingungen zusätzlich verschlechtert. Eine Untersuchung des NABU hat gezeigt, dass geeignete Nist- und Jagdmöglichkeiten für Störche immer seltener werden, was sich negativ auf deren Fortpflanzung auswirkt (NABU).
Ein weiterer Einflussfaktor ist das Wetter. Ungewöhnlich kalte und feuchte Springen können die Nahrungsverfügbarkeit für Störche einschränken und sich auf den Bruterfolg negativ auswirken. Auch die steigende Anzahl von Raubtieren, die Nester belästigen oder Jungtiere fangen, stellt ein Risiko dar. Diese Probleme sind in ganz Deutschland zu beobachten, jedoch können lokale Besonderheiten, wie der Wettbewerb um Nistplätze, die Situation in Mestlin weiter verschärfen.
Die Rolle der Bevölkerung und des NABU
Die Einwohner von Mestlin engagieren sich aktiv für den Schutz der Störche. Interessierte Bürger haben in Zusammenarbeit mit dem NABU, insbesondere durch die Unterstützung von Dr. Lothar Daubner, Nistmöglichkeiten geschaffen, um die Chancen für die Storchennachzucht zu erhöhen. Diese Initiativen sind entscheidend, da sie nicht nur die Nistplätze verbessern, sondern auch das Bewusstsein für den Schutz der Störche in der Region schärfen.
Zusätzlich werden Aufklärungsmaßnahmen durchgeführt, um die Bevölkerung über die Bedeutung der Erhaltung natürlicher Lebensräume und den Schutz wildlebender Tiere aufzuklären. Der NABU fördert eine nachhaltige Landwirtschaft, die die Rettung und Pflege von Lebensräumen unterstützt, die für Tiere wie Störche unerlässlich sind. Weitere Informationen und Tipps zur Unterstützung lokaler Artenvielfalt können auf der Website des NABU gefunden werden (NABU).
Aktuelle Daten zur Storchenpopulation
Aktuelle Statistiken des Speziesmonitorings zeigen, dass in Deutschland die Storchenpopulation insgesamt einen leichten Anstieg verzeichnet hat, doch die Situation variiert stark von Region zu Region. Während in vielen Bundesländern die Zahl der Brutpaare zugenommen hat, bleibt die Entwicklung in bestimmten ländlichen Gebieten, wie Mestlin, stagnierend oder rückläufig. Daten des Bundesamtes für Naturschutz belegen diese regionalen Unterschiede, die durch individuelle Umweltfaktoren und lokale Schutzmaßnahmen beeinflusst werden (Bundesamt für Naturschutz).
Für das Jahr 2023 wurden in Deutschland insgesamt etwa 6.500 Brutpaare gezählt, was einen Anstieg um 1,5 % im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. In Mestlin jedoch blieben die Zahlen hinter diesem Trend zurück, was die Notwendigkeit unterstreicht, in diesen ländlichen Regionen gezielte Erhaltungsmaßnahmen zu ergreifen.