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DDR-Flüchtlinge: Schlüssel zur Friedlichen Revolution in Sachsen-Anhalt

Johannes Beleites würdigt zum 35. Jubiläum der Friedlichen Revolution in Magdeburg die bedeutende Rolle von DDR-Flüchtlingen und Ausreisewilligen, die entscheidend zur Veränderung des politischen Systems in Deutschland beigetragen haben.

Die Erinnerung an die Friedliche Revolution vor 35 Jahren wird in Magdeburg mit einer wichtigen Feierlichkeit gewürdigt. Der sachsen-anhaltische Aufarbeitungsbeauftragte Johannes Beleites betont die entscheidende Rolle der zahlreichen DDR-Flüchtlinge und Ausreisewilligen, die maßgeblich zum Sturz des DDR-Regimes beigetragen haben. In einem exklusiven Interview verdeutlicht er, dass ohne diese Menschen der Widerstand nicht die gleiche Dynamik erzielt hätte. Laut Beleites bildeten die Bürgerrechtler zwar die Spitze des Movements, doch die Flüchtlinge stellten die kritische Masse dar, die notwendig war, um Veränderungen herbeizuführen. Sie hatten schlichtweg „nichts zu verlieren“, was ihren Mut und ihren unermüdlichen Einsatz umso bemerkenswerter machte.

Die Feierstunde, zu der Landtagspräsident Gunnar Schellenberger eingeladen hat, findet am Dienstag statt. Anwesend sein werden unter anderem die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas und Johannes Beleites. Im Mittelpunkt der Veranstaltung steht der „35 Jahre Friedliche Revolution. Protest gegen die SED-Diktatur. Flucht über die Prager Botschaft. Mauerfall“. Diese Rekapitulation der Geschichte bietet nicht nur einen Rückblick auf die Ereignisse, die zur Wiedervereinigung führten, sondern auch einen Blick in die Zukunft der gesellschaftlichen Diskussionen.

Historische Wendepunkte

Ein zentraler Moment in der deutschen Geschichte fand am 30. September 1989 statt, als Außenminister Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der bundesdeutschen Botschaft in Prag zu den zusammengepferchten DDR-Bürgern sprach. „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise…“ schallte sein berühmter Satz über den Platz, gefolgt vom Jubel der Anwesenden. Diese Worte symbolisierten eine Wende: Die Hoffnung auf Freiheit und die Möglichkeit, das Leben in einem demokratischen System zu führen, rückte in greifbare Nähe. Nicht lange danach, am 9. Oktober 1989, gingen in Leipzig 70.000 Menschen auf die Straßen, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Der Aufruf „Wir sind das Volk – keine Gewalt“ wurde zum verbindenden Motto dieser bewegten Zeit.

Beleites reflektiert auch die Umstände der damaligen Ereignisse in Magdeburg, das unmittelbar nach den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen zur Feier der Revolution einlädt. Es ist für ihn entscheidend, die Notwendigkeit desDialogs zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen zu betonen. „Die Friedliche Revolution wäre nicht friedlich geblieben, wenn es nicht beide Seiten gegeben hätte“, erklärt Beleites. Er hebt hervor, dass der gewaltfreie Widerstand von Polizisten, der Stasi und den sowjetischen Truppen einen wesentlichen Beitrag zur Stabilität der Situation geleistet hat. Sie hatten die Möglichkeit, in den Konflikt einzugreifen, und doch geschah dies nicht. Ein Zeichen von Besonnenheit, für das Beleites dankbar ist.

Aufruf zu mehr Dialog

In Anbetracht der gegenwärtigen gesellschaftlichen Spannungen fordert Johannes Beleites einen stärkeren Dialog zwischen den verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Gruppen. „Auch die äußeren Enden müssen gesprächsfähig sein“, erklärt der 57-Jährige. Eine Plattform für den Dialog sei notwendig, um das gegenseitige Verständnis zu fördern. Beleites sieht in den Kirchen, ähnlich der Nikolaikirche in Leipzig, mögliche Orte für solche Gespräche. Seine Kritik an den kirchlichen Institutionen ist deutlich: „Die Kirchen beziehen Position und grenzen sich ab, statt ihre Türen für alle zu öffnen.“

Johannes Beleites, seit dem 8. April 2024 im Amt, hat sich schon in den 1980er Jahren aktiv in der oppositionellen kirchlichen Umwelt- und Friedensbewegung engagiert. Er erzählt, dass die Stasi ihn verfolgte und ihm zunächst die Zulassung zum Abitur verweigerte. Trotz dieser Rückschläge wurde er Elektromonteur und studierte nach 1990 Rechtswissenschaften in Göttingen und Berlin. Seine Arbeit nach der friedlichen Revolution fokussierte sich auf die Aufarbeitung des Unrechtsregimes in der DDR, was zu seiner heutigen Position führte. Als freier Mitarbeiter in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und in der Abteilung Bildung und Forschung der Gauck-Behörde hat er sich intensiv mit der DDR-Geschichte auseinandergesetzt.

Die anstehende Feier in Magdeburg ist somit nicht nur eine Erinnerung an die Vergangenheit, sondern auch ein Aufruf zur aktiven Gestaltung der Zukunft, durch mehr Gespräche und ein offenes Ohr für alle Stimmen in der Gesellschaft.

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