DeutschlandPolitik

Die Sicherheit Israels: Was bedeutet die deutsche Staatsräson wirklich?

In dem Artikel wird erläutert, dass die Sicherheit Israels seit Oktober 2023 von deutschen Politikern, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, als Staatsräson bezeichnet wird, was auf die historische Verantwortung Deutschlands und die strategische Bedeutung dieser Unterstützung hinweist, trotz der rechtlichen Unklarheiten und der fehlenden offiziellen Definition dieses Begriffs.

In den letzten Jahren wurde immer wieder betont, dass die Sicherheit Israels eine zentrale Rolle in der deutschen Außenpolitik spielt. Politische Spitzenvertreter, darunter Bundeskanzler Olaf Scholz, haben diese Vorstellung in den öffentlichen Diskurs eingebracht. Doch was genau hinter diesem Begriff der „Staatsräson“ steckt, bleibt oft unklar. Eine offizielle Definition oder Erklärung sucht man vergebens.

Scholz erläuterte dieses Konzept im Oktober 2023, nachdem es zu einem massiven Angriff der Hamas auf Israel gekommen war. Er berief sich dabei auf frühere Aussagen, unter anderem von Angela Merkel, die im Jahr 2008 vor dem israelischen Parlament von der deutschen Staatsräson sprach. Das soll verdeutlichen, dass die Unterstützung Israels für die deutsche Politik von grundlegender Bedeutung ist, doch was bedeutet dies konkret?

Nationale Interessen im Vordergrund

Der Begriff Staatsräson ist in der politischen Philosophie verwurzelt und wird oft mit Niccolò Machiavelli in Verbindung gebracht, obwohl er diesen speziellen Begriff nicht direkt verwendete. Laut Marietta Auer, Geschäftsführende Direktorin am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte, bedeutet Staatsräson, dass ein Staat alles tun muss, was notwendig ist für seinen Erfolg und sein Überleben. In diesem Kontext haben nationale Interessen Vorrang vor anderen Werten oder Interessen der Bevölkerung.

Die spezifischen Inhalte, die als Staatsräson betrachtet werden, unterscheiden sich von Staat zu Staat und sind oftmals von der jeweiligen Geschichte abhängig. Auer erklärt, dass der Grund, warum Deutschland die Sicherheit Israels als Staatsräson betrachtet, historisch bedingt ist. In Anbetracht der deutschen Vergangenheit, insbesondere des Holocausts, ist dies ein sensibles Thema.

Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist festgehalten, dass die Sicherheit Israels Staatsräson sei. Das zeigt sich auch in der politischen Praxis, wenn die Bundesregierung Maßnahmen ergreift, um Israel zu unterstützen und zur Schaffung einer verhandelten Zwei-Staaten-Lösung beizutragen. Trotz dieser klaren Absicht bleibt die bedeutende Frage, welche konkreten rechtlichen Verpflichtungen sich daraus ergeben.

„Rechtlich bedeutungslos“

Die rechtlichen Implikationen einer Staatsräson sind nebulös. Alexander Wentker, ein Referent am Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht, formuliert es so: „Eine Staatsräson ist niemals etwas Genaues.“ Dies bedeutet, dass es keine klaren rechtlichen Konsequenzen gibt, die aus der Erklärung, dass die Sicherheit Israels Staatsräson sei, folgen. Der Begriff bleibt vage und kann je nach politischer Situation unterschiedlich interpretiert werden.

Obwohl es Bestrebungen gibt, die Sicherheit Israels in die deutsche Verfassung aufzunehmen, stellt Wentker fest, dass dies ein langwieriger Prozess wäre. Denkbar wäre, dass dies als Staatszielbestimmung aufgenommen wird, ähnlich wie zum Beispiel im Artikel 20a des Grundgesetzes, der den Schutz natürlicher Lebensgrundlagen thematisiert.

Deutschland könnte Israel unter gewissen Umständen militärisch unterstützen, etwa bei einem völkerrechtswidrigen Angriff durch einen Drittstaat. Diese militärische Hilfe wäre durch das Völkerrecht gedeckt, bedarf aber einer ausdrücklichen Anfrage seitens Israels. Es besteht jedoch keine rechtliche Verpflichtung, Israel zu unterstützen, was auch die Tatsache reflektiert, dass über Auslandseinsätze immer wieder neu im Bundestag entschieden werden muss.

Mehrere Elemente der Zusammenarbeit

Die enge Bindung zwischen Deutschland und Israel zeigt sich nicht nur in der Rhetorik, sondern auch in den praktischen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Im Jahr 2023 war Israel eines der Hauptziele deutscher Rüstungsexporte, mit Genehmigungen im Wert von 326,5 Millionen Euro.

Politikwissenschaftler Markus Kaim hebt hervor, dass Deutschland seine Politik in internationalen Organisationen oftmals an den Sicherheitsinteressen Israels ausrichtet. So enthielt sich Deutschland 2012 bei einer UN-Abstimmung zur Anerkennung Palästinas, was als Zeichen der Unterstützung für Israel gewertet werden kann. Es gibt auch Bestrebungen, die Konflikte zwischen Israel und arabischen Nachbarn durch diplomatische Bemühungen zu entschärfen, um einen langfristigen Frieden zu fördern.

Inmitten der geopolitischen Tücken und den Anforderungen der internationalen Diplomatie bleibt die deutsche Staatsräson für Israel ein umstrittenes, aber zentral wichtiges politisches Leitmotiv, dessen Bedeutung weiterhin diskutiert wird. Die darüber hinausgehende Verantwortung sowie die Fragen nach rechtlichen Verpflichtungen zeigen die Komplexität, die mit diesem Konzept verbunden ist. Deutschlands Rolle auf der internationalen Bühne bleibt angesichts kontroverser Themen wie Antisemitismus und den Umgang mit den Palästinensern ein ständiger Balanceakt, in dem letztlich die Prinzipien der Menschenrechte oft als weniger bedeutend behandelt werden.

Ein weiterer Aspekt der Unterstützung Israels durch Deutschland ist die Lage der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland selbst. In den letzten Jahren gab es einen merklichen Anstieg antisemitischer Vorfälle, was die Bundesregierung dazu veranlasst hat, Maßnahmen zum Schutz jüdischer Einrichtungen und zur Bekämpfung von Antisemitismus zu verstärken. Auch diese Entwicklungen hängen eng mit der deutschen Geschichte und der Verantwortung gegenüber der jüdischen Bevölkerung zusammen.

Jüdische Gemeinschaft in Deutschland

Laut dem Bericht „Antisemitismus in Deutschland 2023“ des Bundesministeriums des Innern und für Heimat wurden 2022 über 3.000 antisemitische Straftaten in Deutschland registriert, was einer Zunahme von etwa 29 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Sicherheitslage der jüdischen Gemeinschaft sowohl im gesellschaftlichen als auch im politischen Raum von großer Bedeutung ist, weshalb die Versicherung der Sicherheit Israels indirekt auch als eine Form des Schutzes für die jüdische Bevölkerung in Deutschland interpretiert werden kann. Bundesministerium des Innern und für Heimat.

Die Bundesregierung hat diverse Initiativen ins Leben gerufen, um den Antisemitismus zu bekämpfen und die jüdische Kultur in Deutschland zu fördern. Bildungsprojekte, wie die Aufklärung über den Holocaust und die Geschichte des Judentums in Deutschland, sind Teil dieser Bemühungen. Außerdem wird die Zusammenarbeit mit jüdischen Institutionen gestärkt, um ihre Sicherheit zu gewährleisten und die Integration der jüdischen Gemeinschaft in die Gesellschaft zu fördern. Diese sozialen und politischen Maßnahmen sind Teile eines umfassenden Ansatzes, der die Förderung des jüdischen Lebens in Deutschland und die Verantwortung Deutschlands für die jüdische Geschichte miteinander verbindet.

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"