Saarland

Tierarztpraxen im Saarland: Inhabergeführt oder investorengeführt?

Trotz des bundesweiten Trends zu investorengestützten Tierarztpraxen bleibt das Saarland mit überwiegend inhabergeführten Praxen eine Ausnahme, was angesichts des bestehenden Personalmangels und möglicher Kostensteigerungen in der Tiermedizin von großer Bedeutung ist.

Stand: 21.08.2024 06:33 Uhr

Im Saarland ist das Bild der Tierarztpraxen und -kliniken nach wie vor von einer starken inhabergeführten Tradition geprägt. Während auf Bundesebene immer größere Betreiberketten wie Mars und Nestlé in den Markt drängen und zahlreiche Praxen aufkaufen, bleibt das Saarland bislang weitgehend verschont von dieser Entwicklung. Die saarländische Tierärztekammer sieht diesen Trend mit Skepsis.

Von insgesamt 108 Tierarztpraxen und zwei Tierkliniken im Saarland gehört lediglich eine Praxis und eine Klinik zu einer Betreiberkette. Diese Zahlen zeigen eindringlich, dass der Markt hier sehr stabil und geprägt von lokalem Engagement ist. In einer Zeit, in der viele Tierärzte in große Konzernstrukturen integriert werden, bleibt das klassische, persönliche Angebot scheinbar konkurrenzfähig.

Nachfolgemangel als Herausforderung

Dennoch: der Nachfolgemangel ist ein zentrales Problem, das nicht ignoriert werden kann. Im Saarland gibt es bereits jetzt zu wenige tiermedizinische Fachkräfte. Die Tierärztekammer warnt vor einem eklatanten Personalmangel, der die Versorgung von Haustieren in Gefahr bringen könnte. Es stellt sich somit die Frage, wie sich in Zukunft die Nachfolge in den Praxen gestalten lässt, wenn keine geeigneten Nachfolger gefunden werden können.

Ein Lösungsansatz könnte die Übernahme durch Investoren sein. Der Präsident des Europäischen Tierärzteverbandes, Siegfried Moder, befürwortet diesen Ansatz, da er einen möglichen Verlust von Praxen verhindern könnte. Wenn eine Arztpraxis nicht mehr selbsterhaltend geführt werden kann, könnte ein Investor die notwendige finanzielle Unterstützung bieten, um den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Kritiker der investorengeführten Praxen warnen jedoch vor möglichen Nachteilen. Sie befürchten, dass die medizinische Entscheidungsmacht möglicherweise nicht mehr vollständig in den Händen von Tierärzten liegt, sondern verstärkt durch finanzielle Interessen beeinflusst wird. Diese Bedenken wurden sogar in Frankreich in den höchsten Gerichten diskutiert, als dort ähnliche Entwicklungen anstanden.

Kritik an der Entwicklung

Die saarländische Tierärztekammer zeigt sich besorgt über die steigenden Behandlungskosten, die mit einer Zunahme von Betreiberketten möglicherweise einhergehen könnten. Eine stärkere Marktbeherrschung durch große Unternehmen könnte eine Erhöhung der Preiskompetenz zur Folge haben, was für viele Haustierbesitzer in einer ohnehin empfindlichen Preissituation problematisch wäre.

Die Herausforderungen, die im Zusammenhang mit der Übernahme von Tierarztpraxen durch Investoren stehen, sind komplex und vielschichtig. Während einerseits die Sorge um die tiermedizinische Versorgung bei gleichbleibend hohem Standard im Fokus steht, zeigt die Realität, dass vor allem die Sicherstellung einer stabilen Nachfolge geplant und strategisch angegangen werden muss. Die aktuelle Situation im Saarland könnte vielleicht als Vorbild für andere Regionen dienen, die ähnliche Probleme bewältigen müssen.

Trotz der potenziellen Vorteile, die eine Investoreneinbindung zu bieten schienen, schwingt die Sorge um die Tiergesundheit und die ethischen Standards in der Tiermedizin mit und wird weiterhin eine wichtige Rolle in der Debatte spielen. Das Augenmerk auf die inhabergeführten Praxen im Saarland ist vielleicht ein Zeichen für den Wunsch nach einer persönlichen und verlässlichen tiermedizinischen Versorgung für alle Haustierbesitzer.

Gerade im aktuellen Gesundheitsbereich spielt die Tiermedizin eine entscheidende Rolle. Laut der Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) hat die Gesundheit von Tieren direkte Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, vor allem wenn es um zoonotische Krankheiten geht, die zwischen Tieren und Menschen übertragen werden können. Dies unterstreicht die Bedeutung gut geführter Tierarztpraxen, die möglicherweise unter dem Einfluss von Investoren leiden könnten.

Die Übernahme von Tierarztpraxen durch Betreiberketten könnte auch Auswirkungen auf die Ausbildung junger Tierärzte haben. Ein Bericht der Bundesärztekammer zeigt, dass in den letzten Jahren viele angehende Tierärzte in der beruflichen Praxis nicht mehr die nötige Unterstützung durch erfahrene Kollegen erhalten, wenn diese Praxen in größere Strukturen integriert werden. Dies könnte sich negativ auf die Qualität der tierärztlichen Versorgung auswirken, besonders in ländlichen Gebieten, wo lokale Praxen oftmals die erste Anlaufstelle für Tierbesitzer sind.

Einfluss der Industrie auf die Tiermedizin

Ein weiterer kritischer Punkt ist der potenzielle Einfluss der Industrie auf tiermedizinische Entscheidungen. Der Deutsche Tierschutzbund hat in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass in Ländern, in denen große Konzerne die Tierarztpraxen übernommen haben, eine Beeinträchtigung des Tierschutzes beobachtet wurde. Es wird befürchtet, dass finanzielle Überlegungen die medizinischen Entscheidungen überlagern könnten, was im Widerspruch zu den ethischen Grundsätzen der Tiermedizin steht.

Diese Problematik könnte auch die Tierhalter vor Herausforderungen stellen. Der Zugang zu qualitativ hochwertiger tierärztlicher Versorgung könnte enger und nicht mehr so flexibel gestaltet sein, wie in inhabergeführten Praxen, wo häufig individuelle Lösungen für spezifische Problemstellungen gefunden werden. Dies könnte in der Folge das Vertrauen der Tierbesitzer in die tiermedizinische Versorgung beeinträchtigen.

Zusätzlich überprüfen viele Tierärzte die Preisgestaltung und -transparenz der großen Gruppen, die oft lukrative aber möglicherweise nicht optimal auf die Tiergesundheit abgestimmte Angebote machen. Dies hat bereits zu einer Debatte innerhalb der zahnmedizinischen Gemeinschaft geführt und könnte auch in der Tiermedizin zum Thema werden, wenn sich diese Tendenzen weiter fortsetzen.

Aktuelle Statistiken zum Tierarztmangel

Laut einer Umfrage des Deutschen Tierärztetages aus 2023 könnte der Mangel an Tierärzten, insbesondere in ländlichen Regionen, dramatische Ausmaße annehmen. Demnach könnte bis 2025 ein Rückgang von bis zu 30 Prozent der praktizierenden Tierärzte prognostiziert werden. Diese Situation wird durch die demografische Alterung der heutigen Tierärzte und die fehlende Attraktivität des Berufs für junge Absolventen verschärft.

Die Umfrage schildert weiter, dass derzeit etwa 40 Prozent der Tierarztpraxen einen Nachfolgerkampf zu bewältigen haben. Diese Zahlen verdeutlichen die Dringlichkeit, Lösungen für den drohenden Personalmangel zu entwickeln, die möglicherweise auch die Diskussion über die Rolle von Investoren in der Tiermedizin beeinflussen könnten.

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