Die britische Regierung plant, die Bahn teilweise wieder in staatlichen Besitz zu überführen. Verkehrsministerin Louise Haigh hat für heute eine entscheidende Abstimmung im Londoner Parlament angekündigt, die über ein Gesetz entscheiden soll, das diesen Schritt ermöglicht. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass private Bahnunternehmen aus dem Betrieb ausscheiden, sobald ihre bestehenden Verträge auslaufen oder eine vereinbarte Kündigungsklausel in Kraft tritt.
Aktuell gibt es im Vereinigten Königreich ganze 28 verschiedene Bahnunternehmen, die in der Regel jeweils für bestimmte regionale Strecken zuständig sind. Die Kritik am Bahnverkehr hat in den letzten Jahren zugenommen, da immer wieder Zugausfälle, Verspätungen und hohe Ticketpreise ins Rampenlicht gerückt wurden. Auch Streiks haben den Bahnverkehr in der Vergangenheit lahmgelegt, was die Unzufriedenheit der Reisenden verstärkt hat. Gewerkschaften werfen den privaten Bahnanbietern vor, ihre Mitarbeiter auszubeuten, während die Gewinne größtenteils den Managern und Aktionären zugutekommen.
Aufbau des Staatskonzerns Great British Railways
Es ist nicht das erste Mal, dass England einen solchen Schritt zur Verstaatlichung des Bahnverkehrs erwägt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die vier großen Bahnunternehmen in dem Staatskonzern British Railways zusammengefasst. Doch in den 1980er Jahren, unter der konservativen Regierung von Margaret Thatcher, kam es zu einer umfassenden Privatisierung, die zur Zerschlagung und Aufspaltung des Konzerns führte.
Im Vergleich dazu zeigt sich die Situation in Deutschland nahezu gegensätzlich. Hier ist die Deutsche Bahn, der größte Anbieter, vollständig im Besitz des Bundes und als Aktiengesellschaft organisiert. Sie ist nicht nur für den Bahnbetrieb verantwortlich, sondern auch für den größten Teil des in vielen Bereichen maroden Schienennetzes. Wie in Großbritannien wird auch in Deutschland häufig über Zugausfälle und Verspätungen geklagt, was immer wieder die Forderung nach einer Trennung von Netz und Betrieb laut werden lässt.
Die Debatten über die Bahnpolitik sind von emotionalen Überlegungen geprägt, sowohl in Großbritannien als auch in Deutschland. Während die britische Regierung die Rückkehr zur Verstaatlichung der Bahn als Lösung für die aktuellen Probleme sieht, gibt es in Deutschland sowohl Befürworter als auch Kritiker einer Zerschlagung der Deutschen Bahn. Die Entwicklungen in beiden Ländern könnten weitreichende Folgen für die Zukunft des Schienenverkehrs in Europa haben.