Lübeck. Im Zuge des wachsenden Tourismusdrucks an der Lübecker Bucht stellt sich eine drängende Frage: Wie kann ein Gleichgewicht zwischen den Bedürfnissen der Touristen und den Lebensbedingungen der Anwohner gefunden werden? Während die Strände und Straßen während der Hochsaison überfüllt sind, zeigen sich immer mehr Anzeichen für die Problematik des sogenannten „Overtourism“.
Tagestouristen belasten die Infrastruktur
Jedes Wochenende findet sich eine beeindruckende Zahl von 20.000 Tagesgästen in Timmendorfer Strand ein, obwohl der Ort nur 9.000 Einwohner zählt. Diese Diskrepanz sorgt für überfüllte Parkplätze und lange Schlangen in den Geschäften. Bürgermeister Sven Partheil-Böhnke bezeichnet die Situation als kritisch: „Die Kapazitätsgrenze ist erreicht, da kommen die Anwohner oft nicht mehr durch.“ Um dieser Herausforderung zu begegnen, hat die Gemeinde begonnen, Großparkplätze gebührenpflichtig zu machen, um hoffentlich einige Besucher dazu zu bewegen, alternativ die Bahn zu nutzen oder weniger frequentierte Strände aufzusuchen.
Schwierigkeiten bei der Wohnungsnot
Die Kehrseite des florierenden Tourismus ist die Wohnungsknappheit, die immer dringlicher wird. In Küstenorten, die einst als malerische Rückzugsorte galten, steigen die Mietpreise durch die Umwandlung von Wohnraum in Ferienhäuser. Rathausmitarbeiter in Timmendorfer Strand suchen aktiv nach illegalen Vermietungen auf Plattformen wie „Airbnb“, um gegen diesen Trend anzugehen. „Die Lösung des Wohnraummangels erfordert mehr Baufläche“, erklärt Jörg Bülow vom Gemeindebund Schleswig-Holstein, während die Kommunen Demand nach mehr Unterstützung vom Land formulieren.
Antwort auf die Räumung von Tourismus
Die Erkenntnis, dass die Akzeptanz des Tourismus unter den Einwohnern sinkt, könnte eine Wende im Umgang mit den Herausforderungen des Tourismus bedeuten. Lediglich 32 Prozent der Menschen in der Region sehen einen persönlichen Nutzen im Tourismus. Das Innenministerium in Kiel hat als Antwort auf die wachsenden Sorgen einen „Leitfaden zur Tourismusakzeptanz“ veröffentlicht, der die Notwendigkeit unterstreicht, Bürger stärker in Entscheidungsprozesse einzubeziehen.
Lokale Initiative für besseres Wohnen
In Grömitz wurde eine Genossenschaft gegründet, um Unternehmen zu ermutigen, Anteile zu erwerben und ihren Beschäftigten günstigen Wohnraum anzubieten. Andreas Breitner, Präsident des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen, sieht solche Initiativen als Schritt in die richtige Richtung. Dennoch wird mehr Druck auf die Landesregierung gefordert, um den Kommunen bei der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum zu helfen.
Der Schlüssel zur Balance der Interessen
In Timmendorf ist die Einsicht tief verwurzelt, dass die Gemeinde auf den Tourismus angewiesen ist, um eine Vielzahl von Dienstleistungen und Infrastrukturen aufrechtzuerhalten. Dennoch führt das wachsende Bewusstsein für die Herausforderungen des Overtourismus zu einem Umdenken, das die Einbindung der Bürger in Planung und Entwicklung fördert. Es ist eine Herausforderung, die eine engere Zusammenarbeit zwischen Kommunen, Land und Einheimischen erfordert, um die Vorteile des Tourismus für alle Beteiligten nachhaltig zu gestalten.