Im kommenden Jahr, genauer gesagt am 1. September 2024, steht Thüringen vor einer richtungsweisenden Landtagswahl. Die politischen Strömungen im Bundesland haben sich über die letzten Monate stark verändert, und besonders die AfD mit ihrem Landeschef Björn Höcke scheint, laut aktuellen Umfragen, eine dominierende Rolle einnehmen zu wollen. Die Frage, die sich hier aufdrängt, ist: Was könnte passieren, wenn die AfD tatsächlich als stärkste Kraft aus dieser Wahl hervorgeht? Um diese Entwicklung besser einordnen zu können, lohnt sich ein Blick in die Geschichte.
Vor rund einhundert Jahren erlebte Thüringen bereits eine bedeutende Wahl, die als Schicksalswahl in die Geschichte einging. Am 10. Februar 1924 fanden die Bürgerinnen und Bürger in Thüringen sich in einer politischen Situation wieder, in der die bürgerlichen und konservativen Parteien alles daransetzten, die damalige Linksregierung aus KPD und SPD abzulösen. Obwohl eine solche Mobilisierung angestrebt wurde, konnten die bürgerlichen Parteien keine absolute Mehrheit gewinnen und mussten sich letztendlich mit der „Vereinigten Völkischen Liste“ arrangieren, einer antisemitischen Gruppierung, zu der auch Mitglieder der später verbotenen NSDAP gehörten.
Die Parallelen zur Gegenwart
Der Historiker Andreas Braune von der Universität Jena zieht heutige Vergleiche zu den damals stattfindenden politischen Strömungen und warnt vor ähnlichen Entwicklungen: „Wenn die Rechten dann erst einmal an der Macht sind, werden sie alles dafür tun, sozusagen eine Gegenöffentlichkeit, eine Gegen-Zivilgesellschaft in ihrem Sinne aufzubauen.“ Höckes Vorstellungen vom Ideologiestaat zeigen dabei erschreckende Parallelen zu den Ideologien des frühen 20. Jahrhunderts, die letztendlich in den Nationalsozialismus mündeten.
Die Entwicklungen der Weimarer Republik sind nicht nur eine Fußnote der Geschichte, sie sind bis heute relevant. Die Taten und Forderungen von Björn Höcke können als Teil eines größeren Trends verstanden werden, der in der Vergangenheit seine dunklen Wurzeln hatte. Dies ist ein Anlass für viele Aktive, sich der aktuellen Gefahr entgegenzustellen.
Engagement gegen Rechts
Ein weiterer Akteur in diesem bedrängten politischen Umfeld ist Jens-Christian Wagner von der Gedenkstätte Buchenwald. Er hat entschieden, AfD-Politikern Hausverbot auf dem Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers zu erteilen. Diese Taten erregten Aufsehen und führten zu Forderungen, Wagner solle von seinem Posten enthoben werden. Doch Wagner bleibt standhaft. Er beschreibt Höckes Agenda als völkisches Konzept: „Wir wissen, zu welchen Folgen das geführt hat im Nationalsozialismus. Deshalb sollten wir da sehr wachsam sein.“
Ein Blick in die Zukunft
Die bevorstehenden Wahlen in Thüringen sind mehr als nur ein politischer Wettbewerb. Sie werfen einen Schatten auf die Lehren aus der Geschichte, die wir nicht vergessen dürfen. Das Engagement von Institutionen wie „Distanz e.V.“ und der Gedenkstätte Buchenwald zeigt, dass die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit auch heute von zentraler Bedeutung bleibt. Das Bestreben, die demokratischen Werte vor Rechtsradikalismus und Antisemitismus zu schützen, ist eine Aufgabe, die alle Generationen beeinflusst und mobilisiert.
Historische Entwicklungen und ihre Auswirkungen
Die politischen Ereignisse in Thüringen in den frühen 1920er Jahren zeigen eindrücklich, wie politische Strömungen und Allianzen eine Gesellschaft beeinflussen können. Die Anfänge der Weimarer Republik waren von politischer Instabilität geprägt, und der Aufstieg extremistischer Parteien führte zu weitreichenden gesellschaftlichen Veränderungen. Nach der Wahl von 1924 und der Tolerierung durch die „Vereinigte Völkische Liste“ erlebte Thüringen einen Anstieg antisemitischer Einstellungen und Diskriminierungen, die sich nicht nur gegen politische Gegner, sondern auch gegen ethnische und religiöse Minderheiten richteten.
Blickt man zurück, wird deutlich, dass solche ideologischen Strömungen, wie sie damals eintraten, heute durch die AfD ebenfalls angestoßen werden könnten. Der Historiker Andreas Braune warnt davor, dass eine Machtübernahme der AfD ähnliche untergraben würde, wie es in der Weimarer Republik der Fall war, als soziale Spannungen durch Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit verstärkt wurden. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass die heutige Gesellschaft über eine stärkere demokratische Kultur und mehr institutionelle Mechanismen verfügt, um extremistische Entwicklungen rechtzeitig zu erkennen und zu bekämpfen.
Aktuelle gesellschaftliche Reaktionen
Vereine wie „Distanz e.V.“ und Initiativen in Schulen spielen eine entscheidende Rolle bei der Bekämpfung von Antisemitismus und rechter Gewalt. Der Ansatz, proaktiv auf antisemitisches Verhalten zu reagieren, zeigt, dass es Bestrebungen gibt, gegen diese Entwicklungen zivilgesellschaftlich vorzugehen. Diese Organisationen sind in der heutigen Zeit nicht nur ein Zeichen des Widerstands, sondern auch ein wichtiger Bestandteil einer lebendigen Demokratie.
Die Gedenkstätte Buchenwald, unter der Leitung von Jens-Christian Wagner, stellt einen weiteren Pfeiler dar, um das Gedächtnis an die Gräueltaten des Nationalsozialismus wachzuhalten und eine ständige Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte zu fördern. Durch die Vergabe von Hausverboten an AfD-Politiker zeigt Wagner, dass das historische Bewusstsein auch in der Gegenwart wichtig bleibt. Seine klaren Worte, die AfD-Politik als völkisch und gefährlich zu kennzeichnen, sind ein starkes Signal gegen die Verdrängung der NS-Vergangenheit und geben zu denken.
Wahlen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft
Die bevorstehenden Wahlen in Thüringen könnten nicht nur die politische Landschaft, sondern auch die gesellschaftliche Stimmung nachhaltig beeinflussen. Umfragen zeigen ein wachsendes Interesse an rechtspopulistischen Ideen, was in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten nicht ungewöhnlich ist. Die Menschen suchen nach Lösungen und oft finden sie diese in einfachen, klaren Antworten, die extremistische Parteien liefern.
Die Sorge ist, dass eine mögliche Machtübernahme der AfD in Thüringen die Tür für eine Radikalisierung der Gesellschaft öffnen könnte. Gegenbeispiele aus anderen Bundesländern, in denen die AfD ebenfalls stark ist, zeigen, dass es häufig zu einer Polarisierung kommt, die nicht nur politische Debatten vergiftet, sondern auch den sozialen Zusammenhalt gefährdet. Eine solche Entwicklung stellt die Aufgaben der demokratischen Institutionen und der Zivilgesellschaft vor große Herausforderungen, um ein weiteres Auseinanderdriften der Gesellschaft zu verhindern.
Für den Erhalt einer funktionierenden Demokratie ist es unerlässlich, dass sowohl Bürger als auch Institutionen wachsam bleiben und sich kontinuierlich für die Werte und Rechte aller Mitglieder der Gesellschaft einsetzen.