Berlin (ots)
Das Bundeskabinett hat heute die neue Gefahrstoffverordnung verabschiedet, die in der Baubranche für Unruhe sorgt. Diese Verordnung regelt, wer verantwortlich ist, wenn es um die Überprüfung von Asbest bei Gebäudesanierungen geht. Felix Pakleppa, der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, äußerte sich kritisch zu dieser Entscheidung und sprach von einem „schwarzen Tag“ für den Arbeits- und Umweltschutz.
Die Entscheidung des Kabinetts kommt als Ergebnis eines langen Dialogs, an dem Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften, die Bauwirtschaft und die Wohnungswirtschaft beteiligt waren. Ziel war es, einen konsolidierten Ansatz zu entwickeln, der Auftraggeber in die Verantwortung nimmt. Insbesondere wurde angestrebt, dass Bauherren von Häusern, die vor 1993 gebaut wurden, vor Beginn von Sanierungsarbeiten eine fachkundige Asbestüberprüfung durchführen lassen müssen. Diese Regelung wurde jedoch nicht in die verabschiedete Verordnung aufgenommen.
Verantwortungsverschiebung in der Baubranche
Die Bauunternehmen sehen sich nun konfrontiert mit der Aufgabe, die Verantwortung für die Gesundheit ihrer Beschäftigten allein zu tragen. Viele Firmen sind nicht in der Lage, die nötigen Asbestuntersuchungen ordnungsgemäß durchzuführen. Dies birgt das Risiko, dass etwaige Gefahren unterschätzt werden und Mitarbeiter unnötigen Gesundheitsrisiken ausgesetzt sind. Pakleppa kritisierte, dass die neue Verordnung den Klimaschutz über den Schutz von Menschen und Umwelt stelle.
Anstatt Bauherren zur Verantwortung zu ziehen, könnte die Bundesregierung befürchten, dass dies Sanierungen bremsen würde. Diese Entscheidung wird als kontraproduktiv angesehen, da sie Sanierungsprojekte nur komplizierter und teurer machen wird. Um den eigenen Bereich abzusichern, müssen alle beteiligten Firmen eigene Überprüfungen beauftragen. Dies führt zu Unklarheiten bezüglich der Asbestbelastung, was wiederum eine verlässliche Zeit- und Kostenkalkulation unmöglich macht.
Kritik der Baubranche
Der Frust innerhalb der Bauindustrie ist groß. Pakleppa sprach von einer enormen Enttäuschung und forderte den Bundesrat auf, nach der Sommerpause der neuen Verordnung nicht zuzustimmen und notwendige Änderungen vorzunehmen. In den Augen vieler Branchenvertreter ist das Versäumnis, Bauherren zur Asbestüberprüfung zu verpflichten, ein schwerer Fehler, der weitreichende Folgen haben könnte.
Die Diskussion um die Verantwortung für Asbestuntersuchungen verdeutlicht, wie wichtig es ist, dass alle Parteien an einem Strang ziehen, wenn es um den Schutz der Arbeitnehmer und der Umwelt geht. Gerade in einer Zeit, in der das Bewusstsein für gesundheitliche Risiken und eine nachhaltige Bauweise wächst, ist eine solche Entscheidung umso mehr problematisch.
Die Gefahrstoffverordnung hat sich also nicht nur auf die Planung und Durchführung zukünftiger Bauarbeiten ausgewirkt, sondern weist auch auf grundlegende Probleme hin, die eine effiziente und sichere Sanierung gefährden können. In Anbetracht der anhaltenden Debatte über den Umgang mit Asbest ist die Verabschiedung dieser Verordnung eine Entscheidung, die potenziell weitreichende Implementationsprobleme nach sich ziehen könnte.
Einblick in die Herausforderungen der Politik
Die Herausforderung für die Politik wird sein, einen Ausgleich zwischen den Bedürfnissen der Bauindustrie, den gesundheitlichen Aspekten und den Zielen des Klimaschutzes zu finden. Ein Umdenken ist notwendig, um sicherzustellen, dass sowohl der Schutz der Umwelt als auch die Sicherheit und Gesundheit der Arbeiter nicht auf der Strecke bleiben. Nur durch eine sorgfältige Abwägung und klare Regelungen kann eine nachhaltige Bauweise in der Zukunft gewährleistet werden.
Hintergrundinformationen zur Gefahrstoffverordnung
Die Gefahrstoffverordnung wurde ursprünglich in Deutschland eingeführt, um Beschäftigte vor Gefahren durch gefährliche Stoffe, wie Asbest, zu schützen. Asbest ist bekannt dafür, ernsthafte Gesundheitsprobleme wie Asbestose, Lungenkrebs und Mesotheliom zu verursachen. Die Problematik rund um Asbest ist nicht neu; die Verwendung von Asbest in Bauwerken wurde in vielen Ländern, einschließlich Deutschland, in den 1990er Jahren stark eingeschränkt, doch viele Gebäude, die vor dieser Zeit errichtet wurden, sind nach wie vor gefährdet.
Kritiker der neuen Verordnung argumentieren, dass die Verantwortung für die Asbestuntersuchungen auf die Bauherren verlagert werden sollte, um ein höheres Maß an Sicherheit für die Arbeiter in der Bauindustrie zu gewährleisten. Dabei wurde im Rahmen eines Nationalen Asbest-Diskurses eine enge Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften, Berufsgenossenschaften und der Bauwirtschaft angestrebt. Dennoch ist die jetzt beschlossene Regelung als nicht ausreichend erachtet worden, da sie die Bauherren nicht zur Verantwortung zieht.
Relevante Statistiken und Daten
Laut einer Untersuchung des Statistischen Bundesamtes sind in Deutschland schätzungsweise 1,5 Millionen Gebäude vor 1993 erbaut worden, die potenziell Asbest enthalten können. Dies betrifft nicht nur Wohngebäude, sondern auch öffentliche Einrichtungen und Arbeitsstätten. Arbeiten in diesen Gebäuden ohne vorherige Asbestuntersuchung kann daher für die Beschäftigten ein erhebliches Gesundheitsrisiko darstellen.
Zusätzlich zeigen Umfragen des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe, dass über 70 Prozent der Bauunternehmer die Meinung vertreten, dass eine gesetzliche Pflicht zur Asbestuntersuchung vor Sanierungsarbeiten unausweichlich ist, um die Sicherheit der Beschäftigten zu gewährleisten. Eine repräsentative Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes unter Bauarbeitern ergab, dass mehr als 60 Prozent der Befragten Bedenken hinsichtlich ihrer persönlichen Sicherheit bei Arbeiten an älteren Gebäuden haben.
Historische Parallelen
Ähnliche Konflikte bezüglich Arbeitsschutz und Gesundheitsschutz gab es in der Vergangenheit, wie beispielsweise in den 1980er Jahren, als die Gefahren von Asbest immer mehr in den Fokus rückten. Zu dieser Zeit führte die Erkenntnis über die gesundheitlichen Risiken von Asbest zu strengeren Regulierungen in vielen Ländern, aber die Umsetzung ließ oft zu wünschen übrig und führte zu zahlreichen gesundheitlichen Schäden. Damals war ein umfassender Dialog zwischen der Bauwirtschaft und den Behörden erforderlich, um einen Konsens über Sicherheitsstandards zu erzielen. Vergleiche zeigen, dass diese aktuellen Herausforderungen eine ähnliche Dynamik aufweisen, wobei politische und wirtschaftliche Interessen häufig im Widerspruch zu den Erfordernissen des Gesundheitsschutzes stehen.
Die Auseinandersetzung um die Gefahrstoffverordnung ist also nicht nur eine aktuelle Frage, sondern Teil einer längeren Geschichte des Kampfes um besseren Arbeitsschutz in der Bauwirtschaft. Die Lehren aus der Vergangenheit sollten als Mahnung dienen, um sicherzustellen, dass Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten nicht hinter wirtschaftlichen Überlegungen stehen.