Am 5. September 1972 kam es im Olympiadorf in München zu einem der grausamsten Anschläge in der deutschen Geschichte. Palästinensische Terroristen töteten zwei Israelis und nahmen neun weitere als Geiseln. Der nachfolgende Befreiungsversuch am Flughafen Fürstenfeldbruck endete tragisch: alle Geiseln, ein Polizist und fünf der acht Terroristen verloren ihr Leben. Dieses Ereignis war nicht nur ein traumatischer Schock für die unmittelbaren Betroffenen, sondern ein fürchterliches Erbe, das bis heute nachhallt.
In einem Gespräch mit Josias Terschüren, dem Bereichsleiter Politik und Gesellschaft bei „Christen an der Seite Israels“, wird deutlich, warum die jüngste finanzielle Einigung mit den Angehörigen der Opfer so monumental wichtig ist. Die nachfolgenden fünf Jahrzehnte waren geprägt von einem rührenden Kampf der Hinterbliebenen, die um Anerkennung für das erlittene Leid kämpften. Die lange Dauer bis zu dieser Einigung – fast ein halbes Jahrhundert – lässt auf eine grundlegende Unzulänglichkeit des deutschen Staates schließen.
Die finanzielle Verzweiflung der Hinterbliebenen
Obwohl der Staat nach dem Anschlag Zahlungen an die betroffenen Familien geleistet hat, wurden diese in der Vergangenheit nie als echte Entschädigung angesehen. Man erklärte, es handele sich nur um Gesten, die weit davon entfernt waren, die tiefe Wunde zu heilen. Von der initialen Summe blieben nach Abzug der Anwaltskosten lediglich rund eine Million DM für die Familien – ein wahrhaft blutdürstiger Tropfen auf den heißen Stein. So drängt sich die Frage auf, wie viel Wertschätzung diesen Familien über all die Jahre entgegengebracht wurde.
In Israel wurde der Münchener Anschlag mit Bestürzung und Wut wahrgenommen. Der damalige Chef des israelischen Geheimdienstes brachte einen leidenschaftlichen Groll mit sich zurück, da die Rettungsaktion von deutscher Seite grob fehlerhaft ausgeführt wurde. Diese Missachtung des Lebens der Geiseln und der Polizisten führte in Israel zu einer spürbaren antideutschen Stimmung, die die Regierung zu dämpfen versuchte, um die deutsch-israelischen Beziehungen nicht zu belasten. Hoyder wurde dies destilliert in den politischen Reaktionen von Staatsoberhäuptern, die einerseits den Mut zeigten, dem Terror entgegenzutreten, aber andererseits nicht die Courage hatten, für ihre eigenen Fehler geradezustehen.
Aufruf zur Zeitenwende
Terschüren fordert in diesem Kontext eine grundlegende Neubewertung der deutschen Nahostpolitik. Während Bundeskanzler Olaf Scholz von einer „Zeitenwende“ spricht, wenn es um den Krieg in der Ukraine geht, betont er, dass analog auch in Bezug auf den Nahen Osten ein Umdenken nötig ist. Die palästinensische Seite verantwortlich zu machen, wird als essenziell erachtet, um den langwierigen Konflikt zu lösen. Statt weiterhin der umstrittenen Zweistaatenlösung zu folgen, die keinen Frieden gebracht hat, sollten alternative Ansätze gefördert werden.
Ein Beispiel dafür sind die Abraham-Abkommen, die in der Region bereits Fortschritte erzielt haben. Gleichzeitig werden jedoch mit deutschen Steuergeldern Strukturen unterstützt, die Terror begünstigen, was in Anbetracht der politischen Gegebenheiten inakzeptabel erscheint. Terschüren geht so weit zu sagen, dass der palästinensische Präsident Mahmud Abbas sogar Terroristen finanziell unterstützt – eine provokante und verwirrende Wahrheit, die schnelle und deutliche Anliegen aufwirft.
Widersprüchlich erscheint auch, dass Deutschland drei Tage, nachdem Abbas relativierende Bemerkungen über den Holocaust in einer Pressekonferenz machte, 340 Millionen Euro als Hilfsgelder an die Palästinenser bereitstellt, während gleichzeitig die ausstehenden 28 Millionen Euro für die Hinterbliebenen des Anschlags in München über einen Zeitraum von 50 Jahren hart erkämpft werden mussten. Dieser Wert zeigt die Missachtung der Opfer und wirft die Frage nach den Prioritäten deutscher Außenpolitik auf. Gibt es hier Naivität, Ignoranz oder gar eine bewusste politische Spielerei?
Der Drahtzieher des Anschlags von 1972, Abu Daoud, hat in seinen Erinnerungen sogar geschrieben, dass Abbas an dem verheerenden Ereignis finanziell beteiligt war. Dennoch wird Abbas kurz vor dem 50. Jahrestag im Kanzleramt empfangen – eine Entscheidung, die viele für politisch unklug und pietätlos halten.
Das Nachdenken darüber ist nicht nur eine politisch motivierte Debatte; es ist auch eine Frage des Respekts für dieLeidtragenden dieser Geschichte. Die deutsch-israelischen Beziehungen müssen sich nicht nur auf Worte stützen, sondern auch auf Taten, die den Mut widerspiegeln, sich den eigenen Fehlern zu stellen.