Sommertheater-Abenteuer in Lübeck: „Moby Dick“ als Open-Air-Erlebnis
Am 6. Juli 2024 erwacht der Geist von Herman Melvilles Klassiker „Moby Dick“ nördlich des Lübecker Domhofs zum Leben. Zwischen den imposanten Türmen der Domkirche und dem beeindruckenden Pottwalskelett im Naturkundemuseum beginnt eine theatralische Reise, die die Zuschauer in eine Welt des Sinnsuchens und Abenteuers entführt.
Eine Inszenierung voller Kontraste
Die Inszenierung von Malte C. Lachmann bringt die Herausforderungen des Open-Air-Theaters mit sich, doch gerade diese Umgebung verleiht „Moby Dick“ eine symbolische Tiefe. Der Fokus liegt weniger auf der Abenteuergeschichte des jungen Ismael und dem fanatischen Kapitän Ahab, sondern vielmehr auf den Kontrasten zwischen Rationalität und Metaphysik, zwischen Kapitalismus und Mythos.
Lachmann gelingt es, Literatur in bewegende Theaterkunst zu verwandeln. Das Ensemble taucht ins Geschehen ein, erzählt atemlos und fesselnd Melvilles Texte, während die Band am Bandoneon eine passende musikalische Atmosphäre schafft.
Echtes Seemannsflair
Die Actionsequenzen, insbesondere die eindrucksvolle Waljagd, ziehen das Publikum in ihren Bann. Die Darsteller stürzen sich tatsächlich ins kalte Nass und erwecken die Geschichte zum Leben. Zwischen den Szenen sorgen echte Songs und das lebendige Spiel der Akteure für ein mitreißendes Theatererlebnis.
Die Inszenierung mag nicht die tiefsten philosophischen Fragen von Melvilles Werk reflektieren, aber sie bietet ein unterhaltsames und handwerklich versiertes Spektakel unter freiem Himmel. Die Zuschauer erleben eine gelungene Mischung aus Abenteuer, Spannung und theaterwirksamer Inszenierung.
Am Ende verlässt das Publikum angeregt, verfroren und durchnässt die Spielstätte, doch die Begeisterung für dieses besondere Sommertheater-Abenteuer ist spürbar. „Moby Dick“ als Open-Air-Erlebnis in Lübeck mag nicht die tiefste Metaphysik offenbaren, aber es bietet ein mitreißendes Schauspiel, das die Zuschauer in seinen Bann zieht.
– NAG