Am 29. August 1954 verließen die Bewohner des kleinen Dorfes Schulenberg im Oberharz ihr Zuhause, um Platz für die neue Okertalsperre zu schaffen. Dieses Ereignis stellte nicht nur die Umsiedlung einer Gemeinschaft von fast 300 Menschen dar, sondern erhielt auch große Aufmerksamkeit von Medien aus ganz Europa. Die ursprünglichen Holzhäuser der Gemeinde mussten weichen, während die Dorfbewohner ihre neuen Wohnungen auf dem „Kleinen Wiesenberg“ bezogen, 60 Meter oberhalb des zukünftigen Stausees.
Die Entscheidung, die Okertalsperre zu errichten, war eine Reaktion auf die verheerenden Überschwemmungen, die durch die Schneeschmelze im Winter 1954 verursacht worden waren. Orte wie Wolfenbüttel und Braunschweig litten erheblich unter diesen Naturereignissen. Um die zukünftige Wassermengensteuerung zu gewährleisten, wurde beschlossen, die Oker durch eine beeindruckende 75 Meter hohe Mauer zu stauen.
Historische Entwicklungen und Bauarbeiten
Die Planung der Okertalsperre hatte bereits viel früher begonnen. Erste Anzeichen einer drohenden Umsiedlung gab es bereits 1912, als Landvermesser im Weißwassertal gesichtet wurden. 1928 wurde den Schulenbergern schließlich mitgeteilt, dass der Bau der Talsperre konkret in die Planung ging. Von diesem Zeitpunkt an durften keine neuen Gebäude mehr errichtet werden, was das Dorf in einen Zustand des Stillstands versetzte und die Bewohner in ihrer Existenz bedrohte.
Die irreführende Ruhe nach der ersten Meldung über die Umsiedlung hielt sich bis zur Ankunft der Abrisskolonnen im Sommer 1938. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die Arbeiten dann erneut unterbrochen, bevor 1949 der Bau der Talsperre offiziell fortgesetzt wurde. Die Harzwasserwerke übernahmen schließlich die Verantwortung für diese massive Baumaßnahme, die mit dem Abholzen von etwa 30.000 Kubikmetern Hochwald einherging. All dies geschah in einer Zeit, in der die Region sowohl wirtschaftlich als auch ökologisch im Umbruch war.
Willkommen im neuen Zuhause
Am Tag des Umzugs genossen die Schulenberger eine feierliche Atmosphäre, die von einer Blaskapelle begleitet wurde. Tausende Zuschauer waren gekommen, um diesen historischen Moment zu erleben. Das neue Schulenberg, das nun auf einer Höhe von 490 Metern liegt, wurde im Anschluss an den Umzug als sicher galt und versprach den neuen Bewohnern sowohl Lebensqualität als auch herrliche Aussichten auf den Stausee und den Brocken.
Nachdem die Talsperre 1956 fertiggestellt wurde und am 24. März erstmals Water eingestaut wurde, verwandelte sich der Ort in eine touristische Attraktion. Heute bietet die Region eine Vielzahl von Freizeitmöglichkeiten, darunter Ski, Wandern und Mountainbiking. Die alten Stollen, die einst die Hochquellen der Silber- und Kupferförderung waren, haben ihren Platz zugunsten von Erholungsangeboten und Naturaktivitäten in Schulenberg verloren.
Ein zeitloses Ausflugsziel
Die Okertalsperre selbst ist heute nicht nur ein Erlebnisort für Wassersportler, sondern auch ein wichtiger Wasserspeicher, der bis zu 47 Millionen Kubikmeter Wasser stauen kann. Von der Staumauer aus erstrecken sich Wanderrouten und Plätzchen für Wasserfreunde und Naturbegeisterte. Der Stausee gilt aufgrund seiner tiefen Buchten als „Vierwaldstättersee des Harzes“ und zieht zahlreiche Besucher an.
Diese Verbindung zwischen der Vergangenheit des alten Schulenbergs und dem heutigen Freizeitangebot zeigt, wie die Region sich trotz der Herausforderungen rasant entwickelt hat, und wie eine historische Entscheidung – die Bautätigkeiten und die Umsiedlung – zwar schmerzlich war, jedoch auch neue Wege geebnet hat, die für künftige Generationen weiter bestehen.
Ein Ort im Wandel der Zeit
Die Geschichte von Schulenberg zeigt eindrucksvoll, wie sich Lebensumstände und wirtschaftliche Gegebenheiten in einer Region über die Jahre verändern können. Vom einst blühenden Bergbaudorf hat sich Schulenberg transformiert zu einem touristischen Hotspot, das die Schönheit des Harzes mit zeitgemäßen Freizeitangeboten kombiniert. Selbst die Legenden, die um den Okerstausee ranken, halten die Erinnerungen an eine bewegte Vergangenheit wach.
Die Geschichte der Okertalsperre ist eng mit den Entwicklungen in der Region verbunden. Die Notwendigkeit, die Wassermengen zu regulieren, die in der Vergangenheit immer wieder zu Überschwemmungen führten, war ein entscheidender Faktor für den Bau der Talsperre. Zuvor kam es in den Jahren 1948 und 1955 zu besonders schweren Überflutungen in der Umgebung, was öffentliche und politische Unterstützung für das Projekt mobilisierte. Der Bau der Talsperre sollte nicht nur das Hochwasserproblem lösen, sondern auch die Wasserversorgung für die nahen Städte und Gemeinden verbessern.
Umwelteinflüsse und ökologische Aspekte
Die Flutung des alten Schulenbergs und die Schaffung der Okertalsperre hatten weitreichende Umweltfolgen. Der Bau des Stausees führte zur Zerstörung von Lebensräumen und zur Abholzung von Wäldern. Obwohl das Projekt als notwendig erachtet wurde, stehen die langfristigen ökologischen Auswirkungen oft in der Diskussion. Die Flussökologie der Oker wurde durch den Staudamm erheblich verändert. Fische und andere Wasserlebewesen hatten nun mit veränderten Strömungsverhältnissen und Wasserständen zu kämpfen.
Die Regierungen von Niedersachsen und lokale Behörden haben seitdem Maßnahmen ergriffen, um die Umwelt zu schützen und die Biodiversität in der Region zu fördern. Projekte zur Wiederaufforstung und Renaturierung der Flussläufe wurden ins Leben gerufen, um die Folgen des Staudammbaus abzumildern. Diese Bemühungen stehen im Einklang mit den EU-Vorgaben zur Wasserrahmenrichtlinie, die die Erhaltung und Verbesserung der Gewässerqualität in den Mitgliedstaaten fördern.
Demographische Veränderungen und soziale Aspekte
Die Umsiedlung der Schulenberger hat nicht nur eine physische Verlagerung der Bevölkerung bewirkt, sondern auch tiefgreifende soziale Veränderungen. Der Verlust des alten Dorfes brachte Trauer und Unsicherheit mit sich, da sich das Leben nach der Umsiedlung drastisch veränderte. Die Umpositionierung der Bewohner führte dazu, dass viele ihre sozialen Netzwerke und gewohnten Lebensweisen aufgeben mussten. Einige der älteren Bewohner klagten über den Verlust ihrer Heimat und die damit einhergehenden emotionalen Belastungen.
Auf der anderen Seite konnte die neue Ansiedlung auch neue Möglichkeiten bieten. Das neue Schulenberg bot durch die moderne Infrastruktur und den Zugang zu touristischen Aktivitäten neue wirtschaftliche Perspektiven. Die Entwicklung des Tourismus in der Region eröffnet nicht nur neue Einkommensquellen, sondern führt auch zu einer Erhöhung der Lebensqualität der Anwohner, da sich Freizeitangebote und soziale Interaktionen erweitern.
Wirtschaftliche Indikatoren im Zusammenhang mit dem Tourismus
Laut aktuellen Statistiken vom Statistischen Landesamt Niedersachsen hat der Tourismus in der Region Markanteinnahmen generiert. Der Gesamtumsatz aus dem Tourismus in den Harzregionen schlug im Jahr 2022 mit über 600 Millionen Euro zu Buche, wobei Schulenberg als beliebtes Ziel für Erholungssuchende besonders profitiert. Die Besucherzahlen haben sich seit 2015 mehr als verdoppelt. Solche Entwicklungen zeigen nicht nur die wirtschaftliche Bedeutung des Tourismus, sondern reflektieren auch die Anpassungsfähigkeit der Region an sich verändernde Bedingungen.
Die Infrastruktur, einschließlich der Wanderwege und Freizeitangebote, wurde die letzten Jahre kontinuierlich verbessert, sodass die Zufriedenheit der Gäste, gemessen durch Umfragen, auf einem hohen Niveau bleibt. Diese positiven Trends beweisen, dass die Region trotz der harten Entscheidungen der frühen Jahre in der Lage ist, eine florierende Zukunft aufzubauen.
Um mehr über die Region zu erfahren und sich über aktuelle Entwicklungen im Tourismus und in der Wirtschaft zu informieren, können Interessierte die Seiten des Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung besuchen.