Wetteraukreis

Insolvenzverfahren der Spezialpapierfabrik: 200 Jobs in Gefahr

Die Spezialpapierfabrik in Ober-Schmitten muss aufgrund finanzieller Schwierigkeiten erneut ein vorläufiges Insolvenzverfahren beantragen, was rund 200 Beschäftigte in Ungewissheit stürzt und die regionale Wirtschaft stark belastet.

Die Spezialpapierfabrik in Ober-Schmitten, einst ein Hoffnungsträger im Wetteraukreis, steht erneut vor erheblichen Herausforderungen. Bereits am Mittwoch, dem 5. September 2024, wurde bekannt gegeben, dass die Geschäftsführer der Unternehmen ISH Paper und der Spezialpapierfabrik Ober-Schmitten ein vorläufiges Insolvenzverfahren beim Gericht in Friedberg beantragt haben. Eine beunruhigende Situation für die rund 200 Mitarbeiter und fünf Auszubildenden, die nun um ihre Zukunft bangen müssen.

Die Nachricht sorgte für Unruhe nicht nur in der Fabrik selbst, sondern auch in der gesamten Region Nidda. Das Werksgelände war am Nachmittag von besorgten Angestellten geprägt, die sich in kleinen Gruppen versammelten und sich gegenseitig austauschten. Während sie eine Zigarette rauchten, fragten sie sich, wie es so weit kommen konnte, nachdem die Hoffnung auf eine Wende durch die neue Leitung vor einem Jahr noch blühen konnte. Zu diesem Zeitpunkt lehnte sich das Unternehmen mit großen Plänen zurück – die Geschäftsführer hatten eine Investition von 500 Millionen Euro in eine fünfte Papiermaschine angekündigt.

Stark schwankende Perspektiven

Das Geschäftsführungsduo, bestehend aus Ilkem Sahin und Karani Gülec, hatte im April dieses Jahres noch große Pläne präsentiert. Sie argumentierten, dass die in Ober-Schmitten gefertigten Spezialpapiere gut in das Portfolio der IS Holding passen, das weltweit aktive Unternehmen umfasse zahlreiche Sektoren, darunter Lebensmittel, Medien und Maschinenbau. Alles schien auf dem richtigen Weg zu sein, und Sahin betonte die Arbeitsauffassung der deutschen Beschäftigten, die er hochschätzte.

Doch die folgenden Monate brachten zahlreiche Schwierigkeiten mit sich. Konflikte zwischen Gewerkschaftsvertretern und dem Management über Arbeitszeiten und Schichten belasteten die Atmosphäre. Weitere Unsicherheiten wurden durch Berichte über die Insolvenz anderer Firmen, die von der IS Holding übernommen wurden, sowie durch Schwierigkeiten bei der Übernahme einer Schokoladenfabrik hervorgerufen. Vor diesem Hintergrund schien das Vertrauen in die neue Geschäftsführung zu schwinden.

Die kommunikativen Probleme der Geschäftsführer, die immer weniger erreichbar waren, verstärkten die Verunsicherung. Astrid Rasner von der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) schilderte, dass die Geschäftsführung sich „völlig weggeduckt“ habe und auf Anfragen nicht mehr reagierte. Immer wieder wurden die Mitarbeiter von Zahlungsverzögerungen überrascht, so dass Löhne für August nicht pünktlich den Beschäftigten ausgezahlt wurden. Dies ging sogar so weit, dass auch einige Lieferanten auf ihr Geld warten mussten.

Hagen Knodt, der Werkleiter, war im Urlaub, als die Nachricht über die Insolvenzanmeldung ihn erreichte. „Das ist ein Schock, es zieht mir die Schuhe aus“, äußerte er sich betroffen. Vor einem Jahr war er zurückgeholt worden mit dem Versprechen, bestehende Probleme anzugehen. Doch die Kommunikation blieb aus, und er und die Mitarbeiter standen nun vor einem Scherbenhaufen.

Auch der Bürgermeister von Nidda, Thorsten Eberhard, zeigte sich entsetzt über die Situation. „Ich bin mega-enttäuscht, sprachlos und kann das Ganze noch nicht einordnen“, kommentierte er die überraschende Entwicklung. Vor einem Jahr hatten viele noch gehofft, dass die neuen Besitzer den Betrieb stabilisieren könnten. Eberhard bezeichnete die Vorfälle als unfair gegenüber den Mitarbeitern, die sich nun in einer extrem schwierigen Lage wiederfanden.

Die langjährigen Beschäftigten, wie Andreas Müth, der seit 33 Jahren im Unternehmen tätig ist, schauten mit gemischten Gefühlen auf die jüngsten Ereignisse. Er erinnerte sich an eine frühere Insolvenz vor 30 Jahren und berichtete, dass der hohe Investitionsbedarf ein ständiges Thema sei, während die Aufträge vorhanden wären. „Was uns noch fehlt, ist die entsprechende Gesetzgebung über die Plastiksteuer. Das wäre die ideale Lösung“, brachte er einen Punkt ins Spiel, der möglicherweise Auswirkungen auf die Zukunft der Produktion haben könnte.

Dennoch bleibt die Hoffnung, insbesondere bei Gewerkschaftsvertretern und dem Werkleiter, dass der Insolvenzverwalter in der Lage sein könnte, die Spezialpapierproduktion in Ober-Schmitten weiterzuführen. Es bleibt abzuwarten, wie die Entwicklung sich gestaltet und ob eine Wende zum Besseren möglich ist. Die am Standort tätigen Mitarbeiter müssen nun auf eine Lösung hoffen, während die Schockwelle der Insolvenz weiterhin durch die gemeinsam genutzten Räume und das Leben in der Region zieht.

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