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Polizei NRW: 2023 Rückgang der Gruppenvergewaltigungen um 17%

In Nordrhein-Westfalen wurden 2023 insgesamt 209 mutmaßliche Gruppenvergewaltigungen registriert, wobei über die Hälfte der Tatverdächtigen keinen deutschen Pass hatte; jedoch betont Soziologe Dirk Baier, dass viele Tatverdächtige mit Migrationshintergrund in Deutschland geboren und sozialisiert wurden, und ruft dazu auf, den Fokus auf tiefere Ursachen wie Werte und Männlichkeitsnormen zu legen.

Im Jahr 2023 registrierte die Polizei in Nordrhein-Westfalen 209 mutmaßliche Gruppenvergewaltigungen. Mehr als die Hälfte der ermittelten Tatverdächtigen hatte keinen deutschen Pass. Aber auch bei einigen Tatverdächtigen mit deutschem Pass deuten die Vornamen auf einen Migrationshintergrund hin. Doch ein Soziologe beschwichtigt.

Die AfD zeigte sich angesichts der Zahlen alarmiert und sprach in ihrer Anfrage von einer „erschreckenden Entwicklung“

© IMAGO / Fotostand

Düsseldorf. – Im Jahr 2023 registrierte die Polizei in Nordrhein-Westfalen insgesamt 3.383 Fälle von Vergewaltigung, darunter 209 Fälle, die als Gruppenvergewaltigung eingestuft werden könnten. Diese Einordnung ist jedoch schwierig, da der Begriff „Gruppenvergewaltigung“ kein feststehender juristischer Begriff ist. Die Landesregierung hat auf Anfrage der AfD eine Sonderauswertung vorgenommen und dafür Fälle gezählt, an denen mehrere Tatverdächtige beteiligt waren. Im Vergleich zum Vorjahr sank die Zahl solcher Delikte um mehr als 17 Prozent – 2022 wurden noch 246 Fälle registriert.

„Erschreckende Entwicklung“

Von den 155 in diesen Fällen ermittelten Tatverdächtigen hatten 84 keinen deutschen Pass. Elf von ihnen stammten aus Syrien, acht aus dem Kosovo und sieben aus Afghanistan. Bei 71 Tatverdächtigen handelte es sich um deutsche Staatsangehörige, wobei die AfD auch die Vornamen dieser Tatverdächtigen erfragte. Von diesen 71 Namen könnten etwa 25 als türkisch oder arabisch interpretiert werden, was knapp zwölf Prozent der Gesamtzahl der Tatverdächtigen entspricht.

Die AfD zeigte sich angesichts dieser Zahlen alarmiert und sprach in ihrer Anfrage von einer „erschreckenden Entwicklung“. Bereits im Januar hatte die Partei im Bundestag nach der Zahl der Gruppenvergewaltigungen und dem Anteil ausländischer Tatverdächtiger gefragt. Eine Statistik des Bundeskriminalamtes von 2022 hatte damals einen Anstieg der Sexualdelikte gezeigt, wobei der Anstieg bei deutschen Tatverdächtigen besonders auffällig war. Genauere Angaben zu den Tatorten und den Opfern machte die Statistik jedoch nicht.

„Als Deutsche zu werten“

Dirk Baier, Soziologe und Leiter des Instituts für Delinquenz und Kriminalprävention in Zürich, äußerte sich im WDR skeptisch zur Interpretation der Daten. Für ihn sind die abgefragten Vornamen der deutschen Tatverdächtigen wenig aussagekräftig. „Wir reden hier nicht über Flüchtlinge“, betonte er und erklärte, dass viele der genannten Tatverdächtigen vermutlich in Deutschland geboren und aufgewachsen seien.

„Ich finde das schwierig, weil viele dieser Personen sind eingebürgerte Deutsche, sind höchstwahrscheinlich in Deutschland geboren, aufgewachsen, haben also ihre Sozialisation in Deutschland erlebt. Und von daher sind sie eigentlich als Deutsche auch zu werten und einzugruppieren, wie das die Kriminalstatistik ganz richtig macht“, so Baier. Die Rückschlüsse der AfD auf den Migrationshintergrund der Tatverdächtigen hält Baier für fragwürdig.

2023 gab es in NRW 209 Gruppenvergewaltigungen. Auf Anfrage der AfD hat die Landesregierung die Vornamen der deutschen Tatverdächtigen veröffentlicht. Für Soziologe Dirk Baier ist die Liste der Vornamen nur wenig aussagekräftig.www1.wdr.de/nachrichten/la…

Statt die Debatte auf Nationalität und Migrationshintergrund zu fokussieren, forderte Baier, die tatsächlichen Ursachen von Kriminalität zu analysieren. Er plädierte dafür, Werte und Männlichkeitsnormen in den Blick zu nehmen, die in vielen Fällen zu kriminellem Verhalten führen könnten. Insbesondere das Verständnis von Männlichkeit, das manche junge Männer dazu verleite, sich über Frauen zu erheben, müsse hinterfragt werden. „Wenn wir das angehen, können wir in den Köpfen etwas verändern“, so Baier. Die Diskussion über Vornamen oder Nationalitäten hält er in diesem Zusammenhang für wenig zielführend.

Kritik an Baiers Analyse

In den Kommentaren unter dem kurzen Ausschnitt aus der Aktuellen Stunde des WDR, der auch auf X geteilt wurde, kritisieren einige Nutzer seine Aussagen. „So einfach ist das nicht. Sie werden eben auch in ihren Familien sozialisiert. Und wenn bestimmte Leute überproportional vertreten sind, gibt es ein Problem, über das man reden muss“, schreibt eine Nutzerin. Andere werfen dem Soziologen vor, seine Analyse sei oberflächlich. „Wenn ein Experte für die Stromversorgung so unfähig wäre, säßen wir alle im Dunkeln“ oder „Gibt es etwas zu beschönigen, ist Dirk Baier immer ganz vorne mit dabei. Guter Mann für die Vertuschungsmedien“, werden zwei Nutzer etwas deutlicher.

Baier hatte in den vergangenen Wochen bereits mit anderen Äußerungen für Aufregung und Kopfschütteln gesorgt, etwa zur Zunahme von Messerdelikten in Deutschland oder nach der tödlichen Messerattacke in Solingen. So hatte er auf die Frage, warum die Messergewalt in Deutschland zunehme, erklärt, dass es dafür noch keine wirkliche Erklärung gebe, ein möglicher Grund aber die gestiegenen Lebenshaltungskosten seien (FREILICH berichtete).

Nach der Messerattacke in Solingen sagte er auf die Frage, inwieweit Täter oder Tatverdächtige bestimmten Milieus zugeordnet werden könnten: „Es wird in den letzten Wochen natürlich sehr intensiv über die Frage der Staatsangehörigkeit beispielsweise gesprochen, was man aber sagen muss, das Merkmal, was viele dieser Tatpersonen verbindet, ist das Geschlecht. Es sind also in erster Linie Männer, und es sind junge Männer, die auf Messer zurückgreifen, die in Messern irgendeine Faszination finden, damit ihre Männlichkeit unterstreichen können und damit auch, wie wir das jetzt leider sehen mussten, geplant Straftaten begehen. Es ist also mehr das Geschlecht, über das wir uns Gedanken machen müssen als über die Staatsangehörigkeit.“ (FREILICH berichtete)

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