Großbritannien und die EU: Der neue Premier setzt einen neuen Ton. – Politik
In einer sich wandelnden politischen Landschaft hat Keir Starmer letzte Woche eine bedeutende Auslandsreise unternommen. Begleitet wurde der neue britische Premierminister hierbei von Außenminister David Lammy und Verteidigungsminister John Healey. Eine Überraschung für viele war jedoch die Anwesenheit von Nick Thomas-Symonds, der als neu ernannter „Minister for European Relations“ mitreiste. Diese Rolle ist ein klares Zeichen für den Wunsch der Labour-Regierung, die Beziehungen zur Europäischen Union zu verbessern.
Thomas-Symonds, ein 44-jähriger Waliser und seit 2015 Mitglied des britischen Unterhauses, hat eine zentrale Aufgabe: Als erster britischer Minister seit dem Brexit ist er offiziell dafür verantwortlich, die Beziehungen zu Europa wieder zu beleben. Seine Präsenz beim NATO-Gipfel in Washington zeigt die Bedeutung, die die britische Regierung diesem Anliegen beimisst. Geplant sind Treffen mit Delegationen der EU-Mitgliedstaaten, um den Grundstein für neue Kooperationen zu legen.
Ein neuer Dialog in der geopolitischen Realität
Anand Menon, Direktor des Thinktanks „UK in a Changing Europe“, betont die geopolitischen Herausforderungen, denen Europa und Großbritannien gegenüberstehen. Laut Menon sind Krisen wie die unberechenbare Politik Russlands und die steigende Macht Chinas Aspekte, die eine schnelle Annäherung erfordern. Diese globale Dynamik lässt wenig Raum für langsame Verhandlungen, weshalb ein direkter und effizienter Dialog zwischen der EU und Großbritannien entscheidend ist.
Die Haltung der EU gegenüber einer möglichen Erneuerung der Beziehungen ist gemischt. Jaume Duch Guillot, Sprecher des EU-Parlaments, skizziert die Stimmung in Brüssel: Einerseits herrscht Erleichterung über den Regierungswechsel in Großbritannien, andererseits jedoch auch Zurückhaltung aufgrund der schwierigen „Scheidung“. Die EU möchte zunächst die Entwicklungen in London abwarten, bevor konkrete Schritte unternommen werden.
Der Ton macht die Musik: Starmer setzt neue Signale
Keir Starmer hat bereits im Vorfeld klargestellt, dass es keine Rückkehr in die Zollunion oder den Binnenmarkt geben wird. Stattdessen setzt er auf einen versöhnlicheren Ton und hofft, durch eine Veränderung des Umgangstons, eine Basis für zukünftige Zusammenarbeit zu schaffen. Diese neue Herangehensweise könnte insbesondere in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit Früchte tragen, wie die intensiveren Gespräche mit der EU zeigen.
Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs steht mittlerweile mehrheitlich hinter der Meinung, dass der Brexit ein Fehler war. In mehreren Umfragen ist diese Auffassung klar dokumentiert. Dies birgt Druck auf den Premierminister, nicht nur von den Gegnern des Brexits, sondern auch aufgrund der demografischen Veränderungen im Land. Die Zahl der jüngeren Wähler, die den Brexit ablehnen, wächst stetig. Peter Kellner, ehemaliger Präsident des Meinungsforschungsinstituts YouGov, hebt hervor, dass viele der ursprünglichen Leave-Wähler bereits verstorben sind, während eine neue Generation von Wählern herangewachsen ist, die überwiegend Brexit-Gegner sind.
Diese neuen politischen und gesellschaftlichen Realitäten erfordern eine sensible, aber bestimmte Neugestaltung der britisch-europäischen Beziehungen. Ob es gelingen wird, durch einen neuen Ton eine stabile Partnerschaft aufzubauen, bleibt abzuwarten. Klar ist jedoch, dass die Erwartungen an die Labour-Regierung hoch sind, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen und eine zukunftsgewandte Politik zu etablieren.
– NAG