Künstlerische Auseinandersetzung mit Körperlichkeit
In der aktuellen Ausstellung „Cut“ in der Galerie SKULPTURALE in Lindau wird das Thema Körperlichkeit auf provokante Weise thematisiert. Zwei Künstler, Thomas Hannappel und Wolfgang Ueberhorst, nutzen ihre Werke, um die Thematik von Verletzlichkeit und Anpassungen nach der Zerstörung auf einzigartige Weise zu beleuchten. Ihre Arbeiten sind nicht nur Kunstwerke, sondern auch Spiegelbilder ihrer eigenen Lebenserfahrungen und der Zeit, in der sie aufgewachsen sind.
Verborgene Botschaften in Hannapels Arbeiten
Thomas Hannappel, Jahrgang 1956 und Sohn eines Orthopädietechnikers, schafft Collagen, die menschliche Körper zerlegen und mit bunten Prothesen neu zusammensetzen. Diese stilistisch unkonventionellen Körper wirken auf den ersten Blick organisch und natürlich, obwohl sie stark verfremdet sind. Die Prothesen treten hier nicht als rein funktionale Elemente in Erscheinung, sondern entwickeln eine eigene, ästhetische Identität. Diese Darstellung stellt eine Kontrastfolie zur ikonischen Figur eines Mannes ohne Beine aus dem Film „Freaks“ (1932) dar, die als schockierend und unmenschlich empfunden wird.
Ueberhorsts skulpturale Reflexion der Invalidität
Wolfgang Ueberhorst spricht mit seiner Skulptur „disabled wheelchair“ (2013) eine ebenso eindringliche Sprache. Der visuelle Eindruck eines zerschnittenen Armlehnstuhls, der durch Ösen und Haken zusammengehalten wird, regt zur Reflexion über Distanz und Körperlichkeit an. Die verwendeten Materialien und Formen erinnern an spastische Gliedmaßen und kombinieren dies mit einem blauen Blinklicht, das den Eindruck von Invalidität verstärkt. In diesem Kontext verdeutlicht Ueberhorst die gesellschaftliche Wahrnehmung von Behinderung und Verletzlichkeit.
Historischer Kontext und persönliche Prägung
Die Arbeiten beider Künstler sind stark durch die Nachkriegszeit beeinflusst. In einer Ära, die geprägt war von Zerstörung und dem Versuch, wieder etwas aufzubauen, thematisieren sie die Fragilität menschlicher Existenz. Die Auseinandersetzung mit Prothesen und der Reparatur von Körper und Objekten stellt eine tiefgreifende Verbindung zu den Erfahrungen der Zeit dar, in der viele Verletzte und Versehrte das öffentliche Bild prägten.
Ausstellungsdetails zur Galerie SKULPTURALE
Die Ausstellung „Cut“ ist noch bis zum 19. August 2023 in der Galerie SKULPTURALE in Lindau zu besichtigen. Die Galerie in der Hofstatt 1 auf der Insel Lindau hat samstags, sonntags und montags von 10:30 bis 15 Uhr sowie donnerstags und freitags von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Für individuelle Besuche ist auch eine Terminvereinbarung unter der Telefonnummer 0176/32747676 möglich.