Delfim Netto, ein herausragender Architekt der brasilianischen Wirtschaft, hat das Land während politisch turbulenter Zeiten geprägt und stirbt im Alter von 96 Jahren.
Delfim Netto: Ein Leben im Spannungsfeld von Macht und Wirtschaft
Der verstorbene Delfim Netto wird oft als einer der wichtigsten Köpfe des wirtschaftlichen Aufschwungs Brasiliens in den 1970er Jahren bezeichnet. Als Finanzminister von 1967 bis 1974 führte er das Land durch eine Phase des ungeahnten Wachstums. Im Kontext der damaligen Militärdiktatur war Netto jedoch ebenfalls eine umstrittene Figur, die sowohl hohe Anerkennung als auch heftige Kritiken erntete.
Bedeutung für die brasilianische Wirtschaft
Der gebürtige Enkel italienischer Einwanderer wird oft für die fast Verdopplung des brasilianischen Bruttosozialprodukts in seiner Amtszeit verantwortlich gemacht. Brasilien war damals als das „Schwellenland“ bekannt, das kurz vor dem Sprung zum Industrie-Nationen-Status stand, vergleichbar mit der heutigen Situation Chinas.
Ein umstrittener Minister im Dienste der Militärregierung
Netto war ein „Wirtschaftszar“ in einer Zeit, in der grundlegende Menschenrechte und die Gewaltenteilung weitgehend außer Kraft gesetzt waren. Seine Verbindung zu militärischen Führern und seine Unterstützung von umstrittenen staatlichen Programmen, wie dem Bau des Itaipú-Staudamms, werfen bis heute Schatten auf sein Erbe. Trotz seiner politischen Bewegungen, ließ er nie die Möglichkeit aus, seine Macht zu festigen, sogar auf Kosten der Demokratie.
Kritik und Kooperation mit späteren Führungspersönlichkeiten
Er galt als eine polarisierende Persönlichkeit; selbst die heutige Präsidentin Dilma Rousseff plante in der Vergangenheit, während ihrer Zeit als Guerilla-Kämpferin, seine Entführung. Trotz ideologischer Unterschiede war Netto später ein geschätzter Berater von Luiz Inácio Lula da Silva, der ihn trotz ihrer früheren Konflikte lobte. Lula bezeichnete Netto als „größten Verteidiger unseres Wachstumsprogramms“ und hob seine Rolle im Kampf gegen Armut hervor.
Lebenslange politische Evolution
Ungeachtet seines Einflusses schüchterte Netto politische Machtspiele ein. Mehrmals ins Parlament gewählt, stellte er keine Wahlkämpfe auf. Letztlich nahm er eine vielschichtige Rolle in Brasiliens politischer Landschaft ein, die von Neid, Kritik und ein wenig Anerkennung geprägt war. Der Absturz in seiner zweiten Amtszeit, als die Inflation explodierte, führte dazu, dass er schnell zum Sündenbock der Misswirtschaft erklärt wurde.
Fazit: Ein Erbe voller Widersprüche
Delfim Nettos Tod markiert das Ende einer Ära, in der er sowohl als Wegbereiter des brasilianischen Wirtschaftswunders als auch als Symbol für die Repression jener Jahre gilt. Sein Leben und sein Wirken sind eine ständige Erinnerung daran, wie eng wirtschaftliche Macht und politische Veränderungen miteinander verwoben sind und wie beide Seiten auf eine Weise zusammenarbeiten können, die sowohl Fortschritt als auch Missbrauch hervorrufen kann.