Erfurt

Erfurt kämpft gegen Kinderarmut: Tafel-Chefin schlägt Alarm

In Erfurt warnt die Tafel-Chefin Andrea Kranhold, dass jeder zweite Bedürftige, der auf die Unterstützung der Einrichtung angewiesen ist, ein Kind ist, und zeigt damit die alarmierende Kinderarmut in Thüringen auf, die durch wirtschaftliche Notlagen vieler Familien seit Jahren verstärkt wird.

In Erfurt gibt es alarmierende Entwicklungen im Bereich der sozialen Benachteiligung. Die Tafel, eine Organisation, die täglich Bedürftige mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Gütern versorgt, ist als wichtige Anlaufstelle für viele Menschen in der Region tätig. Sie bietet nicht nur Lebensmittel zu ermäßigten Preisen an, sondern auch Spielzeug, Kleidung und Hygieneartikel, die für viele Familien unverzichtbar sind.

Die geschäftsführende Chefin der Tafel, Andrea Kranhold, ist seit 25 Jahren im Dienst und kennt die alltäglichen Nöte der Menschen in Erfurt sehr gut. Doch eine Statistik lässt sie nicht los: „Jeder zweite Bedürftige hier ist ein Kind!“ Diese erschreckende Erkenntnis unterstreicht die tiefgreifende Problematik der Kinderarmut in Thüringen, die sich durch die Stadt zieht.

Die Alarmglocken läuten: Besorgniserregende Kinderarmut

Kranhold spricht offen über die verschiedenen Gruppen von Menschen, die in der Tafel Hilfe suchen. Neben Rentnern und Flüchtlingen sind es insbesondere Alleinerziehende mit Kindern sowie Familien mit mehreren Kindern, die auf die Unterstützung angewiesen sind. „In Erfurt ist der Anteil der Kinder unter den Bedürftigen alarmierend hoch“, betont Kranhold.

Das Problem wird durch die begrenzte finanzielle Lage vieler Eltern verstärkt. Kranhold erläutert, wie dies das soziale Leben der Kinder beeinträchtigt: „Wenn das Geld fehlt, nehmen viele Eltern zum Beispiel nicht an Ausflügen oder anderen Freizeitaktivitäten teil. Die Kinder geraten dadurch in eine soziale Isolation, die ihre Entwicklung und Freundschaften beeinträchtigen kann.“ Die Tafel wird somit zu einer zentralen Institution, die weit über die Bereitstellung von Lebensmitteln hinausgeht.

Carsten Nöthling vom Kinderschutzbund Thüringen spricht ebenfalls über die besorgniserregende Situation der Kinder in der Region. Er nennt zwei Hauptgründe für die hohe Kinderarmut in Thüringen: „Viele Familien sind auf Sozialleistungen angewiesen, und in der Region fehlen hochbezahlte Industriearbeitsplätze, die für ein besseres Einkommen sorgen würden.“ Stattdessen erhalten viele Beschäftigte in kleineren Betrieben oft nur Löhne, die knapp über dem Mindestlohn liegen, was die finanziellen Möglichkeiten der Familien stark einschränkt.

Nöthling betrachtet die Tafel als eine wertvolle Einrichtung, die in der Region tief verwurzelt ist. „Die Tafel hat einen guten Blick dafür, wer Hilfe benötigt. Es ist jedoch bedauerlich, dass in einer wohlhabenden Gesellschaft wie der unseren so viele Menschen auf diese Unterstützung angewiesen sind“, so Nöthling über die bestehende Notlage.

Die Rolle der Tafel: Unterstützung in schwierigen Zeiten

Die Tafel agiert seit vielen Jahren als vitaler Bestandteil des sozialen Netzwerkes in Erfurt. Ohne sie würden viele Familien in ihrer Notlage noch weiter gefährdet sein. Der wichtige Dienst, den die Tafel der Gemeinschaft bietet, zeigt, wie stark der soziale Zusammenhalt und die Bereitschaft zur Hilfe unter den Erfurtern ist.

„Die Menschen kommen hierher, weil sie keine andere Möglichkeit sehen“, sagt Kranhold. Für viele ist die Tafel die letzte Rettung, um ihre Grundbedürfnisse zu decken. Es ist eine traurige Realität, die nicht nur die soziale Struktur, sondern auch die Zukunft der Kinder betrifft.

Ein Aufruf zur Solidarität und Unterstützung

Die statischen Daten und die persönlichen Berichte von Andrea Kranhold sowie Carsten Nöthling verdeutlichen, welche Herausforderungen Familien in Erfurt gegenüberstehen. Es zeigt sich, dass eine gesunde Gesellschaft sich nicht nur durch wirtschaftlichen Wohlstand definiert, sondern auch durch die Fähigkeit, ihre verletzlichen Mitglieder zu unterstützen. Die Tafel und ähnliche Einrichtungen sind auf die Solidarität und Hilfe der Gemeinschaft angewiesen, um weiterhin ihre wichtigen Dienste anbieten zu können.

Es besteht ein dringender Bedarf an größerer Aufmerksamkeit und Unterstützung für die Initiativen, die sich um bedürftige Kinder und Familien kümmern. Jeder ist aufgerufen, sich zu engagieren und einen Beitrag zur Verbesserung dieser alarmierenden Situation zu leisten.

Soziale Ungleichheit und ihre Auswirkungen

Die soziale Ungleichheit in Deutschland hat in den letzten Jahren zugenommen, was sich besonders in den östlichen Bundesländern wie Thüringen bemerkbar macht. Laut dem Statistischen Bundesamt ist die Armutsgefährdungsquote in den neuen Bundesländern deutlich höher als in den alten Bundesländern. Dies betrifft insbesondere Kinder, die in Haushalten leben, die auf Sozialleistungen angewiesen sind.

Die Auswirkungen dieser Ungleichheit sind umfassend. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben oft eingeschränkten Zugang zu Bildung und Freizeitmöglichkeiten. Dies kann langfristige Folgen für ihre persönliche und berufliche Entwicklung haben. Studien zeigen, dass frühkindliche Armut die kognitive und soziale Entwicklung von Kindern negativ beeinflussen kann. Dies verstärkt den Kreislauf der Armut, da wenig finanzielle Mittel zumeist auch eine geringere Bildungsbeteiligung nach sich ziehen.

Die Rolle der Tafeln in der Gesellschaft

Die Tafeln in Deutschland, wie auch die in Erfurt, sind eine wichtige Stütze für viele bedürftige Menschen. Sie leisten nicht nur einen wertvollen Beitrag zur Lebensmittelrettung, sondern fungieren auch als soziale Begegnungsorte. Oftmals sind sie die einzige Anlaufstelle für sozial benachteiligte Gruppen. Laut dem Bundesverband Deutsche Tafel e.V. beziehen etwa 1,65 Millionen Menschen in Deutschland regelmäßig Lebensmittel von den Tafeln, darunter ein erheblicher Anteil von Kindern.

Die Tafeln tragen dazu bei, die Grundversorgung dieser Personen zu sichern und soziale Isolation zu vermindern. Sie sind in der Lage, Bedürftigen nicht nur mit Lebensmitteln zu helfen, sondern bieten oft auch Beratungsdienste, die bei der Alltagsbewältigung unterstützen können. Ihre Arbeit ist ein unverzichtbarer Bestandteil der sozialen Infrastruktur im Land.

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