In den letzten Jahren hat der Tourismus in vielen Teilen der Welt eine besorgniserregende Dimension erreicht. In beliebten Urlaubszielen wie Mallorca, Barcelona oder Venedig sind die Klagen der Einheimischen über übermäßigen Tourismus unüberhörbar. Mit Sprüchen wie „Tourists go home“ zeigen die Bewohner ihren Unmut über die schiere Masse an Reisenden, die oft die Lebensqualität der ansässigen Bevölkerung beeinträchtigt.
Professor Christian Laesser, ein renommierter Tourismusforscher an der Universität St. Gallen, beleuchtet die jüngsten Entwicklungen in der Tourismuslandschaft und die dringende Notwendigkeit von Maßnahmen gegen den sogenannten „Overtourism“. In einem Gespräch äußerte er sich über die Komplexität dieser Thematik und welche Veränderungen in der Verwaltung notwendig sind, um den Herausforderungen gerecht zu werden.
Wachsende Herausforderungen durch Massentourismus
Der Begriff „Overtourism“ ist mittlerweile in aller Munde, doch wie Laesser erklärt, ist es kein neues Phänomen: „Das gibt es schon seit längerer Zeit, eigentlich, seit es Tourismus gibt.“ Ein bedeutsamer Trend ist die Konzentration auf bestimmte Destinationen, die zunehmend überlastet sind. Gründe dafür sind unter anderem die wachsende internationale Nachfrage und die Verfügbarkeit von günstigen Flügen, die Reisen für eine breite Bevölkerungsschicht zugänglich machen. Während früher nur wohlhabendere Menschen die Mittel hatten, die Welt zu erkunden, ist dies heute für viele möglich geworden.
Zusätzlich hat die Explosion von Online-Plattformen wie Airbnb den Wettbewerb um Wohnraum verschärft. In Städten, wo diese Plattformen dominieren, führt dies dazu, dass Einheimische immer weniger bezahlbaren Wohnraum finden. Die Wohnungen, die einst für Langzeitmieter verfügbar waren, werden nun bevorzugt an Touristen vermietet.
Ein weiterer kritischer Aspekt sind Kreuzfahrten, die insbesondere in Hafenstädten ein großes Problem darstellen. Laesser warnt: „Das Problem ist hier die schiere Masse von Leuten, die ein Schiff ans Land wirft.“ Die hohen Passagierzahlen von Kreuzfahrtschiffen können mit der Kapazität mehrerer großer Hotels verglichen werden, was für viele Städte eine untragbare Belastung darstellt.
Notwendige Maßnahmen gegen die Überlastung
Angesichts dieser Herausforderungen stellen sich viele die Frage, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Situation zu verbessern. Laesser nennt einige interessante Ansätze: „In Barcelona plant die Regierung aktuell, Ferienwohnungen sukzessive abzuschaffen.“ Ähnliche Strategien sind in anderen touristisch stark frequentierten Städten zu beobachten, wobei auch Venedig Eintrittspreise für Tagestouristen erhebt, um den Zustrom zu regulieren.
Der Wissenschaftler schlägt vor, eine Kombination von Maßnahmen in Betracht zu ziehen. „Die Nutzung von öffentlichem Raum zu kontingentieren und zu bepreisen, wie in Venedig, das bezeichnet er als die vielleicht ultimativ letzte und auch die wirksamste Lösung.” Hierbei würde die Zugänglichkeit zu touristischen Hotspots begrenzt, was helfen könnte, übermäßige Ansammlungen zu vermeiden.
Darüber hinaus könnten Reservierungssysteme für bestimmte Attraktionen, wie sie bereits in der Therme Vals oder der Alhambra bestehen, verhindern, dass Touristenströme unkontrolliert zunehmen. „Das sind sicher Modelle, die funktionieren können“, so Laesser.
Die Diskussion über den Massentourismus ist komplex und erfordert innovative Ansätze und ein Umdenken in der Tourismusplanung. Professor Laesser betont: „Es ist nicht ein Problem der Plattformen, es ist ein Problem der Raumnutzung und das ist ein örtliches Problem“. Dies bedeutet, dass lokale Behörden in der Verantwortung stehen, entsprechende regulatorische Rahmenbedingungen zu ändern, um den Herausforderungen des Massenverkehrs entgegenzuwirken.
Insgesamt zeigt sich, dass der Handlungsbedarf groß ist und Lösungen proaktiv angegangen werden müssen, um die Lebensqualität der Einheimischen zu schützen und gleichzeitig die Bedürfnisse der Reisenden zu berücksichtigen. Nur durch sinnvolle Maßnahmen und eine bewusste Planung kann ein Gleichgewicht zwischen den Interessen von Touristen und Einheimischen hergestellt werden.