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Politische Selbstwirksamkeit: Rietzschels Forderung für ein zukunftsfähiges Sachsen

Ost-Autor Lukas Rietzschel äußert sich nach den Landtagswahlen in Sachsen enttäuscht über die politische Situation und fordert ein Ende des Psychologisierens über die Wähler der AfD, während er die Verantwortung der etablierten Parteien betont, sich den drängenden sozialen und politischen Problemen zu widmen.

Die dramatischen Ergebnisse der Landtagswahl in Sachsen haben den Autor Lukas Rietzschel nicht überrascht. „Ehrlicherweise bin ich ein bisschen daran gewöhnt“, äußert er im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Dennoch sitzt der 30-Jährige am Wahlabend nervös vor dem Fernseher und fragt sich: „Wie soll eine stabile Regierung gebildet werden?“ Diese Frage spiegelt die unsichere Situation wider, in der die politische Landschaft sich derzeit befindet.

In seinen Überlegungen distanziert sich Rietzschel von einer zentralen Frage, die ihn über die letzten Jahre beschäftigt hat: die nach dem „Warum“. Er ist überzeugt, dass diese Reflexion nur zu weitergehender Entfremdung führt. „Wir eiern hier seit fast zehn Jahren mit genau dieser Frage rum. Warum wählen Menschen AfD?“, stellt er fest. Trotzdem bemerkt er, dass diese Gespräche, die er oft in seiner Wahlheimat Görlitz geführt hat, nicht zu den gewünschten Ergebnissen führen. „Es ist fast schon eine Entmündigung, weil man da wie über Kinder spricht, die bockig in der Ecke stehen.“

Politische Verantwortung und Versäumnisse der CDU

Lukas Rietzschel fordert einen deutlichen Wechsel in der politischen Vorgehensweise. „Schluss mit dem Psychologisieren“, sagt er und unterstreicht die Notwendigkeit, sich mit den tatsächlichen politischen Problemen auseinanderzusetzen. Hier erkennt er große Versäumnisse in der Vergangenheit. Besonders den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer von der CDU kritisiert er für sein oppositionelles Verhalten und den Fokus auf die Diskreditierung der Grünen und der Ampel-Koalition. „Die Methodik Kretschmer hat hier komplett versagt“, erklärt Rietzschel und warnt: Die wachsenden Herausforderungen für die CDU, einen stabilen Koalitionspartner zu finden, sind äußerst dringlich.

Zusätzlich thematisiert er die Taktiken der AfD, die nicht nur im klassischen politischen Sinne, sondern auch über kulturelle Fragestellungen Stimmung macht. „Am Ende gehen sie nach draußen und sagen, schaut mal, so viel kostet so eine Produktion hier im Theater und so viele Menschen kommen, das ist doch alles Verschwendung.“ Die Kulturschaffenden besonders in Görlitz geraten durch solche Rhetorik zunehmend unter Druck. „Die laufen alle auf dem Zahnfleisch“, beschreibt er die Situation.

Über soziale Sicherheit und die AfD

Frustration bei Rietzschel verursacht zudem die Dominanz der Themen Asyl, Migration und Kriminalität, während soziale Sicherheit für viele Sachsen oft am drängendsten ist. „Umfragen zeigen, dass den Menschen in Sachsen die soziale Sicherheit wichtig ist, da kann man nicht mit markigen Sprüchen kommen“, meint er. Gleichzeitig erkennt er, dass die AfD eine Sichtbarkeit schafft, die viele als wichtig erachten. In einem Bundesland, in dem nur wenige Bürger aktiv in Parteien oder Vereinen mitwirken, bietet die AfD eine Form der demokratischen Selbstwirksamkeit.

Angesichts der Zustände in Sachsen und Thüringen fordert Rietzschel eine Vision für die Zukunft. „Beide Länder haben massive Probleme, vor allem im Bildungsbereich und bei der Infrastruktur“, stellt er fest. Diese Regionen zählen zu den ältesten in Deutschland, was die Aufrechterhaltung des Wohlstands müsse dringend angegangen werden: „Es fehlt an Konzepten, da muss etwas geschehen.“

Eine positive Wendung erwartet Rietzschel von den anderen Parteien, die sich aus dem destruktiven Fahrwasser der letzten Jahre herausbewegen sollten. „Es braucht wieder Freude und Mut am Mitmachen, also das, was eine Demokratie ausmacht“, fasst er zusammen. Nach einer intensiven Dekade der Auseinandersetzung mit der AfD sollten sich die Parteien wieder auf die eigenen Inhalte konzentrieren und die Vielzahl an möglichen Lösungen nicht ignorieren. „Das wäre schon mal ein Anfang“, so Rietzschel.

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