Die politische Landschaft in Thüringen verändert sich nach den jüngsten Wahlen in dramatischer Weise. Mit der AfD, die als stärkste Kraft im neuen Landtag hervorgegangen ist, rücken zentrale Fragen zur Regierungsbildung und zur zukünftigen politischen Strategie in den Fokus. Die Herausforderung, eine funktionsfähige Regierung zu bilden, die ohne die Unterstützung von AfD-Abgeordneten auskommt, könnte zu einem zähen und komplizierten Prozess werden.
Am 1. Oktober 2024, spätestens 30 Tage nach der Wahl, muss der thüringische Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammenkommen. Diese Sitzung wird entscheidend dafür sein, wie die politische Arbeit in den kommenden Jahren gestaltet werden kann. Der Alterspräsident, in diesem Fall der 73-jährige Jürgen Treutler von der AfD, wird die Sitzung leiten. In dieser Funktion wird er zunächst vorläufige Schriftführer ernennen und sicherstellen, dass die Mitglieder des Landtags anwesend sind, um die Beschlussfähigkeit zu prüfen.
Die Wahl des Landtagspräsidenten
Eine der ersten Hürden wird die Wahl des Landtagspräsidenten sein. Der Vorschlag kommt von der stärksten Fraktion, in diesem Fall der AfD. Dennoch ist die Wahl nicht garantiert; ein Kandidat benötigt die Mehrheit der Stimmen, um gewählt zu werden. Sollte die AfD hier scheitern, bleibt unklar, wie viele Versuche unternommen werden können, um einen geeigneten Kandidaten zu finden. Die Geschäftsordnung sieht zwar vor, dass weitere Vorschläge unterbreitet werden können, jedoch sind die genauen Abläufe nicht umfassend geregelt.
Eine spannende Frage wird sein, wie der Alterspräsident mit dieser Situation umgeht. Es ist denkbar, dass er die AfD immer wieder das Vorschlagsrecht für den Präsidenten einräumt, wodurch eine Möglichkeit zur politischen Blockade entstehen könnte.
Die Wahl des Ministerpräsidenten
Ein weiteres zentrales Thema ist die Wahl des Ministerpräsidenten. Verfassungsrechtler stellen die Frage, was passiert, wenn kein Kandidat der AfD die erforderliche Stimmenanzahl für die Wahl des Landtagspräsidenten erhält. Eine solche Ungewissheit könnte auch Auswirkungen auf die Ministerpräsidentenwahl haben, insbesondere wenn der Alterspräsident diese entgegen der geltenden Geschäftsordnung einberuft. Im ersten und zweiten Wahlgang benötigt ein Kandidat eine absolute Mehrheit, was für die AfD mit nur 32 Stimmen recht problematisch sein dürfte.
Im dritten Wahlgang könnte jedoch die Situation umschwenken. Sollten sich die Stimmen der anderen Parteien auf mehrere Kandidaten verteilen, könnte es der AfD gelingen, durch einen eigenen Kandidaten die meisten Ja-Stimmen zu erzielen, auch ohne eine absolute Mehrheit zu erreichen.
Die Bedeutung der Sperrminorität
Die AfD hat durch ihre 32 Sitze eine Sperrminorität erlangt, das bedeutet, sie kann wichtige Entscheidungen blockieren, bei denen eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich ist. Entscheidungen über Verfassungsänderungen, Wahlen von Verfassungsrichtern oder die Auflösung des Landtags könnten so im nächsten Kontext ohne die Stimmen der AfD nicht getroffen werden.
Das gibt der AfD erhebliche Macht und ermöglicht es ihr, ihren Einfluss geltend zu machen, selbst wenn sie nicht in der Regierung ist. Beispielsweise benötigt der Richterwahlausschuss eine Zustimmung, die mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgt – und da wird die Rolle der AfD entscheidend sein.
Außerdem könnte die AfD auch die Verwaltung des Landes Rechnungshofes betreffen, da die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten ebenfalls mit Zwei-Drittel-Mehrheit erfolgt. Hier zeigt sich die tiefgreifende Auswirkung der politischen Konstellation auf die arbeitsfähige Ausführung der Regierungsaufgaben in Thüringen.
Wenn die Parteien keine Einigung erzielen können, dann könnte es zu Neuwahlen kommen. Dabei ist zu beachten, dass die Thüringer Verfassung nur zwei Wege für Neuwahlen vorsieht, was die Situation zusätzlich verkompliziert.
Dem Verfassungsgerichtshof kommt eine bedeutende Rolle in den anstehenden politischen Auseinandersetzungen zu. Das Gericht hat die Möglichkeit, im Falle von Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Organen der Landesregierung zu entscheiden, ob bestimmte Handlungen verfassungswidrig waren. Doch angesichts der Struktur des Gerichts und der rechtlichen Verfahren, die oft Monate dauern können, könnte dies der nächste Zankapfel in einem ohnehin spannungsgeladenen Prozess werden.