Am 2. September 1849 fand in Königswinter ein bemerkenswertes Ereignis statt, das den Grundstein für die sportliche Entwicklung der Region legte. Vor der imposanten Chorruine Heisterbach versammelten sich rund 400 Turner aus dem Rheinland, um am ersten Sportfest im heutigen Rhein-Sieg-Kreis teilzunehmen. Dieses Fest zog über 2000 Zuschauer an und darf als ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte des Sports im Rheinland gelten.
Die Anreise zu diesem historischen Ereignis war keine leichte Aufgabe. Zu jener Zeit endete die Bahnstrecke aus Köln in Bonn, und es existierten weder eine rechtsrheinische Bahnverbindung noch eine Brücke. Die meisten Besucher und Sportler mussten daher mit Dampfschiffen anreisen, die in Königswinter landeten. Von dort aus galt es, etwa eine Stunde zu Fuß zur Ruine Heisterbach zu marschieren – ein echtes Abenteuer für die damaligen Teilnehmer.
Kölner Turnverein von 1843 und die ersten Schritte des Turnens
Das Sportfest wurde durch den Kölner Turnverein von 1843 ins Leben gerufen, unterstützt von der Turngemeinde Königswinter. In einer Zeit, in der das Turnen als aufstrebende Bewegung galt, entstanden bereits 1817 in Städten wie Siegburg, Bonn und Königswinter die ersten Sportstätten. Doch die Entwicklung nahm einen abrupten Halt, als der preußische König Friedrich Wilhelm III. im Jahr 1821 ein Verbot erließ, das den Sport stark einschränkte. Erst im Jahr 1840, als Friedrich Wilhelm IV. an der Macht war, wurde dieses Verbot wieder aufgehoben und der Weg für die Wiederbelebung des Turnens geebnet.
Die politische Situation der damaligen Zeit stellte jedoch eine Herausforderung dar. Es war schwierig, breite Unterstützung für die Turnvereine zu gewinnen. Das Sportfest an der Chorruine, bei dem Disziplinen wie Barrenturnen, Reckturnen und Hochsprünge angeboten wurden, stellte einen Wendepunkt dar. Es war der Beginn einer Bewegung, die heute nicht mehr aus der deutschen Sportlandschaft wegzudenken ist.
Wolfgang Rehmer, ein Sporthistoriker aus Niederkassel, merkt dazu an: „Die Resonanz war überwältigend.“ Während lokale Zeitungen das Ereignis kleinredeten, erkannte die Leipziger Illustrierte Zeitung vier Wochen später die Bedeutung des Turnfestes und veröffentlichte einen ganzseitigen Artikel, der die Leistung der Teilnehmer würdigte.
Ein Meilenstein der Wettkämpfe
Das Sportfest in Heisterbach war nicht nur ein Schaufenster der Turnkünste, sondern beinhaltete auch einen Wettbewerb, bei dem die Turner gegeneinander antraten. Anders als heute gab es damals noch keine Kampfrichter und die Ergebnisse wurden nicht gemessen. Der Gewinner, ein Turner namens Lauten aus Frankfurt, wurde durch Abstimmung von seinen Kollegen gewählt, was zeigt, wie gemeinschaftlich und nachfolgenden Wertschätzungen der Wettbewerb gestaltet war. Rehmer hebt hervor, dass es bemerkenswert sei, dass in diesem ersten Turnfest noch keine Laufwettbewerbe stattfanden – diese sollten erst viel später, durch die Apsis der Chorruine, ihren Weg in das Turnen finden.
Leider währte der Erfolg nicht lange. Nur zwei Jahre nach dem ersten festlichen Turnen wurden die Turngemeinden aufgrund politischer Repressionen wieder gezwungen, sich aufzulösen. Erst in den 1860er Jahren kam es zu einer Wiederbelebung des Turnens in der Region, als die ersten Vereine in Bonn und Siegburg gegründet wurden.
Rehmer zieht ein Fazit: „Dieses Turnfest vor 175 Jahren war ein Meilenstein für den Sport in unserer Region.“ Es bildet die Grundlage für die organisierte Sportbewegung im Rheinland und erinnert uns an die Wurzeln des Sports, die tief in der Kultur der Region verankert sind. An diesem Jubiläum wird die Wichtigkeit des Erbes des Sports in der Region erneut deutlich, und die Bedeutung, diese Traditionen zu bewahren, wird durch die Rückblicke auf die Pionierarbeit vorteilhaft verstärkt.