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Ramelow zu Sicherheitsdebatte: Angst wird im Wahlkampf geschürt

Im Interview äußert sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow zu den Ängsten vor Kriminalität im Kontext der bevorstehenden Wahl und beleuchtet die aktuelle Debatte um innere Sicherheit, während er den Einfluss von Gefühlen auf die politische Stimmung und die Wahrnehmung von Sicherheit in der Gesellschaft hinterfragt.

Die politische Landschaft in Thüringen ist in Bewegung geraten. Mit Umfragen, die die AfD bei etwa 30 Prozent einordnen und der Möglichkeit, dass die BSW unter der Leitung von Sahra Wagenknecht zur zweitstärksten Kraft aufsteigen könnte, steht die LINKE, einschließlich Ministerpräsident Bodo Ramelow, vor ernsten Herausforderungen. Kritiker werfen der Linkspartei vor, die Ängste und Sorgen der Bevölkerung in Bezug auf innerer Sicherheit nicht ausreichend zu adressieren, während die AfD und die BSW aggressive Wahlkampfstrategien rund um das Thema Asyl und Ausländerkriminalität nutzen.

In einem Interview, das vor einem recenten Anschlag in Solingen geführt wurde, äußerte Ramelow seine Ansichten zu diesem kontroversen Thema. Er betonte, dass das Sicherheitsgefühl der Deutschen in den letzten Jahren stark gelitten habe und Menschen sich in öffentlichen Räumen zunehmend bedroht fühlen. Der Ministerpräsident sieht jedoch die Notwendigkeit, die Kriminalitätsstatistiken genauer zu analysieren. “Man kann nicht einfach aufgrund dieser Zahlen behaupten, dass alles schlecht ist”, sagte er, und verwies darauf, dass viele registrierte Straftaten nicht die Bedrohungen an Leib und Seele widerspiegeln.

Sicherheitslage differenziert betrachten

Der Thüringer Ministerpräsident ist der Meinung, dass oft ein verzerrtes Bild der Kriminalität entsteht. Er verweist dazu auf Delikte wie Schwarzfahren, die in die Statistiken einfließen und die Wahrnehmung der Sicherheit trüben. „Es ist wichtig, die zugrunde liegenden Probleme differenziert zu betrachten“, so Ramelow. Besondere Aufmerksamkeit lenkt er jedoch auf die Tatsache, dass Gewalt, insbesondere das „Greifen zum Messer“, kein ausschließlich ausländerbezogenes Phänomen ist. Diese Art der Gewalt sei vielmehr zu einer „Modeerscheinung“ geworden, die auch junge Menschen deutscher Herkunft betrifft.

Inmitten der Wahlkampfvorbereitungen und sich aufheizenden Debatten führt Ramelow einen schonungslosen Dialog über die Realität und die Wahrnehmung von Sicherheit. Er betont, dass die momentane Klimatisierung von Angst ein zentrales Problem ist, das von vielen politischen Akteuren genutzt wird, um emotionale Reaktionen zu schüren. Der Ministerpräsident glaubt, dass die Verbreitung von Angst nicht zu langfristigen Lösungen führen kann.

Das Problem in Apolda ist real

Auf die Frage, ob die Linkspartei gesellschaftliche Probleme ignoriert, sagte Ramelow, dass es wichtig sei, klare Differenzierungen vorzunehmen. Aufgrund verschiedener Vorfälle, darunter der Fall eines straffälligen Asylbewerbers aus Apolda, ist es notwendig, die Diskussion um innere Sicherheit realistisch zu führen, ohne andere gesellschaftliche Themen zu vernachlässigen. “Das Problem in Apolda existiert”, sagte er und fügte hinzu, dass die Partei mit einer differenzierten Wortwahl dem Eindruck begegnen müsse, dass sie auf die Sorgen der Bürger nicht reagiert.

Er wies auch auf eine bedenkliche Realität hin: die Angriffe auf Asylbewerber in Thüringen und Sachsen müssen als ein weiteres Sicherheitsproblem erkannt und angesprochen werden. „Wenn wir über Messermänner sprechen und dabei ignorieren, dass Asylsuchende oft selber Opfer werden, dann sind wir nicht auf dem richtigen Weg,“ so Ramelow.

Ein zentrales Thema im Gespräch war auch die Frage nach schnelleren und effektiveren Gerichtsverfahren für jugendliche Straftäter. Ramelow plädierte für ein rasches Zusammenspiel zwischen Polizei und Justiz, um schnellere Sanktionen zu gewährleisten. Diese Vorschläge sind Teil einer breiteren Diskussion über die Herausforderungen der inneren Sicherheit und den Umgang mit Straffälligen. Er bekräftigte, dass eine der Forderungen, die flächendeckende Videoüberwachung auszuweiten, nicht die Lösung für das bestehende Problem sei, da solche Maßnahmen oft nicht die gewünschten Ergebnisse erzielen.

Ramelow hebt hervor, dass er den Menschen nicht das Gefühl des ständigen Überwachens aufzwingen möchte, was viele Bürger als unangenehm empfinden. Er sieht auch ein Risiko darin, dass Überwachungstechnik in Schattenbereiche der Kriminalität drängt. Die Diskussion, wie Sicherheit in der Gesellschaft gewährleistet werden kann, bleibt daher angespannt und kontrovers.

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