Nach dem Anschlag in Solingen hat der Deutsche Richterbund (DRB) dringenden Handlungsbedarf in der deutschen Sicherheitsarchitektur erkannt. Die jüngsten Ereignisse zeigen, dass es umfassende Reformen in der Inneren Sicherheit braucht. Dies wird von DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn klar angesprochen. In einem Interview mit der „Bild am Sonntag“ erklärte er, dass ein „großer Wurf für die Innere Sicherheit“ notwendig sei, um die verschiedenen Institutionen wie Polizei, Verfassungsschutz und justizielle Behörden effektiv miteinander zu verknüpfen.
Rebehn stellt fest, dass die bestehenden Befugnisse der Behörden oft nicht ausreichen, um den heutigen Herausforderungen gerecht zu werden. Zudem mangelt es an personellen Ressourcen, was sich negativ auf die Rechtsdurchsetzung auswirkt. Ein Investitionspakt, der sowohl Bund als auch Länder einbezieht, sei daher „dringend notwendig“. Ziel sei es, das Vertrauen der Bevölkerung in den Rechtsstaat zu verbessern, das durch die gestiegenen Kriminalitätszahlen in den letzten Jahren stark erschüttert wurde.
Rasant steigende Fallzahlen stellen Justiz vor massive Herausforderungen
Eine aktuelle Auswertung des Richterbundes offenbart alarmierende Statistiken: Im letzten Jahr wurden bei den Staatsanwaltschaften insgesamt 5,5 Millionen neue Fälle registriert. Das sind etwa 350.000 Fälle mehr als im Vorjahr und rund 860.000 mehr als vor einem Jahrzehnt. Zum Jahresende blieben 923.000 Verfahren unerledigt – ein Anstieg um ein Viertel im Vergleich zu 2021. Die Verfahrenszahlen zeigen, dass weniger als jedes 15. Verfahren in der ersten Jahreshälfte in eine Anklage mündete. 2013 lag dieser Wert noch bei jedem zehnten Fall.
Zusätzlich dazu beklagt der Richterbund, dass es in den Staatsanwaltschaften an 2.000 Ermittlern fehlt. Diese Personallücke ist nicht nur ein Hindernis für die effektive Kriminalitätsbekämpfung, sondern führt auch zu einem Verfahrensstau, der die Dauer von Prozessen erheblich verlängert. Rebehn warnt, dass die Justiz sich mehr denn je als Flaschenhals in der Kriminalitätsbekämpfung und der Steuerung von Migrationsverfahren erweisen kann, sollten keine spürbaren Fortschritte in der personellen und technischen Ausstattung gemacht werden.
Ein weiterer wichtiger Punkt, den der DRB-Geschäftsführer anspricht, ist die Notwendigkeit, Asylklagen effizienter zu bearbeiten. Um das Ziel zu erreichen, alle Asylverfahren innerhalb weniger Monate abzuschließen, werden deutschlandweit etwa 500 zusätzliche Verwaltungsrichter benötigt. Momentan kämpfen die Richter mit Aktenbergen, die bis in die Jahre 2016 und 2017 zurückreichen. Diese unhaltbare Situation erfordert zeitnahe Reformen und eine bessere Ausstattung der Justiz.
Der DRB fordert nicht nur mehr Personal, sondern auch eine grundlegende Reform der rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen. Um das Sicherheitsversprechen des Staates zu erfüllen, ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig, der alle relevanten Institutionen einbezieht. Nur so kann langfristig das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Rechtsstaatlichkeit und die effektive Handhabung von Rechtsangelegenheiten wiederhergestellt werden.