Im Landkreis Miesbach spiegelt sich ein drängendes Problem auf dem Ausbildungsmarkt wider: Über 300 Ausbildungsplätze sind unbesetzt, während gleichzeitig nur 88 junge Menschen aktiv nach einer Lehrstelle suchen. Dieses Missverhältnis führt dazu, dass Unternehmen erheblichen Schwierigkeiten gegenüberstehen, geeignetes Personal zu finden, um ihre Ausbildungsplätze zu besetzen.
Christopher Karge, Gesellschafter und Ausbilder bei Dietrich Installations- und Heizungsbau in Hausham, gehört zu den vielen Unternehmern, die mit dieser Herausforderung kämpfen. „Es ist fast unmöglich, einen Auszubildenden zu finden“, erklärt er frustriert. Für das kommende Ausbildungsjahr, das am 1. September beginnt, sucht Karge noch immer nach einem Lehrling. Trotz Werbung auf Jobbörsen und Aktivität in sozialen Medien bleibt die Resonanz gering.
Beliebte Ausbildungsberufe und leere Stellen
Die beliebtesten Ausbildungsberufe in der Region sind Kfz-Mechatroniker sowie kaufmännische Berufe im Einzelhandel. Michael Preisendanz, der Geschäftsführer der Agentur für Arbeit Rosenheim, weist darauf hin, dass von insgesamt 317 offenen Ausbildungsplätzen nur 88 junge Menschen auf der Suche nach einer Lehrstelle sind, was das Problem weiter verdeutlicht.
Die Erhebung der Arbeitsagentur zeigt, dass die Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker bei männlichen Bewerbern hoch im Kurs steht, während unter den Frauen die Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten favorisiert wird. Dennoch blieben viele Stellen unbesetzt, insbesondere im Einzelhandel und in der Gastronomie. Hier wird händeringend nach Auszubildenden gesucht, obwohl die Berufe eigentlich Anklang finden.
Herausforderungen im Einzelhandel
Hans Fanea, Geschäftsführer einer Expert-Filiale in Holzkirchen, kennt die Schwierigkeiten, die mit der Besetzung offener Stellen im Einzelhandel verbunden sind. Obwohl er im vergangenen Jahr drei Azubis einstellen konnte, hat sich die Lage verändert. „Ich habe im letzten Jahr drei Azubis eingestellt. Insofern habe ich dieses Jahr nach der Nadel im Heuhaufen gesucht“, beschreibt er seine Erfahrung. Fanea hat das Gefühl, dass die Meinung über den Einzelhandel negativ geworden ist: „Früher war der Beruf angesehener“, fügt er hinzu. Junge Leute seien von den langen Arbeitszeiten und den etwaigen Wochenendarbeiten abgeschreckt.
Karge spricht darüber hinaus von einem weiteren Aspekt, der potenzielle Auszubildende fernhält: Falsche Vorstellungen über das Handwerk. Viele Jugendliche glauben, dass der Beruf des Anlagenmechanikers nur mit unansehnlichen Aufgaben in Verbindung steht. „Viele meinen, dass wir den ganzen Tag in Scheiße rumgraben“, sagt er und weist darauf hin, dass solche Mythen dem Beruf schaden.
Die Situation führt dazu, dass die Klassen in den Berufsschulen kleiner werden. Karge beobachtet, dass während seiner eigenen Lehrzeit im Jahr 2010 die Klassen immer voll waren, während heute einige Jahrgänge weniger als zehn Schüler zählen. Diese Entwicklung könnte langfristig dazu führen, dass die Berufsschule in Miesbach aufrechterhalten werden muss, was wiederum Auswirkungen auf die lokale Ausbildungslandschaft haben könnte.
Branchenübergreifend wird auch die Forderung vieler Eltern nach akademischer Bildung als relevante Herausforderung gesehen. Es scheint, als ob potenzielle Auszubildende eher dazu ermutigt werden, einen Studienplatz zu wählen, anstatt eine Lehre zu beginnen. Vor diesem Hintergrund wird die Anwerbung junger Menschen für Handwerksberufe noch schwieriger.
Ein Blick auf die Ausbildungszukunft
Die Zukunftsprognose für die Ausbildungsbranche im Landkreis Miesbach bleibt angespannt. Mit insgesamt 317 offenen Ausbildungsplätzen muss sich auf lokaler Ebene etwas ändern, um potenzielle Auszubildende zu erreichen. Die Unternehmen sind gefordert, kreative Lösungen zu finden, um die Attraktivität der Ausbildung zu steigern und die Missverständnisse über Handwerksberufe auszuräumen. Es bleibt abzuwarten, welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Ausbildungsmarkt zu schließen.
Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt im Landkreis Miesbach ist nicht nur ein lokales Phänomen, sondern spiegelt auch breitere Trends in Deutschland wider. In den letzten Jahren ist die Zahl der offenen Ausbildungsplätze gestiegen, während gleichzeitig die Anzahl der Bewerber gesunken ist. Dies hat mehrere Ursachen, darunter demografische Veränderungen, gesellschaftliche Erwartungen und wirtschaftliche Faktoren. Laut einer aktuellen Studie der Bundesagentur für Arbeit gibt es bundesweit einen Mangel an Ausbildungsbewerbern, insbesondere in handwerklichen Berufen.
Demografische Herausforderungen und Bildungstrends
Ein wesentlicher Faktor für die sinkende Anzahl an Ausbildungsbewerbern ist die demografische Entwicklung in Deutschland. Die Jahrgänge, die in den Berufseintritt alter erreichen, werden kleiner, was zu einem Wettbewerb um die verbleibenden Bewerber führt. Gleichzeitig gibt es einen Trend zu höheren Bildungsabschlüssen, wobei viele junge Menschen den direkten Einstieg ins Berufsleben scheuen und stattdessen eine akademische Laufbahn anstreben. Laut Statistischem Bundesamt haben immer mehr Abiturienten die Absicht, ein Studium aufzunehmen, was die Anzahl der potenziellen Auszubildenden im dualen Ausbildungssystem verringert (Quelle: [Statistisches Bundesamt](https://www.destatis.de)).
Darüber hinaus können die wahrgenommenen Arbeitsbedingungen in bestimmten Berufen abschreckend wirken. Lange Arbeitszeiten, Schichtarbeit und ein hohes Maß an körperlicher Belastung sind Aspekte, die viele Jugendliche von handwerklichen Berufen abhalten. Eine Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hat gezeigt, dass die Arbeitsbedingungen in stark umkämpften Branchen wie dem Einzelhandel und dem Handwerk als unattraktiv angesehen werden (Quelle: [IAB](https://www.iab.de)).
Öffentliche Wahrnehmung und Marketingstrategien
Die öffentliche Wahrnehmung von handwerklichen Berufen ist entscheidend für die Rekrutierung von Azubis. Viele Jugendliche verbinden mit handwerklichen Berufen nicht nur körperliche Arbeit, sondern auch ein geringeres gesellschaftliches Ansehen im Vergleich zu akademischen Berufen. Um diese Wahrnehmung zu verbessern, haben einige Unternehmen begonnen, gezielte Marketingstrategien zu entwickeln, um die Ausbildungsberufe attraktiv zu machen. Dazu gehören Informationsveranstaltungen, Praktika und berufsorientierte Workshops in Schulen, die den künftigen Azubis ein besseres Bild der Berufswelt vermitteln sollen.
Außerdem setzen viele Betriebe auf digitale Kanäle, um junge Menschen zu erreichen. Soziale Medien spielen eine zentrale Rolle dabei, die Ausbildungsangebote attraktiv zu präsentieren und potentielle Bewerber anzusprechen. Die Digitalisierung bietet zusätzliche Möglichkeiten, um mit Jugendlichen in Kontakt zu treten und das Interesse an handwerklichen Berufen zu wecken.