Nele Waltering lebt seit April als einzige menschliche Bewohnerin auf der Hallig Norderoog im nordfriesischen Wattenmeer und hat sich damit einen einzigartigen Lebensstil geschaffen. Mit umgebender Natur und zahlreichen Vögeln genießt die 28-Jährige jede Minute dieses Abenteuers, weit weg vom hektischen Alltag. Ihre Aufgaben umfassen die Zählung und Beobachtung der Vogelpopulation, was für sie eine spannende Herausforderung ist.
Die kleinen Halligen, wie Norderoog, sind für ihre unberührte Natur bekannt und stehen unter dem Schutz von Naturschutzorganisationen. Waltering bringt eine Vorbildung mit, die ihrem Engagement zugutekommt. Nach ihrem Abitur hat sie ein Freiwilliges Ökologisches Jahr auf Sylt absolviert und studiert derzeit Umweltingenieurwissenschaften in Rostock. Die Liebe zur Natur und insbesondere zu den Vögeln wurde in dieser Zeit gefestigt.
Das Leben in der Abgeschiedenheit
Das Leben auf der Hallig stellt jedoch hohe Anforderungen. Waltering lebt in einem einfachen, mobilen Pfahlbau ohne fließendes Wasser. Für alltägliche Hygiene, wie Duschen und Waschen, ist sie auf die Hallig Hooge angewiesen, wohin sie regelmäßig durch das Watt wandert. Über den dortigen Lebensmittelladen versorgt sie sich mit frischen Lebensmitteln, während sie haltbare Vorräte im Frühjahr mitgebracht hat.
Ein großer Vorteil: Die Hallig ist mittlerweile mit WLAN ausgestattet. Dieser Schritt ermöglicht es Nele Waltering, ihre Erfahrungen und Beobachtungen zu teilen und die Öffentlichkeit über das Projekt Klimahallig zu informieren. Trotz dieser modernen Annehmlichkeiten gibt es Momente der Einsamkeit, doch sie erklärt, dass sie sich in der Natur nie verloren fühlt. „Es gibt so viel zu sehen, dass mir gar nicht langweilig wird“, sagt sie.
Vögel und ihre Brutfreudigkeit
Ein Hauptfokus ihrer Arbeit liegt in der Zählung von rastenden und brütenden See- und Küstenvögeln. Waltering erzählte begeistert von dem Lärm, den ein schwirrender Gänseschwarm macht und den beeindruckenden Anblick von vielen Vögeln, die plötzlich vom Boden abheben, wenn ein Raubvogel sich nähert. Doch nicht alle Erlebnisse waren positiv; Anfang Juni erlebte sie die sogenannte Kükenflut, ein Unglück, bei dem viele Küken und Eier durch Überflutung verloren gingen.
Waltering war gezwungen, diese widrigen Umstände zu dokumentieren und mit dem Trauma umzugehen, das sie dabei erlebte. Der Austausch mit vorherigen Vogelwarten erwies sich dabei als hilfreich, um emotionalen Ballast abzubauen. Trotz der schwierigen Situationen stellte sie fest: „Ich fühle mich hier nicht einsam, ich habe sogar schon einsamer unter Menschen gefühlt.“ Besuch ist in der Saison nur außerhalb der Brutzeit erlaubt, doch ihre beste Freundin hat sie bereits besucht, und ihr Freund plant ebenfalls einen Besuch.
Norderoog ist nur eine von vielen Vogelinseln, die in den deutschen Gewässern als Schutzgebiete für Vögel dienen. Zum Beispiel gibt es auch die Insel Trischen in Dithmarschen, wo seit 1909 Vogelschutz betrieben wird. Diese kleinen Paradiese sind alle für den Schutz von Brutstätten gedacht und bieten den Vögeln eine sichere Umgebung.
Insgesamt bleibt Nele Waltering bis Ende Oktober auf Norderoog. Während ihre Nachfolge bereits ausgeschrieben ist, hat sie sicher einige wichtige Lektionen aus ihrer Zeit im Wattenmeer gelernt. „Es ist ein großes Privileg, an einem so besonderen Ort sein zu dürfen“, stellt Paul-August Schult vom Verein Jordsand fest.
In einer Welt, die oft von Lärm und Hektik geprägt ist, bietet die ruhige Hallig Norderoog ein Winzeldorf, in dem der Rhythmus der Natur den Takt angibt. Wer sollte also nicht etwas von ihrer Vorliebe für die kleine Auszeit zwischen den Wellen und dem Gesang der Vögel lernen?