Ein junger Mann steht im Mittelpunkt eines aufsehenerregenden Prozesses am Landgericht Lüneburg. Er wird beschuldigt, eine Cannabis-Plantage in Wichmannsburg betrieben zu haben. Der 25-Jährige wirkte am Donnerstag, als er das erste Mal auf der Anklagebank saß, wenig wie ein Schwerverbrecher. In einem schlichten weißen Hemd und mit kurzen Haaren beantwortete er höflich die Fragen der Richterin Silja Precht. Doch die Vorwürfe, die gegen ihn erhoben werden, sind gravierend.
Zwischen März 2020 und November 2022 soll der Angeklagte zusammen mit einem Komplizen in der unauffälligen Ortschaft Wichmannsburg mehr als 25 Kilogramm Cannabis produziert haben. Laut Anklage war ein Haus im Ort der zentrale Ort für Anbau und Vertrieb. Über 650 Cannabispflanzen seien dort unter optimalen Bedingungen gezüchtet und anschließend weiterverarbeitet worden. Die Einnahmen aus dem Verkauf sollen sich auf über hunderttausend Euro summiert haben.
Nachbarn berichten von seltsamen Vorkommnissen
Das örtliche Umfeld bemerkte die ungewöhnlichen Aktivitäten. Eine Nachbarin erzählte, dass sie Anfang 2021 bemerkte, wie plötzlich zwei junge Männer in das angrenzende Haus einzogen. Einer von ihnen, straßenköterblond, der andere mit kurzen schwarzen Haaren. „Einer der Männer hat mir einmal erzählt, dass er Gartenbau studiert“, sagte sie. Es war ihr unklar, warum sie bei sommerlichen Temperaturen Pflanzen ins Haus schleppten, was zusätzlichen Pflegeaufwand bedeutete. Ihre Wahrnehmung wurde allerdings eingeschränkt durch ein herabgelassene Fensterrollo und die Entfernung der Garage. Ende 2021 zogen die Männer aus, und erst später wurde bei einer Polizeidurchsuchung die Wahrheit über die illegale Plantage ans Licht gebracht.
Doch die Vorwürfe gegen den 25-Jährigen enden nicht mit dem Cannabisanbau. Er ist auch angeklagt, illegal über 60 Kilogramm Amphetaminpaste aus den Niederlanden in Deutschland beschafft und eingeführt zu haben. Ermittler fanden heraus, dass der Beschuldigte dazu die Software „Encrochat“ nutzte, die speziell für kriminelle Kommunikation entwickelt wurde. Interessanterweise konnte die Polizei diese Software knacken, was zu weiteren Beweisen gegen ihn führte.
Der Prozess wird am 17. September mit der Verlesung der Chats fortgesetzt, wobei die Technologie, die er für seine Machenschaften verwendet haben soll, im Fokus stehen wird. Diese Entwicklungen werfen ein neues Licht auf den Fall und enthüllen die moderne Kriminalität, die hinter der unscheinbaren Fassade des 25-Jährigen steht.
Der Angeklagte an sich scheint wenig das Bild eines kriminellen Drogenhändlers abzugeben. Dennoch hat er bereits eine Vorgeschichte: Im Jahr 2019 wurde er in Marseille zu 18 Monaten Haft verurteilt, nachdem er fast ein Kilo Cannabis nach Frankreich geschmuggelt hatte. Diese frühere Verurteilung könnte sich negativ auf die Beurteilung des Gerichts auswirken.
Zahlreiche Fragen bleiben noch offen. Wie kam es zu dieser kriminellen Machenschaft? Waren noch weitere Personen beteiligt? Die kommenden Verhandlungstage werden entscheidend sein, um ein klareres Bild von den Umständen und den Verantwortlichkeiten zu erhalten. In jedem Fall zeigt dieser Fall auf alarmierende Weise die Realität des Drogenhandels in Deutschland und die oft unsichtbare Präsenz, die er in scheinbar normalen Nachbarschaften hat.