Die kürzliche Entscheidung der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), den Alzheimer-Wirkstoff Lecanemab abzulehnen, hat große Wellen geschlagen und wirft zahlreiche Fragen über den zukünftigen Umgang mit der Alzheimer-Erkrankung in der EU auf. Dies könnte weitreichende Folgen für Patienten und deren Angehörige haben, besonders in Anbetracht der zunehmenden Zahl an Alzheimer-Diagnosen in Europa.
Neurologe äußert Bedenken
Dr. Wenzel Glanz, Neurologe und leitender Arzt der Gedächtnissprechstunde in Magdeburg, zeigte sich über die Entscheidung der EMA überrascht. Er betont, dass man sich bereits intensiv auf die neuen Infusionstherapien vorbereitet hatte, die möglicherweise eine Umkehrrate der Krankheitsprogression ermöglichen. Der Wirkstoff Lecanemab, bekannt unter dem Handelsnamen Leqembi, hätte für viele an Alzheimer Erkrankte, die im frühen Stadium dieser Krankheit diagnostiziert werden, eine Hoffnung bieten können.
Gesundheitsrisiken im Fokus
Die EMA hat sich gegen die Zulassung ausgesprochen, da die erheblichen Risiken schwerer Nebenwirkungen überwiegen, wie Ödeme und Mikroblutungen im Gehirn, die bei etwa 30% der behandelten Personen auftreten können. Diese Nebenwirkungen erfordern regelmäßige MRT-Untersuchungen zur Überwachung des Gesundheitszustands der Patienten. Die Behörde hat festgestellt, dass der beobachtete Effekt von Lecanemab beim Abbremsen des kognitiven Verfalls nicht ausreicht, um die Risiken zu rechtfertigen.
Ein Ungleichgewicht im Gesundheitssystem
Die Entscheidung der EMA wird von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) kritisiert, die darauf hinweist, dass diese Vorgehensweise Europas auch den Weg zu einer Ungleichheit im Gesundheitssystem ebnen könnte. Insbesondere besteht die Gefahr, dass sich wohlhabendere Patienten das Medikament über internationale Apotheken besorgen, während weniger begünstigte Patienten leer ausgehen. Diese Situation könnte eine Zwei-Klassen-Medizin verstärken, die nicht nur unfair ist, sondern auch gegen die Grundsätze der Gesundheitssysteme vieler europäischer Länder verstößt.
Ein Blick in die Zukunft
Die EMA-Entscheidung ist bedeutend, da sie die Richtung vorgibt, wie in der EU mit neuartigen Therapien umgegangen werden soll. Das Pharmaunternehmen Eisai, das den Antrag auf Zulassung stellte, hat nun die Möglichkeit, innerhalb von 15 Tagen eine erneute Prüfung zu beantragen. Dies könnte den Weg freimachen für eine breitere Diskussion über die Anwendungen und den Zugang zu innovativen Therapien im Bereich Alzheimer.
Mit über einer Million Erkrankten in Deutschland allein, wird die Suche nach effektiven Therapien für die Alzheimer-Krankheit weiterhin eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen darstellen. Die Entscheidung der EMA, die viel diskutierte Therapie abzulehnen, könnte somit nicht nur im unmittelbaren, sondern auch im langfristigen Sinne Auswirkungen auf die Lebensqualität von Betroffenen und deren Familien haben.
– NAG