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Lehrermangel in Freising: Grundschulpädagogen auf Mittelschul-Front

Die junge Lehrerin Sandra B. aus Neufahrn überlegt, ihren Lehrerjob hinzuschmeißen, nachdem sie aufgrund der Lehrkräfteknappheit an Mittelschulen gezwungen ist, für ihr Referendariat in ein weit entferntes Dorf pendeln zu müssen, was die Attraktivität des Berufes stark beeinträchtigt.

In deutschen Schulen herrscht ein besorgniserregender Mangel an Lehrkräften, besonders an Mittelschulen. Der Druck auf Grundschullehrer wächst, wenn sie häufig an diesen Schulen unterrichten müssen, um die Lehrbedarfslücke zu schließen. Dies hat negative Auswirkungen auf die Motivation und Zukunft junger Lehrkräfte, wie die Erfahrung von Sandra B. zeigt.

Die 27-jährige Lehrerin aus Neufahrn hat gerade ihr erstes Staatsexamen im Fach Deutsch und den Didaktikfächern Englisch, Politik und Religion abgeschlossen. Nun steht sie vor der Herausforderung, ihr Referendariat anzutreten – allerdings nicht in ihrer Heimat oder in der Umgebung, sondern in einem über 200 Kilometer entfernten Dorf in Niederbayern. Trotz ihrer wiederholten Anfragen an das Kultusministerium, ihren Einsatzort in der Nähe ihres Wohnorts zu sichern, erhielt sie nur unverständliche Rückmeldungen. Die Entscheidung bleibt endgültig.

Berufsalltag im Lehramt: Der Druck wächst

Diese unglückliche Situation ist nicht nur Sandra B. aufgefallen. Kerstin Rehm, die Vorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) im Landkreis Freising, weist auf die häufige Praxis hin, dass angehende Lehrkräfte in Regionen eingesetzt werden, die weit von ihrem sozialen Lebensmittelpunkt entfernt sind. „Jahr für Jahr versuchen diese Lehrer, in ihre Heimat zurückzukehren – eine Perspektive, die den Lehrerberuf unattraktiv machen kann“, schildert Rehm. Sie äußert, dass das Verhältnis von Beruf und eigenem Lebensraum grundlegend überdacht werden sollte.

Die Belastung der Lehrerinnen und Lehrer wächst nicht nur durch ungünstige Einsatzorte. Es mangelt auch an Seminaren und Kapazitäten für Quereinsteiger, was die Lage an vielen Schulen weiter verschärft. „Die Bedingungen sind oft nicht optimal. Viele Lehrer müssen aufgrund der niedrigen Gehälter in den neuen Einsatzorten auf eine eigene Wohnung verzichten“, erklärt Sandra B. Sie steht nun an einem Scheideweg und fragt sich, ob sie ihre Stelle wirklich antreten soll, wenn die Rahmenbedingungen nicht stimmen. Ihre Freundin, ebenfalls Lehrerin, sieht sich ähnlich gerechtert: nach Wartenberg versetzt und von Freising getrennt, ist die Situation für beide problematisch.

Ein weiteres drängendes Problem im Schulalltag sind die zunehmenden Gewaltakte unter Schülern sowie die steigende Heterogenität in den Klassen. Gemischte Hintergründe und Verhaltensweisen werfen zudem Fragen zur Unterrichtsqualität auf, die immer seltener gewährleistet werden kann. „Es ist alarmierend, dass immer mehr jüngere Kollegen unter Burnout leiden“, berichtet Rehm. Die psychische und physische Belastung durch das Klassenmanagement, gepaart mit einem fast täglichen Mangel an Respekt, besonders gegenüber weiblichen Lehrkräften, ist ein schwerwiegendes Thema, das nicht ignoriert werden kann.

Das von Rehm geforderte Umdenken zielt darauf ab, mehr Entscheidungskompetenz für Lehrerinnen und Lehrer zu schaffen. Derzeit sind die Möglichkeiten, autonom Entscheidungen zu treffen, oft stark eingeschränkt. Viele fühlen sich unter Druck gesetzt und sehen sich in ihrer Rolle nicht ausreichend anerkannt. Es wird gefordert, gute Lehrkräfte nicht nur mit Wertschätzung, sondern auch mit einem Gehalt auszustatten, das der gesellschaftlichen Bedeutung ihres Berufs gerecht wird. „Es ist wichtig, dass wir unseren Enthusiasmus und unsere Energie nutzen können, um den Kindern und Jugendlichen einen Raum für Lernen und Wachstum zu bieten“, fasst Rehm zusammen.

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