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Vielfalt für Thüringen und Sachsen: Unternehmen setzen ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit

Vor den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen starten über 40 Unternehmen, darunter Miele und Oetker, eine wichtige Kampagne gegen Fremdenfeindlichkeit, um auf die Gefahren des wachsenden Populismus hinzuweisen und auf die Bedeutung von Vielfalt für den Wirtschaftsstandort Deutschland aufmerksam zu machen.

In einer Zeit, in der die politischen Spannungen in Deutschland zunehmen, ergreifen mehr als 40 Unternehmen die Initiative, um ein Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Populismus zu setzen. Dieser Zusammenschluss plant eine umfassende Plakat- und Social-Media-Kampagne, die große Namen wie Miele, Oetker und Stihl umfasst. Geplant ist, dass die Kampagne am kommenden Montag startet, eine Neuauflage der 2019 ins Leben gerufenen Aktion „Made in Germany – Made by Vielfalt“, die bereits vor vier Jahren für Aufsehen sorgte.

Der Start der Kampagne steht im Kontext der bevorstehenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die im September stattfinden. Hier zeigen die Umfragewerte für die Alternative für Deutschland (AfD) eine besorgniserregende Tendenz. Laut dem Initiator der Kampagne, Timm Mittelsten Scheid, werden die Landesverbände in Thüringen und Sachsen als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft. Er beschreibt die aktuellen Entwicklungen als „hochgefährlich“ für die Demokratie sowie für den Wirtschaftsstandort Deutschland und betont die Notwendigkeit, die Menschen wachsam zu machen.

Unternehmen setzen sich ein

Die Kampagne zielt darauf ab, ein Bewusstsein für die Bedeutung von Vielfalt in der Gesellschaft zu schaffen. Mittelsten Scheid, der Gesellschafter von Vorwerk, hebt hervor, dass ohne qualifizierte Arbeitskräfte die neu geplanten Chipfabriken in Städten wie Dresden und Magdeburg in Schwierigkeiten geraten könnten. „Wenn die Firmen keine Mitarbeiter finden, dann wird das nichts mit den Chipfabriken“, erklärt er. Diese Aussage unterstreicht die wirtschaftlichen Konsequenzen einer mangelnden Weltoffenheit und der Notwendigkeit, Fachkräfte aus verschiedenen Regionen der Welt zu gewinnen.

Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Botschaft, dass Menschen ihre Stimme bei den Wahlen mit Bedacht abgeben sollten. Die Möglichkeit, dass Wut und Frustration über die aktuellen politischen Verhältnisse zu einer Wahlentscheidung für die AfD führen, wird als alarmierend angesehen. „Die Menschen sollten über die Folgen nachdenken, bevor sie bei den Landtagswahlen leichtfertig ein Kreuz auf dem Wahlzettel machen“, fordert Scheid unmissverständlich.

Die Unternehmen hinter dieser Aktion, darunter bekannte Marken wie Vorwerk, Klafs, Trigema, Sennheiser und Schüco, positionieren sich oft unauffällig in der politischen Diskussion. Mittelsten Scheid beschreibt jedoch diesen Moment als notwendig. „Manchmal muss es aber sein. Und dieser Moment ist jetzt“, sagt er und hofft, dass die Initiative zu einem neuen gesellschaftlichen Diskurs führen kann, der positive Veränderungen bewirken könnte.

Die Botschaft der Vielfalt

Ein zentrales Anliegen der Kampagne ist nicht nur die Bekämpfung von Populismus, sondern auch das Eintreten für die Vielfalt in Deutschland. Scheid argumentiert, dass ein Mangel an kultureller Diversität die Innovationskraft und Kreativität eines Landes einschränken kann. „Wenn wir keine Vielfalt haben, fehlen Einflüsse und Ideen und daraus folgend in der Zukunft neue Technik und neue Produkte“, so Scheid im Gespräch mit WELT AM SONNTAG. Er zeigt sich optimistisch hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungen in der Gesellschaft und schließt mit der Hoffnung, dass die Aktion dazu beitragen kann, das Bewusstsein für diese Themen zu schärfen.

Die Entscheidung von so vielen Unternehmen, sich in dieser Angelegenheit zu äußern, könnte eine Wende in der politischen Landschaft darstellen. Deshalb bleibt abzuwarten, wie effektiv diese Kampagne im Hinblick auf die bevorstehenden Wahlen sein wird und ob sie einen bleibenden Eindruck in der öffentlichen Diskussion hinterlässt.

Eine Initiative mit Weitblick

Diese bemerkenswerte Initiative zeigt nicht nur das Engagement führender Unternehmen, sondern auch die Dringlichkeit eines Wandels in der gesellschaftlichen Einstellung gegenüber Diversität und Ausgrenzung. Als Teil eines breiteren Trends, in dem Unternehmen zunehmend Verantwortung für soziale Themen übernehmen, könnte diese Kampagne den Grundstein für einen neuen Diskurs in Deutschland legen – einen Diskurs, der sich mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft auseinandersetzt und gleichzeitig den Wert von Offenheit und gemeinsame Zusammenarbeit betont.

Die gesellschaftliche Situation in Sachsen und Thüringen

In Sachsen und Thüringen hat sich in den letzten Jahren ein besorgniserregendes gesellschaftliches Klima entwickelt, das von einem Anstieg extrem rechter Ideologien geprägt ist. Die AfD hat in zahlreichen Umfragen hohe Zustimmungswerte in diesen Bundesländern erzielt. Dies spiegelt sich nicht nur in Wahlergebnissen wider, sondern auch in der alltäglichen Wahrnehmung und im Umgang mit Vielfalt und Migration. Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach von 2021 halten über 30 % der Befragten in Sachsen eine „deutsche Leitkultur“ für wichtig, was potenziell xenophobe Ansichten fördert.

Die wirtschaftlichen Herausforderungen in diesen Regionen unterstützen teilweise auch diesen Trend. In strukturschwachen Gebieten leiden viele Menschen unter Arbeitslosigkeit und sozialer Unsicherheit, was populistischen Strömungen Vorschub leistet und für eine Solidarisierung mit extremistischen Ideen sorgt. Die Initiative „Made in Germany – Made by Vielfalt“ zielt darauf ab, dieser negativen Entwicklung entgegenzuwirken, indem sie ein klares Zeichen für Weltoffenheit und Toleranz setzt.

Wirtschaftliche Perspektiven und Anforderungen an den Arbeitsmarkt

Die wirtschaftliche Lage in den ostdeutschen Bundesländern ist stark von der Industrie geprägt, insbesondere durch den gewünschten Aufbau von Hochtechnologie-Standorten wie den geplanten Chipfabriken. Der Bedarf an Fachkräften ist hoch, jedoch fehlt es häufig an geeigneten Arbeitskräften. Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) wird bis 2030 in Ostdeutschland ein Mangel von über 300.000 Fachkräften erwartet, was die Ansiedlung neuer Unternehmen gefährden könnte.

Ein wechselseitiger Einfluss besteht zwischen gesellschaftlicher Offenheit und wirtschaftlichem Erfolg: Unternehmen, die Innovation und Vielfalt fördern, sind besser positioniert, um talentierte Mitarbeiter zu gewinnen. Dies zeigt sich auch in nationalen und internationalen Vergleichen – Länder mit einer offenen Einwanderungspolitik erzielen oft bessere wirtschaftliche Ergebnisse. In dieser Hinsicht könnte die Kampagne helfen, nicht nur das Bewusstsein für Vielfalt zu schärfen, sondern auch als Argument für potenzielle Fachkräfte zu fungieren, die nach Deutschland kommen möchten.

Initiativen für Weltoffenheit in Deutschland

Es gibt in Deutschland zahlreiche Initiativen und Organisationen, die sich für Toleranz und Integration einsetzen. Ein bekanntes Beispiel ist die „Deutsche Institut für Normung e.V. (DIN)“, die Standards und Leitlinien entwickelt, um Vielfalt zu fördern und Diskriminierung am Arbeitsplatz zu begegnen. Die Zivilgesellschaft engagiert sich auch intensiv: Zahlreiche NGOs setzen sich für Flüchtlinge und Migranten ein, um deren Integration zu unterstützen und ein diverses gesellschaftliches Miteinander zu fördern.

Im Rahmen der anstehenden Landtagswahlen wird die Sichtbarkeit solcher Initiativen, wie die der mehr als 40 Unternehmen in Sachsen und Thüringen, entscheidend sein, um einen positiven Diskurs über Vielfalt zu schaffen. Die Einbindung von Unternehmen in diese Kampagnen könnte sogar als Modell für andere Regionen dienen, die mit ähnlichen Herausforderungen konfrontiert sind. Solche Maßnahmen sind nicht nur gesellschaftlich, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll, da sie das Gesamtbild der Regionen nachhaltig beeinflussen.

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