HamburgPolitik

Neue Gefahrstoffverordnung: Bauverband warnt vor Risiken für Handwerker

Der Norddeutsche Baugewerbeverband kritisiert die geplante neue Gefahrstoffverordnung der Bundesregierung, die Bauherren von der Pflicht entbindet, Asbestuntersuchungen vor Sanierungen durchzuführen, was erhebliche Risiken für die Bauwirtschaft in Norddeutschland birgt.

Die Diskussion um die neue Gefahrstoffverordnung, die von der Bundesregierung geplant ist, sorgt für Unruhe unter den Bauunternehmen in Norddeutschland. Während die Politik versucht, bürokratische Hürden abzubauen, gibt es erhebliche Bedenken seitens der Bauwirtschaft. Vor allem die Frage, wer auf Baustellen nach krebserregendem Asbest suchen sollte, steht im Mittelpunkt der Debatte. Dieses Problem wird besonders relevant, wenn man sich die bis zu 140.000 als asbestbelastet geltenden Wohnhäuser in Hamburg vor Augen führt.

Zukünftig sollen Bauherren nicht mehr verpflichtet sein, vor Beginn einer Sanierung technische Prüfungen auf Asbest durchzuführen. Stattdessen bleibt es den Handwerkern überlassen zu entscheiden, ob für ihre Arbeit eine Untersuchung notwendig ist. Laut dem Bundesarbeitsministerium müssen die Bauherren lediglich Informationen über vermutete Gefahrstoffe bereitstellen, sofern diese ohne großen Aufwand beschafft werden können. Dies hat beim Norddeutschen Baugewerbeverband Besorgnis ausgelöst, da solche Unterlagen oft nicht vorliegen.

Ängste vor unzureichender Information

Michael Seitz, ein Vertreter des Norddeutschen Baugewerbeverbands, äußerte seine Sorgen in einem Interview: „Wenn etwas Unerwartetes, wie Asbest, entdeckt wird, hat der Handwerker keine Informationen darüber, weil viele Baustellen damals nicht nach den heutigen Standards dokumentiert wurden.“ Hierbei wird angedeutet, dass der Mangel an Informationen nicht nur ein rechtliches Problem, sondern auch ein ernsthaftes Risiko für die Gesundheit der Arbeiter darstellt.

Für Bauunternehmer wie Reinhard Müller stellt diese Regelung ein zusätzliches Risiko dar. Er erklärt, dass es ohne klar definierte Informationen nahezu unmöglich sei, ein seriöses Angebot für Sanierungsarbeiten abzugeben. Müller betont, dass die Unsicherheit bezüglich des Asbests die Kalkulation sämtlicher Projekte erheblich erschwert und möglicherweise zu höheren Kosten führen kann, wenn während der Baumaßnahmen nachträglich Asbest entdeckt wird.

Politische Hintergründe und Interessen

Die Bundesregierung steht unter Druck, da eine umfassende Erkundung hinsichtlich Asbest auf Baustellen von einigen Teilen des Handwerks gefordert wird. Diese Forderungen wurden jedoch im Rahmen des sogenannten Asbestdialogs nicht fruchtbar diskutiert, was Kritik erzeugt. Seitz vermutet, dass die Interessen der Wohnungswirtschaft, die durch höhere Auflagen benachteiligt werden könnte, einen Einfluss auf die Beschlüsse der Regierung gehabt haben.

Die IG BAU berichtet, dass bundesweit schätzungsweise 550.000 Wohnungen betroffen sein könnten. Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, mit der sich die Verordnung befassen sollte. Der Norddeutsche Baugewerbeverband appelliert nun an den Bundesrat, in der bevorstehenden Sitzung im Herbst Änderungen an dem Entwurf vorzunehmen, um sowohl die Sicherheit der Bauarbeiter als auch die Planbarkeit von Bauprojekten zu gewährleisten.

Die Diskussion um die neue Regelung erinnert an die Herausforderungen, mit denen die Bauwirtschaft im Rahmen der energetischen Sanierung konfrontiert ist. Bereits jetzt gibt es Bestrebungen, die Sanierungsarbeiten zu optimieren, ohne dass dabei die Gesundheit der Arbeiter gefährdet wird. Doch wie sorgt man dafür, dass alle Beteiligten eine Win-Win-Situation erreichen?

Wichtige Überlegungen zur Sicherheit auf Baustellen

Es bleibt abzuwarten, wie die Debatte im Bundesrat verlaufen wird und ob die vorgebrachten Bedenken Gehör finden. Angesichts der potenziellen Gefahren, die von Asbest ausgehen, ist es entscheidend, ein Gleichgewicht zwischen der Entbürokratisierung in der Bauwirtschaft und dem notwendigen Schutz für die Arbeiter zu finden. In Zeiten, in denen energetische Sanierungen und Modernisierungen an der Tagesordnung sind, sollte die Sicherheit an oberster Stelle stehen. Nur so können sowohl Effizienz als auch Gesundheit auf Baustellen gewährleistet werden.

Asbest ist ein natürlich vorkommendes Mineral, das bis in die 1990er Jahre in vielen Bauprodukten verwendet wurde. Aufgrund seiner Hitzebeständigkeit und seiner isolierenden Eigenschaften wurde Asbest häufig in Gebäuden verarbeitet, was jedoch auch gesundheitliche Risiken mit sich brachte. Besonders erhöht ist das Risiko für Arbeiter, die in der Bau- und Renovierungsbranche tätig sind, da sie mit asbesthaltigen Materialien umgehen müssen. Die Gefahren durch Asbest sind in den letzten Jahren stärker ins öffentliche Bewusstsein gerückt, was zu strikteren Regulierungen und einem Umdenken in der Baubranche geführt hat.

Gesundheitliche Risiken durch Asbest

Die Exposition gegenüber Asbest kann ernsthafte gesundheitliche Folgen haben, einschließlich Asbestose, Lungenkrebs und Mesotheliom, einer aggressiven Form von Krebs, die insbesondere die Pleura betrifft. Nach Angaben der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sind in Deutschland jährlich etwa 2000 bis 3000 Todesfälle auf asbestbedingte Erkrankungen zurückzuführen. Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit einer sorgfältigen Handhabung und Entsorgung von asbesthaltigen Materialien in der Bauwirtschaft.

In der Vergangenheit gab es zahlreiche Fälle, in denen Bauarbeiter und Handwerker unzureichend über die Gefahren von Asbest informiert wurden. Die neuen Vorschriften, wie sie jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagen werden, könnten diese Problematik verschärfen, da Handwerker bei der Sanierung möglicherweise erst während der Arbeiten mit Asbest konfrontiert werden, was sowohl gesundheitliche als auch finanzielle Folgen haben kann.

Regulierung von Gefahrstoffen im Bauwesen

Die EU hat strenge Richtlinien für den Umgang mit Gefahrstoffen, einschließlich Asbest, erlassen. In Deutschland ist das Asbestblogging (Schutz bei Arbeiten, die Asbest beinhalten) mittlerweile in der Technischen Regel für Gefahrstoffe (TRGS 519) geregelt. Diese Regeln legen fest, dass eine Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber durchgeführt werden muss, um Risiken für die Gesundheit der Beschäftigten zu minimieren. Die neuen Vorschriften der Bundesregierung scheinen jedoch die Verantwortung für die Identifizierung von Gefahrenstoffen weitgehend auf Bauunternehmen zu übertragen, was von Fachleuten und Verbänden kritisch gesehen wird.

Bauwirtschaft und Neubauprojekte

Die Unsicherheiten, die durch die neuen Vorschriften entstehen, könnten negative Auswirkungen auf die Bauwirtschaft insgesamt haben. Bauunternehmen könnten sich gezwungen sehen, vorsichtiger bei der Annahme von Aufträgen zu werden, insbesondere wenn es darum geht, Angebote abzugeben, die potenziell unvorhergesehene Kosten durch asbestbedingte Sanierungen beinhalten könnten. Dies könnte zu einem Rückgang der Bautätigkeit führen, da Unternehmen möglicherweise weniger bereit sind, Risiko zu tragen.

Laut der Deutschen Bauwirtschaft lag der Umsatz im Baugewerbe im Jahr 2022 bei etwa 200 Milliarden Euro, mit steigenden Aufträgen insbesondere im Bereich Wohnungsbau. Die Unsicherheit bezüglich asbestbelasteter Materialien könnte dazu führen, dass einige Projektentwickler zögern, neue Bauvorhaben zu starten, was die Verfügbarkeit von Wohnraum in Deutschland zusätzlich beeinträchtigen könnte.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"